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Feature

Im Sonnenlabor

Seit jeher huldigen die Menschen der Sonne und versuchen, ihre Rätsel zu lösen. Auf einem Berg auf Teneriffa kommen sie ihr näher als irgendwo sonst in Europa.
Die Höhle des Dämons schmort an diesem Morgen im August unter einer sandgelben Glocke. Der Saharawind Calima hat den Wüstenstaub über den Atlantik nach Teneriffa geweht, wo er den Teide seit fast einem Monat umfängt. Laut einer Legende war der höchste Berg Spaniens früher selbst ein Gefängnis: Ein Dämon namens Guayota soll darin den Sonnengott der Guanchen eingesperrt haben. In der Finsternis bekamen die Ureinwohner der Insel es mit der Angst zu tun und baten ihren obersten Gott um Hilfe. Der verjagte den Dämon, dann verschloss er den Teide mit einem Pfropfen aus Bimsstein. Die Sonne konnte wieder aufgehen.
Wolfgang Schmidt ist zu sehr Naturwissenschaftler, um derlei Legenden Bedeutung beizumessen. »Zumal von den Guanchen keine schriftliche Überlieferung existiert«, analysiert er, »dafür haben die spanischen Eroberer schon gesorgt.« Und dennoch, die Geschichte habe ihre Berechtigung: Seit jeher beschäftige die Sonne die Menschen mehr als jeder andere Stern am Himmel. Nur scheine sie nicht immer, wenn man es gerne hätte.
Auch einen Berg weiter gelten diese Gesetze. In 2.400 Metern Höhe kommen auf dem Izaña Wissenschaftler aus aller Welt zusammen, um die Sonne und andere Himmels- körper zu beobachten. Normalerweise hat man an kaum einem Ort in Europa einen besseren Blick auf sie. Auch Wolfgang Schmidt und drei Kollegen vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik sind deshalb aus Freiburg angereist. Mit »Gregor«, einem von zwei Teleskopen, die das KIS auf dem Gelände des »Observatorio del Teide« betreibt, wollen sie der Sonne so nahe kommen wie möglich. Doch jetzt nimmt ihnen der Staub die Sicht auf ihr Forschungsobjekt. Außerdem streikt die Technik. »Sonnenforschung ist etwas für geduldige Menschen«, sagt Schmidt. »Und man darf sich nicht grämen, wenn die Geduld nicht belohnt wird.«
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