Es gibt drei Dinge, für die Sachsen berühmt ist: Schwibbögen, derbe Witze und brennende Flüchtlingsheime. (Es gibt natürlich noch viel mehr, den Kaffeefilter zum Beispiel oder Mundwasser von Odol, aber weil die Welt immer komplizierter wird, halten wir es zur Abwechslung einmal einfach.) Darum also, um Schwibbögen, derbe Witze und brennende Flüchtlingsheime, soll es in diesem Text gehen und um die Frage: Wie geht es einem Bundesland, von dem die Republik regelmäßig annimmt, hier lebten die schlechteren Menschen? Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, in der zerbrechlichsten Zeit eines Jahres, in dem wieder ein paar sächsische Orte (Clausnitz und Bautzen stießen zu Dresden, Heidenau und Freital) Chiffren geworden sind für Hass und Menschenverachtung?
Fangen wir in Bautzen an und mit einem derben Witz. Es ist später Nachmittag am vergangenen Montag, im Landratsamt kommt der Kreistag zusammen, es sollen Integrationsleitlinien beschlossen werden. Es spricht: Lars Eibisch, der Leiter des Ausländeramtes, und zwar darüber, dass man miteinander reden und einander zuhören müsse. Zur Auflockerung wirft er per Beamer eine Art Karikatur an die Wand. Sie zeigt Spitze und oberes Drittel dreier großer Sonnenschirme, zusammengeklappt und schwarz, die man auf den ersten Blick für Burkaträgerinnen halten soll. Darüber der Satz: „Eine halbe Stunde habe ich mit den Damen gesprochen, um etwas mehr über ihre Kultur zu erfahren, bis mir die Bedienung sagte, dass dies Schirme sind."
Ist das jetzt dieser Alltagsrassismus? Ein Beispiel dafür, dass und warum nach einer Ende November veröffentlichten Studie 58 Prozent der Sachsen Deutschland „in einem gefährlichen Maß überfremdet" sehen? Oder ist das nur ein Zeichen für sächsischen Pragmatismus, etwa: Jetzt habt euch halt nicht so, wir kümmern uns schon um unsere Nazis und unsere Flüchtlinge, aber wir wollen jetzt mal nicht staatstragend werden dabei?
Lähmende Gewöhnung statt übertriebener HysterieEs bleibt kaum Zeit, darüber nachzudenken. Denn schon tags darauf, gegen 23 Uhr, filmt eine Überwachungskamera des ehemaligen Bautzner Spreehotels, inzwischen eine Flüchtlingsunterkunft, drei Gestalten. Sie fummeln und zündeln an Flaschen herum und werfen vier davon schließlich über den Bauzaun in Richtung Gebäude. Einer der Molotow-Cocktails brennt ab, ein weiterer erlischt schnell, zwei Flaschen bleiben unbeschadet liegen. Verletzt wird niemand, die Polizei sucht nach den Tätern.
Was es nicht gibt: einen Aufschrei. Regionale Medien berichten in ihren Kurznachrichten, ansonsten bleibt es still, auch in der Politik. Das war anders, als in der Stadt im Februar der als Flüchtlingsheim geplante „Husarenhof" brannte. Und das war anders, als im September allnächtlicher Stress zwischen Nazis und Asylbewerbern in einer Jagd auf die Flüchtlinge eskalierte.
Inzwischen hat anstelle einer vielleicht übertriebenen Hysterie eine lähmende Gewöhnung eingesetzt, die man spürt, egal, mit wem man in Sachsen zum Ende dieses Jahres spricht: Alles ist ein müdes Seufzen. In Clausnitz zum Beispiel, wo im Februar ein Bus mit Flüchtlingen von einer grölenden Menge umringt wurde. Im März werden sich drei der Beteiligten dafür vor Gericht verantworten müssen. „Was wir zur Weihnachtszeit brauchen, ist auch mediale Ruhe", schreibt Michael Funke, Bürgermeister der Gemeinde, in einer E-Mail. Durch die Berichterstattung der letzten Monate sei in Clausnitz „viel passiert". Man solle bitte nicht vorbeikommen.
