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Ungarngenehm!

Auf den ersten Blick ist Ungarn der klare Außen­seiter in der ​„Todes­gruppe F“. Und doch könnten die Magyaren das Züng­lein an der Waage in der deut­schen Gruppe sein, weil sich kein Team einen Punkt­ver­lust gegen sie erlauben darf. Auf geht’s zum Geg­ner­check.



Die Schlüs­sel­spieler

Die wich­tigsten Spieler in Ungarns Kader sollten den meisten bereits aus der Bun­des­liga bekannt sein. Mit den Leip­zi­gern Willi Orban und Péter Gulásci ist beson­ders die Hin­ter­mann­schaft der Magyaren stark besetzt. Die beiden Defen­siv­leute haben in den ver­gan­genen Jahren inter­na­tio­nale Erfah­rung in der Cham­pions League gesam­melt und waren unter Trainer Julian Nagels­mann Leis­tungs­träger. Der lang­zeit­ver­letzte und dritte Leip­ziger im Bund, Dominik Szo­boszlai, fehlt den Ungarn aller­dings als Krea­tiv­zen­trum in der Offen­sive. Die Ver­let­zung des 20-jäh­rigen tut Ungarn beson­ders weh. Gerade die vor­dere Reihe, unter anderem besetzt mit dem Mainzer Ádám Szalai und dem Frei­burger Roland Sallai, gilt als Schwach­stelle des unga­ri­schen Teams. Das Bun­des­liga-Quar­tett alleine dürfte nicht rei­chen, um es mit den indi­vi­duell stärker besetzten Teams aus Frank­reich, Por­tugal und Deutsch­land auf­zu­nehmen. Eine Her­aus­for­de­rung wird die unga­ri­sche Elf ver­mut­lich für alle inter­na­tio­nalen Kommentaror*innen. Neben den bereits erwähnten Szalai und Sallai steht wahr­schein­lich auch noch Innen­ver­tei­diger Attila Szalai in der ersten Elf der Ungarn, um die Ver­wir­rung kom­plett zu machen.


Die Form

Dass Ungarns Stärken beson­ders im Ver­hin­dern von Toren liegen, ist in den letzten Test­spielen vor der EM noch einmal deut­lich geworden. Gegen Zypern (1:0) und Irland (0:0) konnte das Team von Trainer Marco Rossi jeweils defensiv solide agieren und eine weiße Weste bewahren, in der Offen­sive über­zeugten die Ungarn aller­dings nicht. Um wirk­lich zu begeis­tern, fehlte ihnen in den letzten Spielen häufig die indi­vi­du­elle Klasse im Spiel nach vorne. Ein kleines Aus­ru­fe­zei­chen konnten die Magyaren zuletzt in der Nations League setzen: In einer Gruppe mit Russ­land, Ser­bien und der Türkei setzte sich die Mann­schaft als Grup­pen­sieger durch. Auch in der lau­fenden WM-Qua­li­fi­ka­tion spielt Ungarn nach drei Spiel­tagen und sieben Punkten oben mit. Rein sta­tis­tisch gesehen läuft es bei den Magyaren der­zeit sehr gut: Seit elf Spielen ist das Team von Marco Rossi unge­schlagen, eine solche Serie gab es zuletzt vor 20 Jahren. Trotz der vielen posi­tiven Ergeb­nisse in den ver­gan­genen Monaten bleibt der Mangel an Krea­ti­vität und offen­siver Durch­schlags­kraft das zen­trale Pro­blem der unga­ri­schen Mann­schaft.


Der Trainer

Marco Rossi steht seit 2018 an der Sei­ten­linie der unga­ri­schen Natio­nal­mann­schaft. Der 56-jäh­rige Ita­liener und ehe­ma­lige Defen­siv­ak­teur steht in der ​„Todes­gruppe F“ vor einer Mam­mut­auf­gabe. Als indi­vi­duell schwächstes Team geht seine Mann­schaft als kom­pletter Außen­seiter in alle drei Grup­pen­spiele.

