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Ex-1. FC Köln-Spieler: Georg Stollenwerk, ein legendärer Querkopf

06.03.2015 - Das Leben meinte es gut mit Georg Stollenwerk, schon in der Jugend. Er überlebte den Zweiten Weltkrieg und war mit einem großem fußballerischen Talent gesegnet. Anfang der 1950er Jahre - der Leistungsträger der SG Düren 99 war bereits Nationalspieler - bekundeten Klubs wie Bayern München und der 1. FC Kaiserslautern Interesse am „Schorsch". Ab 1953 spielte er jedoch für den 1.FC Köln.

Der Wechsel sagt viel über Stollenwerk aus, einem Menschen mit zwei Gesichtern. Als Fußballer war „die Position egal, Schorsch konnte überall spielen", lobt sein ehemaliger Mitspieler Hans Schäfer. Und Mannschaftskamerad Karl-Heinz Thielen ergänzt: „Er hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt und geholfen, wo er konnte." Tatsächlich spielte Stollenwerk in seinen 13 Jahren beim FC auf jeder Position - in einem Pokalspiel im Dezember 1958 sogar kurzzeitig im Tor.

Diese Flexibilität gab es jedoch nur auf dem Platz. Abseits davon hielt Stollenwerk prinzipientreu und wertkonservativ fest an dem, was er hatte. Er liebte die Natur und wollte Düren deshalb nicht verlassen. Ein Wechsel nach Kaiserslautern, den sich Nationaltrainer Sepp Herberger offenbar gewünscht hätte, platze dadurch, aber auch Stollenwerks Traum von der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz. Er wurde nicht in den WM-Kader berufen. „Berechtigte Hoffnungen hat er sich gemacht. Aber Herberger hätte niemals einen Spieler gestrichen, nur um ihn für einen Wechsel abzustrafen", ist Hans Schäfer überzeugt. Trotzdem lief Stollenwerk drei Jahre nicht für die Nationalelf auf.

Die „Stollenwerk-Elf"

Stollenwerks Karriere tat das keinen Abbruch. Bereits in seiner ersten FC-Saison 1953/54 erzielte der damalige Flügelstürmer 13 Tore in 29 Spielen, erreichte das Pokalfinale und wurde Westdeutscher Meister. Zahlreiche Titel folgten. Der WM-Traum erfüllte sich 1958 mit dem vierten Platz in Schweden. Beim anschließenden Empfang in Düren wurde seine zweite Frau Renate erstmals auf ihren zukünftigen Mann aufmerksam. Fest liiert waren beide erst mehr als 35 Jahre später. Der Fußballer Stollenwerk spielte zu dieser Zeit als Verteidiger und blieb mit seiner Schnelligkeit, Technik und Übersicht noch lange eine Institution in der FC-Defensive.

Das änderte sich 1961. Privat lief es zwar gut, Stollenwerk heiratete die Gymnasiallehrerin Elvi und blieb elf Jahre mit ihr vermählt - sportlich jedoch nicht. Der damalige Kölner Trainer Zlatko „Tschik" Čajkovski und Stollenwerk passten nicht zusammen. Čajkovski war Individualist und Freund des Laissez-Faire, der Dürener ein Disziplin-Fanatiker und Mannschaftsspieler. Er lief fortan kaum noch für den FC auf. Ab 1963 fokussierte sich Stollenwerk auf seine Trainer-Karriere, unter anderem bei der FC-Lizenspielerreserve, besser bekannt als die „Stollenwerk-Elf".

Das schadete dem Ansehen Stollenwerks im Verein nicht. Der frühere Gymnasialschüler gehörte auf diversen Auswärtsfahrten zu einer vierköpfigen Kartenrunde im Mannschaftsbus. Sie bestand aus dem jeweiligen Trainer, dem Masseur, Stollenwerk selbst und dem Präsident Franz Kremer. „Der Präsident spielt Karten, mit einem Spieler! Das war absolut unüblich und zeigt die Achtung, die man Schorsch entgegenbrachte", erinnern sich Thielen und Schäfer.

Verhältnis zum FC bröckelt

Nach seiner Karriere als Trainer besuchte Stollenwerk kaum noch Spiele, Weihnachtsfeiern oder Karnevalssitzungen der Kölner, obwohl Einladungen zuhauf vorlagen. Doch das FC-Ehrenmitglied schlug alle aus. Warum?

