Als Jasna Fritzi Bauer in einem Café in Berlin-Mitte erscheint, trägt sie eine dunkle Sonnenbrille und ein T-Shirt, auf dem Popstar Miley Cyrus aufgekratzt ein Eis mit bunten Streuseln schleckt. Die 25-jährige Schauspielerin wirkt müde. Am Vortag hat sie mit Jürgen Vogel zehn Stunden für eine Krimiserie im ZDF gedreht und ist anschließend vor Erschöpfung auf einer Feier der Ernst-Busch-Schauspielschule eingeschlafen. Die Zeit für Pausen war in den letzten Jahren rar. Seit ihrer Schulzeit steht Bauer auf der Bühne. Für ein Interview mit dem ARTE Magazin hat sie sich trotzdem Zeit genommen. Darin spricht sie über über ihre Rolle in Wolfgang Dinslages Kinodebüt „Für Elise", das Erwachsenwerden sowie die Endlichkeit von Kino und die Unendlichkeit von Theater.
ARTE: Frau Bauer, in „Für Elise" spielen Sie eine 15-Jährige, die sich nach dem Tod ihres Vaters um ihre alkoholkranke Mutter kümmern muss. Werden Teenager heutzutage schneller erwachsen?
JASNA F. BAUER: Jugendliche geben sich zumindest heute erwachsener. Dass sie reifer sind als wir damals, glaube ich nicht. Meine Mutter hat mich beispielsweise zu großer Selbstständigkeit erzogen. Als ich 14 war, hat sie sich geweigert, die Wäscheberge zu waschen, die ich aus dem Theater angeschleppt habe. Wenn meine Mitbewohner später an der WG-Maschine verzweifelt sind, musste ich lachen.
ARTE: Sie spielen oft Teenager. Stört es Sie, zurzeit auf diese Rolle festgelegt zu werden?
JASNA F. BAUER: Es ist eher ein Vorteil, so jung zu wirken. Ich kann ein Spektrum von zehn Jahren spielen. Im Alltag hat es mich aber lange genervt, ständig den Ausweis hervorkramen zu müssen, wenn ich Zigaretten oder Wein kaufen wollte.
ARTE: Sie kamen bereits als Schülerin ans Theater. Mussten auch Sie früh erwachsen werden?
JASNA F. BAUER: Ich hatte nie das Gefühl, schneller erwachsen werden zu müssen als andere, aber es ist wohl zwangsläufig passiert. Ich habe mit erwachsenen Kollegen gearbeitet, meine Freunde waren meist Jahre älter als ich. Trotzdem war klar, dass ich das Küken bin, um das sich die anderen kümmern. Theater ist immer auch Familie.
ARTE: Nach dem Abschluss an der renommierten Ernst-Busch-Schule gingen Sie direkt ans Wiener Burgtheater. Wie war es, so schnell Erfolg zu haben?
JASNA F. BAUER: Es ist komisch, wenn Leute das sagen. Ich nehme den Erfolg ehrlich gesagt überhaupt nicht wahr und habe auch nicht alles daran gesetzt. Man muss so viel Glück haben in diesem Beruf. Die Dinge sind einfach passiert: eine Kettenreaktion, der ich tolle Rollen verdanke.
ARTE: Sie haben unter großen Regisseuren gespielt.
JASNA F. BAUER: Zu sehen, wie Christian Petzold, Michael Thalheimer und Frank Castorf arbeiten, ist faszinierend. Sie wissen genau, was sie wollen und haben zugleich großes Vertrauen in ihre Schauspieler. Bei Castorf entwickelt man das Stück während der Probe. Er spricht den Text durch ein Mikrofon vor, die Schauspieler sprechen nach. Er sagt: „Geh jetzt mal ein Stück nach rechts", aber später darf man es auch anders machen. Seine Vorschläge spannen ein dichtes Netz, das dich in jeder Aufführung auffängt, ohne einzuengen. Bei ihm bist du frei auf der Bühne.
ARTE: Wie füllen Sie diesen Freiraum, mit Spielwut?
JASNA F. BAUER: Ich liebe es, zu spielen, aber genau so hasse ich es manchmal. Es macht einen fertig, jeden Abend vor 1.000 Leuten blankziehen zu müssen. Nicht nur körperlich, ich verspüre auch Angst: Vor Premieren fürchte ich, den Text zu vergessen, auch wenn ich weiß, dass es Souffleure gibt. Gleichzeitig verbessert die Angst mein Spiel. Sie hilft mir, fokussiert zu bleiben.
ARTE: Was unterscheidet Film und Theater?
JASNA F. BAUER: Film ist endlich, Theater nicht.
ARTE: Das müssen Sie erklären.
JASNA F. BAUER: Am Theater durchlebt man ein Stück jeden Abend in derselben Chronologie. Trotzdem ist es immer anders und deshalb unendlich. Beim Film hängt man 14 Stunden am Set herum, kämpft mit Müdigkeit und Langeweile, um dann urplötzlich alles in die drei Takes zu legen, die man hat. Danach hat man keine Macht mehr über das Material. Es entsteht ein endliches Produkt.
ARTE: Könnten Sie ohne Theater oder Film leben?
JASNA F. BAUER: Nein. Wenn ich sechs Wochen gedreht habe, fiebere ich dem Moment entgegen, wieder in Wien auf der Bühne zu stehen. Wenn ich ein halbes Jahr nur dort bin, freue ich mich auf die Kamera. Früher habe ich auch in Musicals gespielt. Der Gesang fehlt mir sehr. Ich würde gerne mehr Musik machen, nicht professionell, nur für mich.
ARTE: Hatten Sie jemals einen anderen Berufswunsch als Schauspielerei?
JASNA F. BAUER: In der zehnten Klasse wollte ich Schneiderin werden, etwas mit den Händen schaffen. Doch ich habe die Idee verworfen, weil ich keine Lust mehr auf Berufsschule hatte. Der Gedanke, irgendwann nicht mehr Schauspielerin sein zu wollen, macht mir keine Angst. Mit 35 kann man auch noch studieren.
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