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Springkraut verliert seinen Schrecken

Das Indische Springkraut hat sich insbesondere entlang von Bachläufen ausgebreitet. Naturschützer beginnen sich nun mit der Pflanze zu arrangieren.

(Foto: Peter Bauersachs)

Anzahl der Neophyten im Landkreis bleibt stabil und stellt kein akutes Problem mehr dar. Abwehrmaßnahmen beschränken sich auf einzelne Bereiche. Langsam integrieren sich die Neuankömmlinge in das Ökosystem

Das Landratsamt Erding räumt invasiven Pflanzenarten (Neophyten) wie dem Indischen Springkraut und der Kanadischen Goldrute eine nachrangige Position ein. Im Vergleich zu den Vorjahren hätten sich die Pflanzen nicht weiter ausgebreitet. Einzelne Gemeinden konnten die Pflanzen durch gezielte Mähaktionen zurückdrängen. Aber auch ohne Eingriffe des Menschen verringerten sich einzelne Bestände. Erste Tierarten haben sich an die Neophyten gewöhnt und eine neue Nahrungsquelle gefunden.

"In den vergangenen Jahren ist das Verbreitungsareal der invasiven Neophyten relativ stabil geblieben", sagt Anton Euringer, Sachgebietsleiter des Naturschutzes im Landratsamt Erding. Konzentrierte Abwehrmaßnahmen an Brennpunkten wie Biotopen und Flussläufen würden einzelne Gemeinden bereits durchführen. Euringer betont, dass die Vegetation Mitteleuropas einem "ständigen Wandel unterworfen" sei und neue, zugewanderte Arten "Teil des stetigen Wandels sind".

In der Gemeinde Forstern entfernen seit zehn Jahren zahlreiche Helfer das Indische Springkraut am Ufer des Hirschbaches. Mittlerweile stellt der Neophyt dort kein akutes Problem mehr dar: "Damals war es richtig schlimm, das gesamte Ufer war von der Pflanze überwuchert und nahm heimischen Gewächsen das Licht", sagt Ludwig Hiebinger, Vorsitzender des Vereins Gartenbau und Heimatpflege in Forstern. Vor allem empfindliche, konkurrenzschwache Arten wie der Bachnelkenwurz oder die Sumpfdotterblume wären vom schnell wachsenden Indischen Springkraut bedroht gewesen. In Absprache mit dem Erdinger Landratsamt organisierte der Verein dann einen alljährlichen Entsorgungseinsatz. Damals seien bis zu zwanzig Leute den halben Tag beschäftigt gewesen, heute schaffe eine sechsköpfige Truppe innerhalb von drei Stunden den gesamten Bachlauf in Forstern, sagt Hiebinger.

Gelöst ist das Ausbreitungsproblem damit aber nicht. In der Blütezeit ab Juli schleudert das Indische Springkraut seine Samen mehrere Meter weit. Deren Keimfähigkeit bleibt über mehrere Jahre erhalten, die Mäharbeiten können sich schnell zu einem Fass ohne Boden entwickeln. Hiebinger ist sich bewusst, dass die Gemeinde die eingewanderte Pflanze wohl nicht mehr los wird, mit der Beseitigung "ist das Problem aber in den Griff zu bekommen".

Wolfram Honsberg, zweiter Vorsitzender des Bund Naturschutzes Dorfen, sieht die Neophyten mittlerweile als heimisch an: "Letztlich breiten sich die Pflanzen hier seit den 1930er Jahren aus und finden sich in den Kreislauf der Natur ein. Das müssen wir akzeptieren, ob wir wollen oder nicht." Im Gfällach-Naturschutzgebiet entfernt der Bund Naturschutz aber trotzdem seit mehr als dreißig Jahren das Indische Springkraut und die Kanadische Goldrute, um den individuellen Naturraum als "Experimentierfeld" noch möglichst lange zu erhalten. Von Menschenhand sei die Ausbreitung dauerhaft aber nicht zu steuern.

In den vergangenen Jahren hat der Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl beobachten können, dass sich heimische Tierarten langsam an die Neuankömmlinge gewöhnen, die er ungern als Problem bezeichnet. Seit mehr als 25 Jahren fotografiert er im Isental bei Oberdorfen. Als Spätblüher von Juli bis Oktober würde das Indische Springkraut heimischen Insekten wie Wildbienen und Hummeln mit seinem zuckerhaltigen Nektar eine wichtige Nahrungsquelle bieten, denn heimische Spätblüher seien durch die Landwirtschaft vom Mensch bereits verdrängt worden, sagt Hartl. "Erste Knabberspuren von Tieren zeigen, dass sich die heimische Fauna an die Pflanzen gewöhnt." Der Naturfotograf stellt weiterhin den Sinn von allumfassenden Entfernungsmaßnahmen infrage: "Vor 25 Jahren waren Teilstücke der Isen ein regelrechter Springkraut-Dschungel, der alle anderen Pflanzen überwucherte." Heute sei der Bestand des Neophyten stark zurückgegangen, und heimische Pflanzen wie die Große Brennnessel würden wieder wachsen. Reinen Aktionismus gegen eine Pflanze, die nicht ins Landschaftsbild passt, hält er für übertrieben. "Wir sollten abwarten, die Natur reguliert sich selbst."

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