Zeit für eine Offenlegung: Ich bin schon diverse Male in Clausnitz vorbeigekommen, denn ich bin in Sachsen geboren und aufgewachsen. Genauer: in Karl-Marx-Stadt, das heute Chemnitz heißt und das es chiffrenmäßig zwar noch nicht in die Liga von Clausnitz oder Bautzen geschafft hat, aber über das die Musiker von „Kraftklub" singen: eine „Stadt die voll mit Nazis ist, Rentnern und Hools".
Mich geht das hier also an, aber eigentlich trifft das auf uns alle zu: Während die Sachsen die einzige Volksgruppe sind, über die man sich noch ungestraft lustig machen darf, brennen auch anderswo Flüchtlingsheime und werden Politiker angegriffen, die sie bauen wollen. In Sachsen kommt das überproportional häufig vor. Aber vielleicht ist das gerade ein Grund, mal zuzuhören, was sie hier so zu sagen haben?
Alexander Ahrens, Bürgermeister von Bautzen, will reden und hat es oft getan in diesem Jahr. Er saß bei „Anne Will", Regionalzeitungen aus weit entfernten Städten haben ihn porträtiert, er hat Journalist nach Journalist an dem Konferenztisch in seinem Büro empfangen. Er hat gesagt, und das ist schon eine Erwähnung wert, weil das sehr viele Jahre lang nicht gesagt worden ist: „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus." Bei ihm hört sich das Seufzen anders an, aber ein Seufzen ist es doch. „Ich kann nicht alle erreichen", sagt er. „Und ich erwarte nicht, dass die, die ich nicht erreichen kann, irgendwann in einen Reflexionsprozess eintreten, der mit der Frage endet: Was kann eigentlich ich für meine Gesellschaft tun?"
Bautzen ist bestes Anschauungsmaterial für die sächsische Schizophrenie. Der Ort prosperiert. Von Januar an wird er schuldenfrei sein. Der Ausländeranteil liegt bei vier Prozent. Jeden Tag fahren 13.000 Menschen zum Arbeiten in die Stadt, die selbst nur 40.0000 Einwohner hat. Unternehmen suchen nach Mitarbeitern und finden keine. Im dritten Quartal kamen hier mehr Menschen zur Welt, als gestorben sind - eine Bilanz, die in den meisten Teilen Deutschlands seit Jahren nicht mehr geschafft worden ist. „Wenn jemand Aufschwung Ost sehen will, muss er nach Bautzen kommen", sagt der Bürgermeister, ganz in einem Stolz, der zum Freistaat Sachsen gehört wie Maggie-Gewürz in deutsche Nudelsuppen: Keiner weiß mehr so genau, wann und warum das angefangen hat. Sicher ist nur, dass es eben zusammengehört.
„Und trotzdem", sagt Bürgermeister Ahrens, „haben wir hier ein hohes Maß an Nörgelei und Unzufriedenheit, das ich mir persönlich nicht erklären kann."
Was diese Schizophrenie in der Praxis bedeutet, kann gleich draußen vor dem Rathaus und vor sanierter Altstadtkulisse überprüft werden. Es dauert wirklich nur drei Minuten, und es wäre ein ziemlicher Zufall, wenn es ein Einzelfall wäre. Klar, die Stadt sei toll, sagt die junge Frau mit bunt gefärbten Haaren, das Kind an der Hand habe einen Kita-Platz, beide Eltern Arbeit. „Was mich stört, ist aber das ganze Gelumpe, was jetzt hier reinkommt", sagt sie, ohne zu zögern oder kurz über die Worte nachzudenken, und meint damit die Flüchtlinge. Warum stört sie das? „Weil's so is."
Bleibt die Frage, die sich Sachsen schon länger stellt, stellen muss, die aber spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten (einem Mann, der ganz selbstverständlich übelsten Rassismus auskübelt) auch den Rest der Republik interessiert: Was antworten? Wie kommen wir denn da alle wieder zusammen? Wie schaffen wir es, von einer in die andere Echokammer zu funken? Und: Können wir von Sachsen, wo das schon seit Jahren geübt wird, wo vieles schiefgeht, manches aber doch funktioniert, nicht vielleicht sogar etwas lernen?
