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Die S-Bahn in Wien: Ein Guide

Die S-Bahn in Wien ist weder U-Bahn noch Bim. Trotzdem verbindet sie die halbe Stadt. Wozu sie da ist und wohin sie führt, darum geht es hier.

Jeder, der in Wien wohnt, hat sie schon einmal gesehen - die blau-weißen Züge der S-Bahn zusammen mit dem unverkennbaren „S" am Bahnhof. Gefahren ist damit auch schon fast jeder. Trotzdem ist die S-Bahn (früher Schnellbahn) in Wien ein ganz eigenes Kapitel. Sie gehört weder zu den Wiener Linien, noch wirkt sie wie eine ausgewachsene Zugverbindung. Nein, sie liegt irgendwo dazwischen - zwischen klein und groß, zwischen Nah- und Mittelstrecke.

Zugstrecken sind im Waldviertel ja leider Mangelware. Es gibt weder eine S-Bahn noch irgendeine andere Bahn außer den Regionalexpress zwischen Tschechien und Wien. Entsprechend riesig wirkt daher das Angebot an Verkehrsmitteln, wenn man aus dem Waldviertel nach Wien zieht. Angesichts der Weitläufigkeit Wiens ist das kein Wunder. Zu Fuß würde man von einem Ende der Stadt bis ans andere etwa fünf Stunden benötigen. Ein Glück, dass es die Wiener Linien gibt - und auch die ÖBB. Im Gegensatz zu U-Bahn, Bim und Bus wird die Wiener S-Bahn nämlich von den ÖBB betrieben und ist eine echte Zugverbindung. Deshalb kommt man damit auch deutlich weiter als mit der U-Bahn.

Strecken: Nach NÖ und wieder zurück

Grundsätzlich gibt es in Wien zehn S-Bahn-Linien, die mehrere Bahnhöfe innerhalb der Stadt verbinden und darüber hinaus ins Umland in Niederösterreich und im Burgenland führen. Die S-Bahn ergänzt sozusagen die U-Bahn auf weite Strecken. Innerhalb Wiens ist das Kernstück der S-Bahn die sogenannte „Stammstrecke".

„Stammstrecke" von Floridsdorf bis Meidling

Die Stammstrecke bezeichnet jenes Teilstück der S-Bahn, das im Jahr 1962 als erstes eröffnet wurde. Sie verbindet den Bahnhof Floridsdorf im Nordosten Wiens mit dem Praterstern und dem Bahnhof Meidling im Südwesten. „Stammstrecke" heißt dieser Streckenabschnitt deshalb, weil fast alle der zehn S-Bahn-Linien zumindest einen Teil dieses Streckenabschnitts benutzen. Dadurch ist die Verkehrsdichte sehr hoch und die Wartezeiten sind sehr kurz. Wer zwischen Floridsdorf und Meidling mit der S-Bahn fährt, wartet meist nur zwischen drei und fünf Minuten. Seit Ende 2019 gibt es auf der Stammstrecke außerdem fast durchgehenden Nachtverkehr.

Die Stammstrecke ist auch deshalb so besonders, weil sie auf ihren rund 13 Kilometern nahezu alle wichtigen Umstiegspunkte zu Nah- und Fernverkehr in Wien tangiert. Zudem - Fun-Fact - ist sie die meistbefahrene Zugstrecke Österreichs. Auf der S-Bahn-Stammstrecke fahren täglich rund 640 Züge mit circa 270.000 Fahrgästen.

Die jeweiligen S-Bahn-Verbindungen an sich reichen deutlich über die Stammstrecke hinaus, bis in die Vororte Wiens. Sie verbinden den Norden mit dem Süden, den Osten mit dem Westen und auch sonst alle Himmelsrichtung. Daher hier unser Versuch, die S-Bahn-Linien jeweils kurz und knapp zusammenzufassen:

S1 (Nordbahn): Von Gänserndorf nach Wien Meidling über (unter anderem) die Stationen Leopoldau und Floridsdorf. Intervall: 30 Minuten. S2 (Laaer Ostbahn): Von Mödling bis nach Laa an der Thaya und Mistelbach über Floridsdorf. Intervall: 15 Minuten, weiter draußen etwas länger. S3 und S4 (Westbahn): Von Wiener Neustadt über Wien Meidling bis nach Hollabrunn bzw. Tullnerfeld. Intervall: 60 Minuten. S7 (Flughafenverbindung): Von Floridsdorf über Wien Schwechat nach Wolfsthal. Intervall: 30-60 Minuten. S40 (Franz-Josefs-Bahn): Vom Franz-Josefs-Bahnhof nach St. Pölten über Tullnerfeld. Intervall 30-60 Minuten. S45 (Vorortlinie): Vom Handelskai nach Hütteldorf über Döbling und Gersthof. Intervall: 10-15 Minuten. S50 (Westbahn): Vom Westbahnhof nach Neulengbach bzw. Unter Purkersdorf. Intervall: 30-60 Minuten. S60 (Ostbahn): Von Wien Meidling und Wien Hauptbahnhof nach Bruck an der Leitha. Intervall: 30-60 Minuten. S60 (Pottendorfer Linie): Von Wiener Neustadt nach Wien Hauptbahnhof. Intervall: 30-60 Minuten. S80 (Marchegger Ostbahn): Von Hütteldorf über Wien Hauptbahnhof nach Aspern Nord. Intervall: 30-60 Minuten.