Wie will Rossi trotz der Unter­le­gen­heit seiner Mann­schaft ein Aus­scheiden in der Grup­pen­phase ver­hin­dern? Sein Haupt­au­gen­merk wird der Ita­liener ver­mut­lich auf eine sta­bile Defen­sive legen und den Fokus vor allem auf das Ver­hin­dern von Toren richten. In den letzten Par­tien vor der EM agierte Rossis Elf abwar­tend in einer 5−3−2 For­ma­tion und ver­suchte, die Gegner mit einem schnellen, ver­ti­kalen Spiel in die Offen­sive zu über­ra­schen. Durch diese Her­an­ge­hens­weise könnte Rossis Ungarn trotz der indi­vi­du­ellen Unter­le­gen­heit ein unan­ge­nehmer Gegner für die anderen drei Teams werden. Vor seinem Amts­an­tritt als Natio­nal­trainer hat Marco Rossi ver­schie­dene Clubs in Ungarn, der Slo­wakei und Ita­lien trai­niert. Der Ita­liener könnte man­chen auch aus seiner aktiven Spie­ler­kar­riere ein Begriff sein: In der Saison 1996/97 absol­vierte Rossi 15 Par­tien in der Hin­ter­mann­schaft von Ein­tracht Frank­furt in der 2. Bun­des­liga.


Der EM-Song

Häufig sind Lieder für anste­hende Fuß­ball­tur­niere Pop­songs und klingen so wie die letzten 20 Som­mer­hits von Pietro Lom­bardi und Kay One. Nicht so der unga­ri­sche Song. ​„Min­denki szurkol“ von den Inter­preten Nagy Szilárd und Ragány Misa kommt eher rockig daher und heißt laut Über­setzer so viel wie ​„Alle jubeln“. Das Lied klingt unty­pisch für einen EM-Hit, erin­nert unter anderem an den Natio­nal­helden Ferenc Puskás und soll die unga­ri­schen Fuß­ball­fans auf die schwere Gruppe F vor­be­reiten.

 

Das Trikot

Wir hoffen sehr, dass die Spiele der Ungarn etwas auf­re­gender werden als das Design ihrer Tri­kots. Mit den kom­plett in rot gefärbten Heim- und den kom­plett weißen Aus­wärts­tri­kots von Adidas machen die Ungarn wenig falsch, mehr aber auch nicht. Als wäre dem Desi­gner fünf Minuten vor Fei­er­abend noch ein­ge­fallen: ​„Oh, ich muss ja noch die Ungarn-Tri­kots fertig machen heute.“ Die leichten Grün­ak­zente an den Ärmeln des Aus­wärts­dresses sind ganz nett anzu­schauen, vom Hocker haut uns das Trikot aller­dings nicht. Das Heim­trikot, laut Adidas ​„inspi­riert von der Donau“, wirkt ähn­lich lang­weilig wie die letzte Donau­schiff­fahrt einer Kegel­gruppe aus Passau. Gerade mit Blick auf die krea­tiven Designs anderer EM-Teams erhoffen wir uns für die kom­menden Tur­niere etwas mehr Mut in der Gestal­tung der Tri­kots.


Das Fazit

Machen wir uns nichts vor: Auf­grund ihrer indi­vi­du­ellen Unter­le­gen­heit gehen die Ungarn als klarer Außen­seiter in die Gruppe F. Der ver­let­zungs­be­dingte Aus­fall von Offen­siv­spieler Dominik Szo­boszlai ver­grö­ßert die Pro­bleme der Magyaren zusätz­lich. Den­noch wollen wir Ungarn nicht kom­plett abschreiben: Die Stärke des Teams liegt klar in der Tor­ver­hin­de­rung. Weil auch Grup­pen­dritte eine Chance aufs Wei­ter­kommen haben, könnte das mit etwas Glück sogar zum Wei­ter­kommen rei­chen. Vor hei­mi­scher Kulisse in Buda­pest und voller Aus­las­tung der Sta­di­on­ka­pa­zität könnten die Par­tien gegen Ungarn für Frank­reich und Por­tugal sehr unan­ge­nehm werden. Zünd­stoff könnte es auch geben: Als die iri­schen Spieler beim letzten Test­spiel in Buda­pest auf die Knie gingen, um ein Zei­chen gegen Ras­sismus zu setzen, wurden sie von den unga­ri­schen Zuschauer*innen aus­ge­pfiffen.



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