An dem Septembertag, nachdem in Bautzen 80 Deutsche mit 20 Asylbewerbern am Kornmarkt aneinandergerieten, nachdem Flüchtlinge durch die Stadt getrieben worden waren, hat Ahrens, der Bürgermeister der Stadt, sich auf „die Platte" gestellt, wie der Kornmarkt bei den Einheimischen heißt, und geredet. Nicht mit den Betrunkenen, aber mit den bloß Wütenden, und als sich alle ausgeschrien hatten, so sagt Ahrens das, da habe man sich interessiert über das Asylrecht unterhalten.
Und? „In sehr konservativen Kreisen hat man auf einmal wahrgenommen, dass ich für einen tatsächlichen Austausch zur Verfügung stehe", sagt Ahrens. Gerade ist es ruhiger am Kornmarkt. Das liegt vielleicht, ohne Witz, an Weihnachten: Seit der Wenzelsmarkt, wie das örtliche Glühwein-und-Bratwurst-Buden-Event heißt, die normalen Leute allabendlich in die Innenstadt zieht, gehört der Platz nicht mehr allein den Betrunkenen und Wütenden.
Es ist trotzdem zu beobachten, warum „die Platte" wie gemalt ist für regelmäßige Eskalation. Durch das Einkaufszentrum direkt am Kornmarkt streifen schon tagsüber Gruppen jugendlicher Nazis und jugendlicher Asylbewerber, wie Tiger, beide offenbar ohne Ziel und angetrieben von adoleszentem Testosteron-Überschuss. 40 bis 50 aktive Nazis habe man in Bautzen, sagt der Bürgermeister, und drei, vier Asylbewerber, „die sich partout nicht benehmen können". Das sei aber in erster Linie nicht eine Frage der Herkunft, sondern eine Frage des Alters.
Michael und Philipp sind 21 Jahre alt und sitzen Ende November vor dem Bautzner Amtsgericht. Für beide ist es nicht das erste Mal, aber dieses Mal schaut die Öffentlichkeit hin: Die beiden gehören zu den „Asyl-Pöblern", wie die „Bild"-Zeitung das nennt, die im Februar zusammen mit ein paar Dutzend anderer Leute den Brand des ehemaligen Hotels „Husarenhof" beklatscht haben sollen.
Michael und Philipp feierten gerade einen Geburtstag, als sie per Whatsapp von dem Brand erfuhren. Der „Husarenhof" ist ein ehemaliges Hotel, das Anfang des Jahres als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. Wer das Haus in dieser Nacht angezündet hat, ist bis heute nicht klar. Dass es brennt, wollten Michael und Philipp mit eigenen Augen sehen. Als sie sich davon überzeugt hatten, legten sie sich mit der Polizei an. Ein Feuerwehrmann sagt dazu: „Einer ist einer Polizistin von hinten auf den Rücken gesprungen. Den habe ich ihr vom Kreuz genommen."
Michael sitzt mit feinem Grinsen und feinem Scheitel auf der Anklagebank. Die Liste der Dinge, die ihn hierher geführt haben, ist lang: Diebstahl, Sachbeschädigung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, gefährliche Körperverletzung. Einmal soll er sich zu einer Schlägerei auf der „Platte" verabredet haben, einmal einen Kontrahenten fast totgeschlagen haben.
Er gibt vieles zu, auch die Sache am „Husarenhof", beruft sich aber ansonsten auf alkoholbedingte Erinnerungslücken. Sein Anwalt sagt zu der beinah tödlichen Schlägerei: „Mensch, du hast doch gewusst, dass der jünger ist als du", und dass das „ohne den Teufel Alkohol" nicht passiert wäre.
Michael macht weder den Eindruck, als würde das stimmen noch, als interessiere ihn das alles sonderlich. Er muss am Ende für drei Jahre ins Gefängnis, die Sache am „Husarenhof" gilt als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und fällt am wenigsten ins Gewicht. Auch Philipp, ebenfalls mehrfach vorbestraft, muss in Jugendhaft, ein halbes Jahr kürzer.
