Im Bürgerkriegsland Südsudan sehen Kinder Bildung als größte Chance. Die internationale Gemeinschaft ist in der Pflicht. Von Dirk Bathe
Dirk Bathe ist Medienreferent von World Vision Deutschland.
Die Jüngsten haben im jüngsten Staat der Welt, dem Bürgerkriegsland Südsudan, ein besonders schweres Schicksal: Gewalttätigen Milizen und Soldaten ausgeliefert, Hunger und Durst und dann kämpfen viele noch mit der Perspektivlosigkeit. Kinder und Jugendliche - etwa 800 000 von ihnen - sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Dennoch ist den Kindern besonders wichtig, dass sie wieder zur Schule gehen können. Das zeigt ein gemeinsamer Bericht von vier Internationalen Hilfsorganisationen, der jetzt veröffentlicht wurde.
Seit Dezember 2013 bekämpfen sich im Südsudan Rebellen und Regierungstruppen. Leidtragende sind vor allem Zivilisten, zwei Drittel der 12 Millionen Einwohner sind nach Angaben der Vereinten Nationen auf Hilfe angewiesen.
Es gibt viele Gründe für das unsägliche Leid im Südsudan. Korruption, gewissenlose Gier, Gewalt als Bestandteil der Alltagskultur nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg mit der früheren Zentralregierung im Sudan. Die Kinder im Südsudan interessieren die Gründe für ihre Angst, ihre Not und die Furcht vor einer ungewissen Zukunft nicht. Sie wollen Lösungen. Und eine, die wichtigste, heißt: Schulunterricht.
Wenn ich mit meinem Vater, der in den späten Jahren des zweiten Weltkriegs als Kind heranwuchs, über seine Erfahrungen sprach, dann nannte er als wichtigsten Anker in seiner Kindheit: die Schule. Schule, das war im Kriegs- und Nachkriegsdeutschland, ein Hort der Stabilität, ein Versprechen von Normalität. Mein Vater traf seine Freunde, das gemeinsame Lernen verhieß Zukunft.
Ganz ähnliche Gründe nennen auch die Kinder (und ihre Eltern) im Südsudan, warum sie auf die Liste dessen, was ihnen besonders wichtig ist, die Schule ganz oben gesetzt haben. Noch vor der Versorgung mit dem Nötigsten oder der Unterbringung in einer sicheren Unterkunft.
So haben Mitglieder in betroffenen Gemeinden von sich aus provisorische Schulgebäude aufgebaut, um auch in Flüchtlingscamps Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen. Andere sammelten Geld, um einen Lehrer bezahlen zu können.
Ein 15-jähriger Junge nannte bei der Befragung auch einen für die Kinder besonders bedeutsamen Grund, warum sie Schulunterricht für sehr wichtig halten: „In der Schule sind wir geschützt. Dort greift uns kein Soldat an und verschleppt uns." Doch Schulen werden in Kämpfen zerstört, der Weg dorthin ist nicht sicher und die Ausgabe von Wasser und Essen, die Arbeit der Lehrer, müssen finanziert werden.
World Vision und weitere Hilfsorganisationen fordern deshalb, dass alle am Krieg beteiligten Parteien den Schutz von Schulen und Schulwegen garantieren. Die Regierung solle dafür sorgen, dass zerstörte Schulgebäude umgehend wieder aufgebaut werden. Zudem muss die Internationale Gemeinschaft dafür Sorge tragen, dass Schulprojekte ausreichend finanziert werden.
Verhandlungen - das scheint das einzige wirksame Mittel zu sein, damit die Kämpfe endlich aufhören. Bis zum 17. August sollen Rebellen und die südsudanesische Regierung ein Friedensabkommen in Addis Abeba unterzeichnen - und anschließend umsetzen. Dabei ist eine gemeinsame Regierung geplant. Ein Funken Hoffnung für die Schulkinder im Südsudan - mehr nicht.