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30 Jahre Terminal in Bochum

Bochum. Wenn Kunst den Nerv trifft - Richard Serras Skulptur "Terminal" kam vor 30 Jahren nach Bochum. Es war die weltweit erste Serra-Skulptur, die mitten im öffentlichen Raum aufgestellt wurde. "Terminal" löste von Liebe bis Hass so ziemlich alles aus.

Bevor der amerikanische Bildhauer Richard Serra dieses Jahr 70 wird, wird eine seiner bekanntesten und wichtigsten Skulpturen 30: Das damals heftig umstrittene „Terminal", das Bochum bis heute in zwei widerstreitende ästhetische Lager spaltet, wurde am 20. Mai 1979 aufgestellt, auf einer Verkehrsinsel zwischen dem Bochumer Hauptbahnhof und dem Oblomow, der Lieblingskneipe des Schriftstellers Frank Goosen.


Sieben Stunden dauerte es, bis die vier identischen, zwölf Meter hohen und zusammen 100 Tonnen schweren Platten aus dem an der Oberfläche rostenden Corten-Stahl standen, wie sie sollten. Für die einen kamen sie als Jahrhundert-Werk, als der nötige kunstvolle Sprenkler Metropole in die vermeintliche Provinz, für andere bleiben sie ein beschmiertes Pennerklo auf einer Verkehrsinsel.


Erste Begegnung 1972

Fest steht jedenfalls: Bochum war weltweit die erste Stadt, die eine Serra-Skulptur mitten im öffentlichen Raum aufstellte, nicht (nur) vor ein Museum. Ganz abgesehen vom Gewinn für das kulturelle Image des Ruhrgebiets ist das Terminal heute drei bis vier Millionen Euro wert, also ein Vielfaches der 300 000 Mark, die die Stadt Bochum, kofinanziert vom Land NRW, einst bezahlte; exklusive der 30 000 Mark für den Aufbau.

Ohne den Galeristen Alexander von Berswordt-Wallrabe wäre Richard Serra wohl nie nach Bochum gekommen. Auf der documenta 5 im Jahr 1972 hatten die zwei ihre erste Begegnung, da war von Berswordt-Wallrabe gute vier Jahre im Geschäft. „Ich habe in Kassel Serras Skulptur Circuit gesehen und für mich war klar: Mit dem Typen muss ich mich beschäftigen."


Ein gutes Symbol für das Hin und Her bei der Kontaktaufnahme der mittlerweile langjährigen Freunde ist folgende Begebenheit: von Berswordt-Wallrabe schickt Serra einen Brief in die USA, legt ein jederzeit einlösbares Flugticket nach Europa bei. Serra fliegt auch, aber nach Paris zu einem Treffen mit dem Direktor und den Architekten des Museums Centre Pompidou.


Aus Paris ruft er dann doch in Bochum an, landet schließlich mit von Berswordt-Wallrabe in dessen Galerie „m" (die Susanne Breidenbach 2003 übernommen hat).

Köln, Kassel, Bochum


Es ist Mitte der 70er Jahre. Bald steht die documenta 6 an. Während der wird das bisher nur in Serras Kopf existierende „Terminal" vor dem Fridericianium stehen und Berühmtheit erlangen, geschaffen mit Thyssen-Stahl aus der ehemaligen Henrichshütte in Hattingen. Derweil der Galerist mit den Städten Kassel, Köln und Bochum „die abenteuerlichsten Verhandlungen" über die Zukunft des Terminals nach der documenta führt, sagt Serra in einem Interview mit dem NDR zur Überraschung aller, sein Wunschplatz sei vor dem Hauptbahnhof in Bochum.


Dort steht es seit jenem Mai '79, schon länger geschmückt mit der dadaistischen Stahlmalerei „Wurst, Nils". „Schmierereien gibt es immer wieder", sagt Norbert Lammert, „ärgerlich, aber nicht dramatisch." Heute ist der gebürtige Bochumer Bundestagspräsident. Als es Ende der 70er die hitzigen Debatten und die „ausgeprägte Empörung" um den Ankauf des Terminals gab, war er der einzige Christdemokrat in Bochum, der für den Bildhauer gestimmt hat.


Heute akzeptiert

Kurt Biedenkopf, der damals gegen Johannes Rau für das Amt des NRW-Ministerpräsidenten kandidierte, lässt ausrichten, er finde die Skultpur noch immer nicht besonders schön. Es falle ihm schwer, das Terminal als Kunst zu erleben. 1980 hatte es vor jener Landtagswahl eine regelrechte Kampagne der CDU gegen Serras Werk gegeben. Alexander von Berswordt-Wallrabe hat noch entsprechende Plakate. „Mir wurden damals die Scheiben in der Galerie eingeworfen und die Reifen am Auto aufgeschlitzt", erinnert er sich.

Ein anderes Beispiel für die Aufregung ist ein Auszug aus der Rede, die Reimut Jochimsen, Nordrheinwestfalens damaliger Forschungs- und Wissenschaftsminister, 1980 in der Bochumer Ruhr-Uni hielt: „Wer die Plastik von Serra nicht mag, soll es sagen. Aber wer die Emotionalität schürt, um daraus einen Kulturkampf zu machen, arbeitet denen in die Hände, die heute noch glauben, es sei in der Zeit der entarteten Kunst doch alles nicht so schlimm gewesen."


Heute ist das Terminal von den meisten Bochumern akzeptiert, glaubt von Berswordt-Wallrabe. „Kritiker wird es immer geben, das spricht für das Kunstwerk." Richard Serra, der seine Frau Clara in der Galerie „m" kennenlernte, bevor sie ihm nach New York folgte, kommt kaum noch nach Deutschland, zumal das MoMA und das Guggenheim Museum Bilbao nicht in Bochum stehen.


Mindestens Top Ten

Das Terminal sei für den Künstler aber „emotional immer noch außerordentlich bedeutend" und gehöre zu den „fünf bis zehn wichtigsten Skulpturen in seinem Gesamtwerk", sagt der Galerist und Freund. Serra selbst hat einem FAZ-Journalisten unlängst in Paris einen Satz gesagt, der wunderbar auf seine Bochumer Hinterlassenschaft passt: Wenn sein Werk erst mal stehe, dann müsse es sich schon selbst behaupten, da könne er nicht mehr helfen.


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