Harte Probleme mit harten Strafen loswerdenBürgermeister Ahrens, der Jurist ist, findet, dass man einen harten Teil des Problems genau so loswird: mit harten Strafen. Ansonsten setzt er weiter auf Reden. Nach dem Gespräch auf dem Kornmarkt im September hat er sich noch einmal zum Bürgergespräch mit Rechten getroffen. Das war so wenig erwartet worden wie die Tatsache, dass Ahrens, West-Berliner und weitgereist (O-Ton: „ein linker Vogel wie ich"), überhaupt Bürgermeister wird in einer der strukturkonservativsten Regionen dieses Landes (noch so eine Schizophrenie). „Reden funktioniert wirklich gut", sagt Ahrens. Aber das Reden hat ihm auch viel Kritik eingebracht. Als der Landrat vom Kreis Bautzen sich in dieser Woche ebenfalls mit einem NPD-Mann getroffen hat, haben das auch Bundespolitiker kritisiert.
Mit allen reden - geht das und ist es das? Und falls nein: Was ist dann die Alternative?
Dresden im Dezember. Die Stadt ist noch ein bisschen goldener als sonst in diesen Tagen. Ein begehbarer Schwibbogen, Ikone erzgebirgischer Handwerkskunst, markiert den Eingang zum Striezelmarkt. Straßenzug um Straßenzug blitzt im Lichterketten-Glanz. Auch die Schlossstraße, die vom Altmarkt zur Elbe führt und auf der an diesem Montagabend eine Familie aus Baden-Württemberg flaniert. Links das Schloss, rechts Geschäfte, „und was ist da vorne?", fragt die Frau ihren Mann.
Vorne wird der goldene Glanz von einem Torbogen verschluckt, dahinter liegt der Schlossplatz im Dunkeln. Wie jeden Montag haben sich dort rund zweitausend Menschen versammelt. „Volksverräter, Volksverräter", schallt es, und die Touristin sagt: „Pegida? Die gibt's noch?"
Ja, die gibt es noch, zum Ärger der meisten Dresdner, und man muss sich das schon trauen: Nicht vor dem Torbogen umkehren wie die Familie und sich einen Umweg suchen zur Semperoper und zum Zwinger, sondern sich dazustellen und zuhören. Jedenfalls für alle, die nicht in der Pegida-Echokammer leben, sondern in einer der anderen.
Es ist kurz vor halb sieben an diesem Montag nach dem ersten Advent. Auf der Lastwagen-Bühne werkelt Pegida-Gründer Lutz Bachmann noch. Eine Frau schenkt ihrer aus dem Erzgebirge angereisten Demo-Gruppe Glühwein aus der Thermoskanne ein. Drei Männer, alle jenseits der 60, stehen beieinander und diskutieren das Tagesgeschehen.
Dialog mit der anderen SeiteWas sie heute wütend macht: dass der Bundesgerichtshof das Urteil wegen Beihilfe zum Mord gegen den ehemaligen Auschwitz-Wachmann Oskar Gröning bestätigt hat. Dass in Bautzen die Männer vom „Husarenhof"-Brand verurteilt worden sind. „Der Unrechtsstaat hat heute wieder in seiner ganzen Härte zugeschlagen", sagt der Wortführer. Was die drei Senioren andererseits lustig finden: dass jemand in der Nacht eine mit einem Davidstern und Hakenkreuz versehene Puppe am Geländer einer Fußgängerbrücke in Mittelsachsen aufgehängt hat.
Kann man mit solchen Männern reden? Darüber, wogegen man sein darf, ohne ein Rassist zu sein, zum Beispiel? Und darüber, wo die Grenze ist? Dresden hat es aufrichtig versucht. Die Stadt hat zu Bürgerversammlungen eingeladen, unter anderem in die Kreuzkirche. Da sollte mal über all das geredet werden, was die Leute von Pegida so beschäftigt, also ernsthaft über die Fragen, ob alle Medien Lügenpresse sind, alle Politiker Volksverräter und die Islamisierung des Abendlandes droht. Regelmäßig kamen 800 Leute - und zehn von Pegida, die am Schreien interessiert waren und nicht am Dialog.