Leider können wir hier nicht alle Stationen aufzählen. Generell ist es kompliziert, eine Bahnstrecke mit Worten zu erklären. Daher hier eine grafische Übersicht über das S-Bahn-Netz innerhalb Wiens. Die Karte ist zwar von 2018, aber insgesamt immer noch topaktuell. Für das aktuellste Streckennetz verweisen wir an dieser Stelle auf die ÖBB.

Tickets und Kosten der S-Bahn in Wien

Die gute Nachricht für alle, die ein Jahres- oder Semesterticket der Wiener Linien besitzen: Damit kann man innerhalb Wiens auch alle S-Bahn-Linien nutzen. Die Wiener Linien und ÖBB sind nämlich Teil des gleichen Verkehrsverbundes (VOR) und die Tickets der Wiener Linien gelten für sämtliche Strecken in der Kernzone Wien (bis zu den Stadtgrenzen).

Wer die S-Bahn ohne Dauerticket nutzen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Für Reisen innerhalb Wiens reicht ein Einzelticket der Wiener Linien um 2,40 €. Wer über die Grenzen der Stadt hinaus möchte, braucht wiederum ein Zugticket und zahlt den normalen ÖBB-Tarif. Sprich: Je weiter man fährt, desto mehr zahlt man. Über 10 € werden es bei der S-Bahn jedoch selten, außer man fährt bis zur Endstation.

Vorreiter der U-Bahn

Geschichtlich ist die S-Bahn so etwas wie der Vorreiter der Wiener U-Bahn. Nachdem bereits 1955 erste Pläne für eine Wiener Schnellbahn eingereicht wurden, verkehrte 1962 der erste Zug auf der Stammstrecke im Wiener Stadtgebiet - noch vor der ersten U-Bahn. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte kamen immer mehr Stationen hinzu, bis das S-Bahn-Netz seine heutige Form annahm. Viele Bahnhöfe wurden erneuert, die Station Handelskai wurde etwa als Verbindung zur U6 errichtet und aus dem Südbahnhof wurde der Hauptbahnhof. Wie alle Bahnstrecken unterliegt die S-Bahn regelmäßigen Fahrplanwechseln.

Da jede S-Bahn-Linie quasi ihre eigene Geschichte hat, wollen wir hier gar nicht näher darauf eingehen. Wer daran interessiert ist, findet auf dem Geschichts-Wiki der Stadt Wien eine tolle Zusammenfassung , die den Rahmen dieses Artikels definitiv sprengen würde.

Spannend ist, dass die Bezeichnung „S-Bahn" lange unüblich war. Von der Streckeneröffnung im Jahr 1962 bis 2005 war die Bahn fast ausschließlich unter dem Namen „Schnellbahn" bekannt. Die heute bekannte Bezeichnung „S-Bahn" wurde erst mit einem Fahrplanwechsel zwischen 2005 und 2006 eingeführt. Seitdem wird sie aber in sämtlichen Fahrplänen und Lautsprecherdurchsagen verwendet. So wurde aus der „Schnellbahn" die „S-Bahn".

Schnell, schneller, S-Bahn?

So richtig verständlich wird die Wiener S-Bahn wohl erst, wenn man sie regelmäßig benutzt. Wer ohnehin nur die U-Bahn verwendet, der bekommt vom Wiener S-Bahn-Netz wenig mit. Doch in den Vorort-Gebieten Wiens, wo die U-Bahn-Stationen und Straßenbahnen rarer werden, ist die S-Bahn nicht wegzudenken. Außerdem ist sie in vielen Fällen schneller als die U-Bahn oder Bim. Wer vom Praterstern nach Meidling möchte, muss mit der U-Bahn zwei Mal umsteigen, mit der S-Bahn aber kein einziges Mal. Somit deckt die S-Bahn eine ganz eigene Strecke ab.

Das Schöne daran ist: Wer die S-Bahn nutzt, merkt, wie groß und weitläufig Wien eigentlich ist. Dass ein einziger Zug, der in einem Takt von drei bis vier Minuten die zentralen Bahnhöfe der Stadt verbindet, zu Stoßzeiten absolut voll ist - und das zusätzlich zur U-Bahn -, zeigt, welche Ecken Wien hat. Sicher ist Wien nicht Paris, London oder New York, aber in Österreich kommt Wien der großen, weiten Welt wohl am nächsten.

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