Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Die Experten der Universität Hamburg erforschen seine Ursachen und Auswirkungen - und erstellen weltweit gefragte Prognosen und Modelle zur Entwicklung des globalen Klimas. Auch der Hamburger Stadtplanung helfen sie, dem Klimawandel zu begegnen, zum Beispiel mit Analysen zu den Straßen der Stadt.
Wir haben Dr. Sarah Wiesner vom Meteorologischen Institut gefragt: Was ist das Besondere an Hamburgs Klima? Welche Folgen könnte der Klimawandel für Hamburg haben? Und was kann die Stadtplanung tun, um sie abzumildern?
Mit Hamburger Schietwetter meint man meistens wolkigen, grauen Himmel mit Regen und unangenehmem Wind. Solche Wetterphänomene sind typisch für den Teil Deutschlands, der nicht allzu weit von der Küste entfernt ist. Denn Tiefdruckgebiete aus dem Nordatlantik bringen hier kältere Luft und Regenwolken mit. Sie kommen ungefiltert an, kein Gebirge hält sie auf. Und der Wind kann hier eine höhere Geschwindigkeit aufnehmen als zum Beispiel in engen Alpentälern.
Das ist natürlich eine Geschmacksfrage. In Hamburg fällt nämlich von der Menge her nicht mehr Regen als in Süddeutschland. Es regnet häufiger, aber dafür schwächer. Starkregen, die Keller unter Wasser setzen, sind hier deshalb eher selten, und gegen den Hamburger Nieselregen kann man sich etwas anziehen. In der Pfalz zum Beispiel, wo ich herkomme, ist es im Sommer spürbar heißer als in Hamburg. Und im Winter ist es häufiger mal klirrend kalt. Das Hamburger Klima ist dagegen gemäßigter: Hier schwitzt und friert man weniger als im Süden Deutschlands. Das ist doch sehr angenehm.
Woran liegt das?
An Hamburgs Nähe zur Küste und ein bisschen an Alster und Elbe. Nahgelegene, große Wassermengen verhindern nämlich ausgeprägte Schwankungen der Lufttemperatur. Denn Wasser verändert seine eigene Temperatur viel langsamer, als es die Luft tut. Das können Sie daran sehen, dass man selbst an den heißesten Sommertagen den Sprung in den Badesee noch als erfrischende Abkühlung empfindet.
Was ist der Unterschied zwischen Wetter und Klima?Wetter ist das, was wir kurzfristig beobachten. Es kann sich stündlich oder täglich ändern. Von Klima sprechen wir, wenn wir den „Durchschnitt" aller Wetterlagen aus mindestens 30 Jahren meinen: also etwa aus Sonnen- oder Regenstunden, Temperaturen, Windstärken oder Feuchtigkeitsgraden. Das „Hamburger Schietwetter" beschreibt eigentlich ein Klimaphänomen.
Ja. Unsere Messstationen, die wir über die gesamte Stadt verteilt haben, zeigen deutlich: Jeder Stadtteil hat ein eigenes Mikroklima. Das liegt einerseits an den Eigenarten der Natur - sandige Böden haben einen niedrigeren Grundwasserspiegel als moorige, und das wirkt sich auf die Umgebungstemperatur aus. Andererseits liegt es an menschengemachten Unterschieden, und die fallen in Hamburg noch stärker ins Gewicht: Zum Beispiel kann die Nachttemperatur in eng bebauten Gegenden im Sommer bis zu vier Grad höher sein als in Stadtteilen mit vielen Parks und Wasserflächen. Man schläft in Winterhude in Stadtpark-Nähe dann besser als im Schanzenviertel.
Momentan bin ich Mitglied eines Forschungsprojekts, bei dem wir über einen längeren Zeitraum insbesondere Windstärken und Turbulenzen, aber auch Feuchtigkeit und Lufttemperatur an verschiedenen Orten überprüfen. Diese verknüpfen wir mit hochaufgelösten Satellitenbildern des Deutschen Luft- und Raumfahrtinstitutes. Daraus erstellen wir wiederum Hochrechnungen für die ganze Stadt. So entsteht ein Modell des Hamburger Winds, das bis auf die Größe einer Baumkrone heruntergebrochen genau ist.
Was kann man mit solchen Modellen darstellen?Wir können daran zum Beispiel sehen, in welchen Straßen sich Schadstoffe und Feinstaub bevorzugt sammeln und wo die Temperaturen am höchsten sind. Dank einiger Daten, die wir zusammen mit dem Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg erhoben haben und die in das Model miteinfließen, können wir außerdem simulieren, wo sich der Grundwasserspiegel ändert. Diese Informationen bereiten wir auch für die Hamburger Stadtplanung auf - zum Beispiel im „Hamburger Klimabericht", zu dem wir alle zwei Jahre neueste Erkenntnisse beitragen. So hat die Stadtplanung Daten an der Hand, um die Stadt langfristig für den Klimawandel bereit zu machen und seinen Effekten punktgenau zu begegnen.
Seit 1951 sind die Temperaturen in Hamburg um durchschnittlich 1,5 Grad gestiegen. Je nachdem, wie sehr die Staatengemeinschaft ihre Klimaziele einhält, können es noch weitere ein bis fünf Grad werden. Wir werden in Hamburg daher wohl mehr heiße Tage und vor allem mehr tropische Nächte bekommen. Auch wird wohl häufiger Starkregen fallen. Und leichte Sturmfluten könnten an der Elbe zunehmen - wobei wir das noch nicht mit Sicherheit sagen können.
Generell ist es wichtig, viele Grünflächen zu erhalten und neue anzulegen. Damit kann man verhindern, dass der Boden im Sommer zu viel Wärme speichert und die Hitze nachts in den Vierteln bleibt. Wo kein Platz dafür ist, kann man zum Beispiel Flachdächer begrünen oder schräge Dächer mit hellen Ziegeln versehen, denn die nehmen Sonnenwärme ja in geringerem Maße auf. Und wenn man genügend Innenhöfe und Straßen so konzipiert, dass dort ein reibungsloser Luftaustausch stattfindet, senkt das die Temperatur eines Stadtviertels merklich, gerade in Sommernächten. Schon kleine Veränderungen können wirken: Parkplätze kann man etwa mit sogenannten Rasengitter-Steinen pflastern, in deren Löcher man Rasen säht. So kann der Boden Wasser speichern, das dann durch Verdunstung die Umgebung kühlt.
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