Jax sitzt in der Falle. Hinter ihm liegt ein Abgrund, vor ihm richtet sich der dinoähnliche Wüstenteufel auf und greift an. Jax springt, steigt dank seines Jetpacks mehrere Meter in die Höhe und erschießt das Biest mit seinem Lasergewehr. Bis auf ein paar Zähne und Knochen trägt es nichts bei sich. Jax düst mit seinem Jetpack davon, auf der Suche nach Beute und neuen Aufträgen.
Die Spielszene stammt aus Elex 2, das Fantasy- und Science-Fiction-Elemente miteinander vermischt. In dem Rollenspiel, das Anfang März für PC, Playstation und Xbox erschienen ist, erkunden Spielerinnen und Spieler als Jax den Planeten Magalan und müssen eine Alieninvasion abwenden. Auf Magalan leben verschiedene Fraktionen, es gibt Klimazonen wie Eiswüsten und Vulkanlandschaften.
Entstanden ist Elex 2 dagegen im Ruhrgebiet, in einem beigefarbenen Mehrfamilienhaus in Essen. Die Storywriter, Programmierer und Gamedesigner verteilen sich auf die einzelnen Zimmer des Mehrfamilienhauses. Eine Dokumentation des Computerspielemagazins GameStar zeigt, dass es vor Ort eher wie in einer Wohngemeinschaft aussieht als in großen Spielestudios mit Empfangsschalter. Kühlschränke und Staubsauger stehen neben den Schreibtischen. Seit 2003 hat das Unternehmen Piranha Bytes hier seinen Sitz. Es ist eines der ältesten Gamestudios des Landes.
Seit mittlerweile 21 Jahren bringen die Entwicklerinnen und Entwickler zuverlässig etwa alle vier Jahre ein neues Rollenspiel heraus. Darin können Spielerinnen und Spieler eine frei begehbare Spielwelt erkunden, eine sogenannte Open World, und viele Spielstunden verbringen. Solche Spiele gelten als die Königsklasse. Sie sind aufwendig in der Produktion und opulent im Ergebnis. Spielerinnen und Spieler erkunden in Red Dead Redemption 2 den verschwenderisch detaillierten Wilden Westen, jagen in Horizon Forbidden West Maschinen oder streifen durch düstere Fantasywelten in Elden Ring. Für diese Spiele beschäftigen Studios riesige Teams mit zum Teil mehr als 1.000 Menschen. Bei Piranha Bytes arbeiten 30 Leute.
"Open-World-Spiele zu entwickeln, wie wir es tun, ist der reinste Masochismus, man hat ständig irgendwelche Baustellen", sagt Björn Pankratz. Er arbeitet seit 1999 bei Piranha Bytes und gehört, wie er selbst sagt, zu den "alten Säcken". Er kümmert sich gleich um mehrere Bereiche bei der Entwicklung. Als Creative Director behält er die kreative Vision des Spiels im Blick, außerdem arbeitet er als Gamedesigner. In dieser Rolle entwickelt er grundlegende Spielideen, etwa die Spielwelt und deren schrullige Bewohner. Er ist die Schnittstelle zwischen der Vision und der Umsetzung durch Programmierer und Grafiker. Pankratz hat außerdem die komplette Musik für Elex 2 komponiert. Allein dafür beschäftigen andere Studios ganz Teams. Wie schafft Piranha Bytes es, konkurrenzfähige Spiele mit einem so kleinen Team zu entwickeln?
Ein ganz eigener ReizEin Teil der Antwort auf diese Frage ist wohl: Die Spiele sind nicht in allen Belangen konkurrenzfähig. Bei der Inszenierung und den Details zeigt sich, worauf Piranha Bytes verzichten muss, um große Projekte zu stemmen. Selbst das sieben Jahre alte Rollenspiel The Witcher 3 sieht optisch deutlich besser aus als Elex 2 und ist in den Zwischensequenzen wie ein Spielfilm inszeniert. In Elex 2 wirken die Gesichter der Figuren puppenhaft und leblos. Einen Onlinemodus, um gemeinsam mit anderen Magalan zu erkunden, gibt es nicht. Auch das Kampfsystem ist im Vergleich zur Konkurrenz schwerfällig und ungenau.
Und doch entwickelt Elex 2 seinen ganz eigenen Reiz. Spielerinnen und Spieler müssen Aufgaben erfüllen für die unterschiedlichen Fraktionen im Spiel. Die Berserker verzichten auf Technik, wohnen in Holzhütten und nutzen mittelalterliche Schwerter, die Albs schießen mit Lasergewehren. Durch neue Fähigkeiten wird die Spielfigur immer stärker und kann es mit mächtigeren Gegnern aufnehmen. Die Motivationsspirale funktioniert und fesselt Spielerinnen und Spieler viele Stunden trotz der veralteten Technik.
Die jahrelange Erfahrung, das eingespielte Team und moderne Werkzeuge ermöglichen es, dass Piranha Bytes Open-World-Spiele überhaupt entwickeln kann. Seit 2003 nutzen die Macher die gleiche Entwicklungsumgebung ("Engine"). Diese Eigenentwicklung beinhaltet Werkzeuge und ist für die Spielmechaniken verantwortlich, also etwa Animationen, das Kampfsystem und das rasche Laden der Spielwelt in den Speicher. Seit Jahren steht das Studio in der Kritik, dass die Spiele grafisch und bei der Kampfsteuerung veraltet seien und ein Wechsel auf eine andere Engine überfällig sei.