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„Ich will, dass die Leute lachen"

Milan Peschel ist zurück am Theater. Warum Slapstick wichtig ist und was er von seinem Theatervater Frank Castorf gelernt hat: Ein Gespräch


In den vergangenen Jahren war er hauptsächlich auf der Leinwand zu sehen, in Komödien von Matthias Schweighöfer und im mehrfach prämierten Film "Halt auf freier Strecke". Jetzt ist Milan Peschel zurück am Theater, als Regisseur. Am Dienstag hat sein Stück "Pünktchen und Anton" Premiere im Theater an der Parkaue. Ein Treffen.


Herr Peschel, in der vergangenen Zeit waren Sie mehr im Kino präsent. Wird man Sie jetzt wieder häufiger im Theater antreffen?

Milan Peschel: Stimmt, ich hatte jetzt eine Phase, da habe ich in drei Jahren bloß drei Stücke gemacht. Deswegen würde ich gern im nächsten Jahr mehr machen: Von Januar bis Mai mache ich drei Inszenierungen in Hannover, Heidelberg und Bochum - und eventuell am Deutschen Theater zum Ende des nächsten Jahres.


Das Theater kennen Sie aus allen Perspektiven: Sie haben Bühnentischler gelernt, als Bühnentechniker an der Volksbühne gearbeitet, später standen Sie als Schauspieler auf der Bühne. Das hat einen Effekt auf Ihre Regiearbeit, oder?

Ja, diese Erfahrungen befruchten. Ich weiß, wie man sich auf der Bühne fühlt, wie man da auf Druck reagiert. Deswegen versuche ich als Regisseur schon, Rücksicht zu nehmen. Manchmal geht das natürlich nicht, da muss man laut werden oder energetisch.


Genau dafür ist ja Frank Castorf bekannt, ihr Theatervater.

In künstlerischer Hinsicht ist er das auf jeden Fall. Ich würde mich nie mit ihm vergleichen wollen, habe aber bestimmte Dinge von ihm mitgenommen. Dass die Autonomie des Schauspielers wichtig ist, zum Beispiel. Auch seine Anarchie, seine Wut, seine Zärtlichkeit. Und dass ein Schauspieler sich frei fühlen muss auf der Bühne. Das versuche ich weiterzugeben.


Ab diesem Sommer ändert sich in ihrer künstlerischen Heimat, der Volksbühne, einiges. Chris Dercon wird Castorf ablösen. Wird es Ihre Heimat bleiben?

Nein. Das Gebäude, das Material, die Leute, die dort arbeiten und bleiben, also die Bühnentechniker, die Requisite, die Ankleider, die Werkstatt, die sind Heimat. Ich bin gespannt, was die erzählen. Aber eine künstlerische Heimat ist es dann nicht mehr. Wenn ich an dem Haus vorbeigehe, sehe ich natürlich immer die Volksbühne, wie ich sie kenne. Diese 25 Jahre, die ich dort war, die werde ich immer mittragen.


Können Sie nahvollziehen, dass sich Ihre Kollegen gegen Dercon wehren?

Natürlich, ich wehre mich auch dagegen. Ich finde es furchtbar, dass Tim Renner entschieden hat, diesen Mann dort zu platzieren. Das ist eine unglaubliche Dummheit und ein großer Verlust für die Kulturlandschaft unseres Landes. Denn diese Art, Theater zu machen, die kann man nirgendwo anders platzieren. Deswegen hoffe ich, dass wenigstens das Rad davor stehen bleibt. Sonst wird man es vergessen. Man kann nicht immer alles wegreißen. Auch der Palast der Republik, dieses schreckliche Gebäude, ist vergessen und es fehlt mir jetzt. Manchmal muss man Dinge stehen lassen, sich immer wieder mit ihnen konfrontieren.


Jetzt haben Sie sich "Pünktchen und Anton" vorgenommen, das 90 Jahre alt ist. Ist das noch reizvoll für Kinder von heute?

Ich glaube schon. Denn die Unterschiede zwischen Arm und Reich, die das Stück thematisiert, die gibt es ja nach wie vor. Und ich finde, die 20er- und 30er-Jahre sind ein guter Resonanzboten für die Zeit, in der wir gerade leben. Weil sich vieles spiegelt, damals ähnlich unruhige Verhältnisse herrschten wie heute, wo auch rechtspopulistische Kräfte an Zulauf gewinnen und Menschen nicht mehr an die etablierten Parteien glauben wollen. Abgesehen davon ist Kästner ein toller Autor für Kinder. Seine Sprache ist fantastisch und die Kinder in seinen Romanen sind Erwachsenen gleichgestellt. Wie er sie mit Fantasie, Freundlichkeit und Ernsthaftigkeit ausstattet, ist toll und hochaktuell.


Wie spricht man denn die Generation Snapchat auf der Bühne an?

Ich denke darüber gar nicht nach. Die Kinder müssen vor allem verstehen, was auf der Bühne gerade passiert. Die dürfen sich nicht langweilen, dürfen aber auch nicht überrannt werden. Das Gute und gleichzeitig das Schwierige beim Kindertheater ist ja: Die Kinder haben eigentlich keinen Grund, leise zu sein. Die sind leise, wenn es sie interessiert und dann hören sie auch zu. Da muss man sich überlegen, dass man ihnen etwas so bietet, dass sie zuhören wollen.


Mit Humor und Slapstick zum Beispiel? Das ist Ihnen auch in Ihren Rollen wichtig.

Ja, ich will, dass die Leute lachen. Slapstick ist wichtig, die Bananenschale ist wichtig. Denn Lachen befreit - gerade wenn es einen nicht selber betrifft. Im Leben passiert so viel Slapstick, aber das sehen wir nicht. Die Bühne wirkt wie ein Brennglas und vergrößert das alles.


An der Parkaue haben Sie früher häufiger inszeniert, aber seit sechs Jahren nicht mehr. Warum sind Sie zurückgekommen?

Weil ich im Prater inszenieren wollte. Denn der ist Teil meiner Biografie: Als Volksbühnen-Ensemblemitglied hab ich hier gespielt und in den 80er-Jahren bin ich hier mit meiner Band aufgetreten.


Und wie ist es, jetzt wieder hier zu arbeiten?

Toll. Ich mag den Ort, ich spüre hier noch die Volksbühne und Bert Neumann und erinnere mich an vieles. Der Ort gehört zu mir.

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