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Die Leidtragenden der Air-Berlin-Pleite | NZZ

Der Lufthansa-Konzern bietet gestrandeten Air-Berlin-Kunden Ermässigungen von 50 Prozent für Rückflüge an - allerdings mit Einschränkungen. Ehemalige Air Berlin-Piloten werden bei der Lufthansa-Tochtergesellschaft Eurowings voraussichtlich bis zu 40 Prozent weniger verdienen.


Mit vergünstigten Rückflugtickets möchte der Lufthansa-Konzern gestrandete Fluggäste der insolventen Airline Air Berlin nach Hause holen. "Das ist eine besondere Situation, da wollen wir helfen", sagte Thorsten Dirks, Chef von Eurowings, am Freitag. Wenn sie für die Heimreise ein Ersatz-Ticket bei Eurowings buchten, bekämen sie 50 Prozent des neuen Flugpreises erstattet. Dieses Angebot gilt auch für die Konzernmutter Lufthansa sowie die Töchter Austrian und die Schweizer Airline Swiss, sagte Lufthansa-Vorstandsmitglied Harry Hohmeister der "Berliner Morgenpost".


Ganz barmherzig gibt Lufthansa die Tickets zu Sonderkonditionen aber nicht her: Die Kunden müssen noch vor dem Insolvenzantrag am 15. August einen Hin- und Rückflug bei Air Berlin gebucht haben - und zwar ins Ausland. Der Rückflug, den Air Berlin nun storniert, muss zwischen dem 28. Oktober und 15. November liegen. Flüge innerhalb von Deutschland sind davon ausgeschlossen.


Lufthansa hätte "alle Air-Berlin-Tickets übernehmen" sollen

Die Aktion geht nicht so weit, wie der deutsche Bundesjustizminister Heiko Maas vor einigen Tagen gefordert hatte. Er wollte, dass die Lufthansa die Air-Berlin-Tickets auf den von ihr übernommenen Strecken akzeptiert. Rund 200 000 Tickets verlieren wegen der Air-Berlin-Insolvenz ihre Gültigkeit. Wie viele Fluggäste deshalb nicht mehr aus den Ferien heimkommen oder ihre Geschäftsreise mit Zusatzkosten umbuchen müssen, ist unklar.

Einige Passagiere waren in der Nacht auf Freitag bereits in Island gestrandet, weil der Flug von Air Berlin blockiert wurde. Angeblich soll die Airline die Flughafengebühren nicht bezahlt haben.


Die Lufthansa geht mit der Ticket-Aktion den Mittelweg. Verpflichtet wäre sie zu nichts, auch wenn sie die Hauptkäuferin der zweitgrössten Fluggesellschaft von Deutschland wird. Air Berlin ist insolvent und stellt den Flugbetrieb in sieben Tagen ein. Alle Flugtickets sind dann nicht mehr gültig. Wer eines vor Bekanntgabe der Pleite gekauft hat, kriegt sein Geld zurück, alle anderen nicht. Auch die gesammelten Flugmeilen der Air Berlin-Vielflieger verfallen voraussichtlich.


Lufthansa hat neue Kunden

Das Angebot der Lufthansa ist nicht uneigennützig. Die Fluggesellschaft wird den Grossteil der Flugzeuge und Strecken des maroden Konkurrenten übernehmen und setzt darauf, all die Kunden, die vorher mit Air Berlin geflogen sind, als neue Kunden des Lufthansa-Konzerns zu gewinnen. Das bringt Geld in die Kasse und schafft Spielraum für höhere Flugpreise, auch wenn Lufthansa dies abstreitet.


Eurowings-Chef Thorsten Dirks sagte, die Billig-Airline mache nun für diejenigen ein Rabatt-Angebot, die etwa mit Familie auf einer griechischen Insel strandeten. Dass das günstigere Ticket-Angebot nicht für Rückflüge auf deutschen Strecken gelte, begründete Dirks mit fehlenden Kapazitäten. Es könne nicht im Sinne des Verbraucherschutzes sein, wenn sie eigene Kunden dafür stehenlassen müssten, sagte er.


Air Berlin-Piloten verdienen bei Eurowings bis zu 40 Prozent weniger

Doch nicht nur die Kunden von Air Berlin haben zurzeit das Nachsehen. Auch die Piloten von Air Berlin werden bei einem Wechsel zur Lufthansa-Tochter Eurowings laut der Tageszeitung "Die Welt" mit Lohneinbussen von bis zu 40 Prozent rechnen müssen. Ein vertraulicher Tarifvertragsentwurf der Eurowings-Geschäftsleitung vom 17. Oktober liegt der Zeitung vor. Eurowings soll in Deutschland die niedrigsten Pilotenlöhne zahlen.

Die Piloten-Gewerkschaften in Deutschland streiten bereits seit Jahren über die Löhne. Lufthansa verwies jedes Mal auf den Konkurrenzkampf mit den Billig-Airlines. Die hohen Gehälter der Lufthansa-Muttergesellschaft waren für den Konzern auch ein Grund, die Billig-Airline Eurowings aufzubauen.


Vor diesem Hintergrund empören sich nun die Gewerkschaften und Piloten über die Gehaltsgarantien von Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann in Millionenhöhe.

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