Seitdem ist eines klar: Bei Pegida funktioniert Reden nicht. Das sieht auch der Weihnachtsmann so. Steffen Urban, Dresdner und Schauspieler, ist der Mann hinter dem Kostüm, und wenn nicht gerade Striezelmarkt ist, verkleidet er sich als August der Starke, absolutistischer Dresden-Erbauer, und führt Touristen durch die Altstadt.
„2015 war mein schlechtestes Jahr", sagt er, 2016 nur ein bisschen besser. Es kamen weniger Leute, und die, die kamen, denen musste er, verkleidet als der Kurfürst von Sachsen, erklären, warum die Dresdner so fremdenfeindlich sind, obgleich es bei ihnen wenig Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Urban macht dann immer, ganz in seiner Rolle und an die Pegidisten gerichtet, einen derben Witz: „Wer ruft, ,Wir sind das Volk', der wird es auch immer bleiben." Soll heißen: Ihr werdet klein und unbedeutend bleiben, wie das Volk es für August den Starken war.
In der Straßenbahn stehen zwei, die es mit mehr Ernsthaftigkeit versuchen: Hans-Josef Helf und Bert Siegel. Sie gehören zu den Organisatoren der „X-Mas-Tram". In einer präparierten Straßenbahn (Schneespray an den Fenstern, Tannengrün an den Haltestangen) fahren vor allem ausländische Studenten durch die weihnachtliche Stadt. Zweck der Aktion: sie mit Dresdnern zusammenzubringen, gemeinsam Rodeln zu gehen, Gans zu essen oder Tannenbäume zu schlagen. „Damit an Weihnachten niemand alleine ist", sagt Siegel. „Dresden macht so viel falsch, ich will zu denen gehören, die das Richtige tun", ergänzt Ko-Organisator Helf.
Und während die Bahn mit dem Segen der sächsischen Integrationsministerin losrollt („Andere Kulturen sollen erfahren, wie wir in Deutschland Weihnachten feiern, das ist so ein schönes Fest"), vorbei am Striezelmarkt, „dem ältesten beurkundeten Weihnachtsmarkt", an Semperoper und Zwinger entlang, seufzt Ibrahim über die Frage, ob es ihm hier gefällt. Ibrahim ist 29 Jahre alt, er ist Somalier, und als er Ärger mit islamistischen Milizen bekam, ist er erst nach Ägypten geflohen und dann über das Mittelmeer mit einem Schlauchboot nach Europa gekommen. Jetzt studiert er in Dresden Wasserwirtschaft („Damit kann ich zu Hause etwas anfangen").
„Es ist eine sehr schöne Stadt", sagt Ibrahim vorsichtig über Dresden, da rollt die „X-Mas-Tram" gerade über die Elbe. Aber es sei besser, sagt Ibrahim, spät am Abend nur zu zweit rauszugehen und den Wochentag bloß nicht zu vergessen - für den Fall, dass wieder einmal Montag ist.
Einmal ist Ibrahim das passiert: Er war Montagabend in der Innenstadt. An der Straßenbahnhaltestelle sprach ihn da ein Mann an, ob er denn keine Angst habe. Ibrahim hat das nicht sofort verstanden, aber dann hörte er schon die Schlachtrufe der Pegidisten. Der Mann an der Straßenbahnhaltestelle bot an, ihn nach Hause zu bringen. „Sie haben mich trotzdem beschimpft, als sie an uns vorbeigezogen sind. Aber zum Glück verstehe ich auf Deutsch nicht alles", sagt Ibrahim.
Diese Geschichten sind schon tausendfach erzählt worden, aber man fühlt sich doch jedes Mal wieder wie frisch verhauen, wenn man sie hört. Und manchmal, das ist auch in Sachsen so, hilft tatsächlich nur Seufzen und An-was-anderes-Denken. Am ersten Advent steht Angelika Behnke in einer voll besetzten Frauenkirche und hält ihre erste Predigt. Sie ist die neue Pfarrerin der berühmtesten Kirche der Stadt. „Es gibt etwas, das hat noch in jeder Stadt funktioniert", empfiehlt sie ihrer Gemeinde. „Stellen Sie sich einfach mal auf den Neumarkt, und schauen Sie in den Himmel. Etliche werden es Ihnen nachmachen. Die Leute lieben Botschaften von oben."
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