Köln. Daniel Koop ist einer von nur zwei Lehrlingen in ganz Deutschland, die die alte Kunst des Bogenmachens lernen. Der 33-Jährige erlernt in einem Kölner Betrieb die Herstellung wertvoller Geigenbögen. Damit bereitet er sich auf einen ebenso exotischen wie gefragten Beruf vor.
Zweimal im Jahr fährt Daniel Koop nach Mittenwald. In der Stadt mit Deutschlands einzigem Wolpertinger-Museum kann er sich dann überzeugen, dass er selbst fast so etwas ist wie ein Fabelwesen: Nur noch eine Koreanerin ist wie er als Bogenmacher-Lehrling an der staatlichen Schule für Geigenbau in Mittenwald eingeschrieben. Insgesamt zwei Betriebe sind es in ganz Deutschland, die junge Menschen in der alten Kunst des Bogenmachens für Streichinstrumente ausbilden.
Etwa 30 Bogenmacher-Betriebe bundesweit
Nach fünf Theoriewochen fährt Koop zurück nach Köln. Dort betritt er einen Altbau, an dessen Fassade ein Messing-Schild verrät, wie sein Ausbildungsbetrieb heißt: Henley's; benannt nach William Henley, einem Genie an und mit der Geige. Seit rund zwei Jahren arbeiten die Geigenbauer und Bogenmacher in Köln zusammen. Sie beraten Profimusiker bei der Wahl der Instrumente, schätzen die Streichinstrumente für Versicherungen, vor allem aber bauen sie Violinen, Bratschen, Celli und die Streichbögen.
Die beiden Handwerke Bogen- und Geigenbauer sind zwar eigenständige Berufe, gehören in der Praxis aber meistens zusammen. Bundesweit arbeiten etwa 30 Bogenmacher-Betriebe, die Zahl der Geigenbauer liegt zwischen 300 und 400. In Mittenwald drücken Koop und die Koreanerin gemeinsam mit den Geigenbauern die Schulbank. Der Umgang mit exotischen Hölzern will gelernt sein.
Bogenmacher sind altmodisch
An der Werkbank hobelt Lehrling Koop Schlangenholz aus Pakistan oder Fernambuk, ein brasilianisches Rotholz, das unter Artenschutz steht. Die Geigenhandwerker dürfen es mit Sondergenehmigung auf Plantagen aufforsten lassen. Nach Holz riecht es immer in der Werkstatt, oft nach dem Flämmchen, über dem Koop die Holzstreifen so erhitzt, dass sie ihre typische Bogenform bekommen. Auch der Geruch von Leim aus Tierknochen, mit dem die Geigenbauer Holzteile zusammenkleben, zieht durch die Räume.
Koop arbeitet auch mit Silber, Gold, Perlmutt, Schildpatt - den klassischen Materialen seines Berufes. Bogenmacher sind altmodisch. Der letzte große Umbruch dieser Zunft war die Weiterentwicklung des Barockbogens durch François X. Tourte Mitte des 18. Jahrhunderts.
"Geigen werden immer gespielt"
Daniel Koop gefällt das Arbeiten in der Tradition der alten Meister: „Hier kann ich meinen Perfektionismus ausleben", sagt er. Handarbeit dauert. „Für einen Barockbogen brauche ich, wenn ich schnell bin, fünf Tage." In seinem früheren Leben arbeitete der 33-Jährige als Kfz-Mechaniker und in einem Stanzbetrieb. Wegen Rückenproblemen schulte er um.
Nun, mit seinem neuen altehrwürdigen Beruf, stimmt auch wieder die Zukunftsperspektive: Ab Sommer ist Koop Bogenbau-Geselle bei Henley's. „Geigen werden immer gespielt", sagt er. Bald geigt Koop sogar selbst: Einmal pro Woche soll er Unterricht bekommen, damit er besser versteht, wie die Geige klingen muss, für die er Bögen baut.
Kunden aus Köln und aller WeltDie Henley's-Kunden sind Profi-Musiker, die eine Hälfte stammt aus Kölns Vorzeigeorchestern, die andere aus aller Welt. Mit Auftritten in der Fußgänger-Zone ist so ein Bogen nicht zu finanzieren. Pferdehaar aus der Mongolei und Edelhölzer haben ihren Preis: Barockbogen ab 1500 Euro, Bogen mit Beschlägen aus Silber ab 2500, aus Gold ab 3500. Ein echter Tourte kostet schnell 200 000 Euro, denn Tourte ist für den Bogen, was Stradivari für die Geige ist.
Die günstigen Instrumente - manchmal mit Koffer und Bogen unter 100 Euro im Discount - kommen fast alle aus China. Aber auch deutsche Geigenbauer exportieren viel: immer mehr nach Asien. Exportanteile oder Umsatzzahlen der Branche haben selbst die Dachverbände nicht. Die aktuellste Handwerkszählung für 1994 (!) weist für die Geigenbauer 67 Millionen und für die Bogenmacher elf Millionen D-Mark Umsatz aus.
Daniel Koop, der Bogenmacher-Lehrling, hat ab Montag wieder Theorie in Mittenwald, zusammen mit der Kollegin aus Korea. Zwei seltene Exemplare eines gar nicht so wenig begehrten Berufs. Jede Woche trudelt bei Henley's eine Bewerbung ein.