Ein Grund für die Abkehr dürfte mit dem zweiten Engagement in Köln zusammenhängen. Dort war Thielen inzwischen Manager und Čajkovski wieder Trainer. Der Jugoslawe ließ den Spielern weiterhin viele Freiheiten. Die Disziplin in der Mannschaft ließ nach. Čajkowski war der Sache nicht mehr gewachsen und verließ im Einvernehmen mit Thielen den FC im Dezember 1975. Der neue Trainer musste den Fokus auf Disziplin legen - klar, dass die Wahl eines Interimstrainers auf Stollenwerk fiel. Der Wechsel glückte, die Kölner belegten zum Ende der Saison 1975/76 den vierten Platz.

Dennoch wurde Stollenwerk im selben Sommer gegen Hennes Weisweiler ausgetauscht. „Das fiel mir schwer, brachte aber Erfolg", so Thielen. Weisweiler gewann mit den Kölnern eine Deutsche Meisterschaft und zwei DFB-Pokalsiege. „Schorsch gegenüber war das nicht die feine Art. Ich glaube, daran hatte er zu schlucken." Das Verhältnis zu ihm und dem FC sei danach nie wieder so gewesen, wie es vorher war.

„Wenn ihm mal jemand blöd kam, bewusst oder unbewusst, dann hat er das Demjenigen kaum verziehen", bestätigt seine Frau. Ein Beispiel dafür ist die erste Ehefrau des Düreners, mit der er nach der Scheidung kaum noch ein Wort wechselte. Das andere Beispiel ist der 1.FC Köln. Beim FC offenbarte sich nach 1976 seine ganze Zerrissenheit. Auch wenn er nie Kritik am Verein, Spieler oder Trainer geübt hatte, tat Stollenwerk nach außen so, als wolle er vom Klub nichts mehr wissen. Andererseits schlich er samstags erst in Birkesdorf und später in seiner Dürener Wohnung heimlich ins Schlafzimmer, um dort die Spiele der Kölner anzuschauen. Der FC war noch immer eine Herzensangelegenheit: Stollenwerk fieberte leidenschaftlich mit, stand aber öffentlich nicht dazu.

Gute Manieren und Korrektheit

Die Menschen auf der Straße sahen in ihm nach wie vor den FC-Star und Nationalspieler. „Er wurde ständig erkannt, ob beim Spazieren in Düren oder im Urlaub in Südtirol", sagt Renate Stollenwerk-Lang. Ihrem Mann sei das fast ein bisschen peinlich gewesen. Dabei habe er sich immer über die Anerkennung gefreut. „Das hat er stillschweigend genossen. Er war halt ein Gentleman."

Dieser Ausdruck charakterisiert das langjährige CDU-Mitglied treffend. Dazu passt auch sein großes Kulturinteresse: Das Abonnement in der Kölner Oper genauso wie sein Talent am Klavier. Auf gute Manieren und Korrektheit kam es an, manchmal war er sogar überkorrekt. Zum Beispiel, wenn Liebesszenen mit nackter Haut im Fernsehen kamen. „Das war ihm peinlich, dann hat er immer völlig aus der Luft gegriffene Gespräche angefangen", schmunzelt Stollenwerk-Lang.

Nach seinem 80. Geburtstag, der noch mit mehr als 100 Gästen in den Räumen der SG Düren 99 gefeiert wurde, zog sich Stollenwerk aus dem Beruf zurück. Tennisspielen konnte er aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls nicht mehr, das Leben in einem Mehrfamilienhaus war ungewohnt. Deshalb entschied sich Stollenwerk-Lang, ihrem Mann einen Vierbeiner an die Seite zu stellen: den Dackel Clooney. Der Name des Hundes rührt daher, dass der junge Georg Stollenwerk dem Hollywood- Schauspieler George Clooney ähnelte. „Den Dackel hat er heiß und innig geliebt", erzählt die Rheinländerin. Von den Manieren, die ihr Mann bei anderen eingefordert hat, war bei Clooney nichts zu spüren. „Verwöhnt hat er ihn, seinem Dackelblick konnte er nicht widerstehen", sagt Stollenwerk-Lang erheitert. Im Nachhinein habe sie aber vor allem eine Aussage ihres Mannes gerührt: „Das ist das erste lebendige Wesen, das mir gehört." Stollenwerk ist nie Vater geworden.

Eine unbekanntere Facette an Stollenwerk war die Angst vor dem Lebensende. „Darüber hat er viel nachgedacht. Er hatte Angst, wie seine Schwester als schwerer Pflegefall zu enden und wollte nicht alleine sein", erklärt die 71-Jährige. Georg Stollenwerk starb am 30. April 2014 an den Folgen eines kurz zuvor in der Wohnung erlittenen Herzinfarktes. „Aber wissen Sie, mein Mann hat Zeit seines Lebens keine schweren Krankheiten gehabt oder sich großen Operationen unterziehen müssen. Und als es passierte, war ich da." Das Leben meinte es auch am Ende gut mit Georg Stollenwerk.

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