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Column

„Ihr Messies!“ (Kolumne: Ich bin Student, ich darf das.)

Über den Küchenkrieg zwischen Meister Proppers und Messies und den ganz normalen Wahnsinn im Studentenwohnheim.

Ich betrete ich die Küche und würde mal wieder am liebsten sofort wieder umkehren. Nicht unbedingt aus dem Grund, dass sich im Waschbecken schmutzige Teller, Tassen und eingebrannte Töpfe stapeln und sich um den Abfluss, der mit zermatschten Nudeln und schleimigen Salatblättern verstopft ist, eine gelb-grüne Suppe gebildet hat oder dass der Reistopf, aus dem schon weiße Schimmelbäumchen wachsen, immer noch auf dem Herd steht, als würde sich gleich jemand einen Berg davon auf den Teller schaufeln – das ist widerlich, natürlich! Aber was mich wirklich auf dem Absatz kehrt machen lässt ist die eklige Stimmung in der Küche. Alle motzen über den Dreckstall, keiner will’s gewesen sein.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich wohne in einem tollen, familiären Studentenwohnheim, in dem sich alle liebhaben, man auch die, die man noch nie gesehen hat im Aufzug grüßt und kurz smalltalkt – und man schon kurz nach dem Einzug spürt, dass die Mitbewohner hier nicht nur Mitbewohner sind, sondern Menschen, die man mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann mal auf die eigene Hochzeit einladen wird. Aber in der Küche hört für die Meisten die Freundschaft auf. „Welches Schwein war denn das wieder?!“ „..und sowas studiert!“, „Ich wünsche dieser Person chronische Krankheiten und Salmonellen!“ tönt es dann gerne mal in unserer Whatsapp-Gruppe und mein Bilderspeicher wird immer wieder mit Fotos vom vollen Spülbecken und unter dem Wohnzimmertisch vergessenen Tellern vollgespamt. Seit neustem wird von „unseren Messis“ geredet. Da könnte man glatt meinen, die Leute, die das schreiben sind Meister Propper in Person. Und das bezweifele ich.

Die Schuld auf ein bis zwei Leute in der WG zu schieben ist nämlich zu einfach gedacht, wie die Erfahrung schon gezeigt hat: Das letzte Jahr über wurde immer einer in der WG für das Küchen-Chaos verantwortlich gemacht. Und es lief immer gleich: die Person zog irgendwann aus, das Chaos ging weiter und man suchte sich einen neuen Schuldigen. Bis auch der auszog und sich – natürlich – wieder nichts besserte. Es lässt sich eben nicht so einfach in Proppers und Messies unterteilen. Vielleicht sind wir alle Proppessies. Eine Tasse wird im Spülbecken vergessen und der Nächste stellt seine dazu. Der Mülldienst verpennt und weil der Mülleimer überquillt lassen die Anderen ihre Gemüsereste liegen. Kettenreaktionen der Verwüstung.

Was mich wirklich stresst, ist der Druck, der seit einiger Zeit in der WG herrscht. Druck, sich sofort zu rechtfertigen, wenn man gerade am Frühstück sitzt und jemand in die Küche kommt und kritisch die Pfanne beäugt, die man gerade für sein Rührei benutzt hat. Druck, in der Whatsapp-Gruppe auch ab und zu mit zu motzen, nur um zu zeigen, dass man selbst zu den sauberen Bewohnern gehört.

Aber Motzen und Beleidigungen sind keine Lösung, finde ich. Die wirkliche Lösung haben wir noch nicht gefunden. Wobei: Vor kurzem hat jemand ein Bildchen von putzenden Minions an den Küchenschrank gehängt. Die lustigen kleinen Männchen erinnern einen jetzt immer ans Saubermachen nach dem Kochen. Mit klaren Anweisungen, was alles zu putzen ist und ganz ohne Schimpfwörter oder Drohungen. Seitdem sieht es in der Küche besser aus. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.

Aber bei aller Ordnungsliebe: Am schönsten ist es doch immer noch, mit allen Leuten aus dem Stockwerk zu kochen und zu feiern und eine Nacht lang so richtig die Küche zu verwüsten, danach ohne einen Gedanken ins Bett zu fallen und am nächsten Tag mit brummenden Köpfen harmonisch-kollektiv Tabu-Karten vom Boden zu klauben und versiffte Bierpong-Becher zu spülen. Wenn alle dabei waren, gibt’s kein Murren und keine Entschuldigungen und wir sind plötzlich alle Eins. Propessies eben.