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Wie kommen mehr Frauen in die Politik?

Seit 16 Jahren bestimmt mit Angela Merkel eine Frau über die Geschicke Deutschlands. Dennoch war das keine Initialzündung für mehr Gleichberechtigung. Frauen sind in der Politik weiterhin unterrepräsentiert. Spitzenpositionen und Parlamentssitze bekommen immer noch weitaus mehr Männer, die Mitgliederanteile stagnieren.

Am besten schneiden in Bayern die Bündnis 90/Grünen mit einem Frauenanteil von 43 Prozent ab, die SPD folgt mit 34 Prozent. Schlechter sieht es bei den anderen Parteien aus: Nur jedes fünfte CSU-Mitglied ist eine Frau (22 Prozent), ähnlich bei den FW (23 Prozent), der AfD (20 Prozent) und der FDP (20 Prozent).

Auch viele Frauen sind gegen eine Quote

2019 scheiterte auf dem CSU-Parteitag der Antrag auf eine feste Frauenquote. Auch viele jüngere weibliche Mitglieder stimmten dagegen: Die Quote sei undemokratisch, es solle nur die Leistung zählen. Zudem hätten Frauen auch so alle Chancen, innerhalb der Partei aufzusteigen.

Die Optimistinnen

Dieser Meinung ist auch Monika Pieczonka, 29 Jahre alt. Die Juristin aus Erding ist Ortsvorsitzende der Jungen Union. 2020 kandidierte sie für die CSU für den Erdinger Kreistag, vergebens. An mangelnder Förderung habe dies jedoch nicht gelegen.

Pieczonka nahm im vergangenen Jahr an einem Mentoren-Programm der Frauen Union teil. Dort könne man wichtige Erfahrungen sammeln: Pieczonka durfte unter anderem Bauministerin Kerstin Schreyer begleiten und sich mit vielen hochrangigen Abgeordneten austauschen. Zudem besuchte sie über das Programm Seminare im Bereich Softskills wie Rhetorik- und Medientraining oder Stilberatung. Dieser Weg stehe allen engagierten Frauen offen. "Ich kenne keine Frau, die sich dafür beworben hat und nicht genommen wurde."

Im Mentoring-Programm habe sie aber auch gesehen, dass so eine gute Förderung wie im CSU Verband Erding nicht die Regel ist. Sie hat dort Frauen kennengelernt, die von mangelnder Unterstützung und Gleichberechtigung in ihren Verbänden berichtet haben.

Seit fünf Jahren ist die 30-jährige Jennifer Kaiser aktiv in der Münchener FDP. Auch sie steht einer Frauenquote eher ablehnend gegenüber: "Aber ich verstehe die Diskussion natürlich." Sie plädiert für eine befristete Frauenquote in der FDP: "So lange, bis wir genug Frauen in den Vorständen und auf den Listen haben."

Kaiser hat den Sprung in den Stadtrat 2020 verpasst. An ihrem Selbstvertrauen hat das aber nichts geändert. Obwohl die FDP einen ähnlich geringen Frauenanteil wie die CSU hat, glaubt Kaiser, dass in ihrer Generation mehr Gleichberechtigung vorherrscht: "In der Wirtschaft merkt man auch einen Wandel. Ich gebe zu, es ist schade, wie es im Moment noch ist. Es sollten viel mehr Frauen in den Parlamenten sitzen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das in der Zukunft hinbekommen."

"Die CSU war jahrelang ein Männerverein"

Ulrike Scharf, Landes-Vorsitzende der Frauenunion in Bayern, gehört zu den 21 Prozent der Frauen im bayerischen Landtag. Die ehemalige CSU-Umweltministerin kennt die Argumente jüngerer Kolleginnen gegen eine Quote, plädiert trotzdem seit Jahren dafür: "Die Erfahrung zeigt, dass es viel zu lange dauert, bis wir gleiche Teilhabe für Frauen und Männer haben."

Gerade in der CSU mit ihrer längeren Geschichte als die anderer Parteien seien es am Anfang nur Männer gewesen, die die Rahmenbedingungen festgelegt hätten. "Frauen hatten es über viele Jahrzehnte unglaublich schwer, Fuß zu fassen. Die CSU war jahrelang ein Männerverein."

Das Problem der gläsernen Decke

Jüngere Politikerinnen müssten verstehen, dass sich erst durch den Kampf politischer Vorgängerinnen Wege für Frauen in die Politik geebnet hätten - vom Wahlrecht bis zu politischen Ämtern an Frauen. Und diese Wege seien immer auch mit Hürden versehen. Scharf spricht davon, dass viele Mitstreiterinnen an die gläserne Decke gestoßen seien, eine unsichtbare Barriere, die auch kompetente Frauen daran hindert, ab einem bestimmten Karrierelevel weiter nach oben zu kommen. "All diese Frauen, die an diese Decke gestoßen sind, waren nicht schlechter qualifiziert als die Männer." Diese Erfahrungen hätten junge CSU-Frauen wie Pieczonka noch nicht gemacht.

Dem stimmt Monika Pieczonka zu. Hindernisse an einem Aufstieg habe sie von den Frauen "der Generation über mir" schon mitbekommen. Dort habe man ihnen durchaus Steine in den Weg gelegt. So seien Kandidaturen und Projekte nicht gefördert worden. "So etwas ist mir aber noch nicht passiert. Im Ortsverband kommen der OB und der Landrat immer wieder auf uns zu und fragen, ob wir nicht Lust haben, etwas Größeres zu machen."

Pieczonka fürchtet daher nicht, dass eine gläserne Decke sie oder andere junge Frauen in der CSU an einem Aufstieg innerhalb der Partei hindern: "Bei uns wird die gläserne Decke eher als durchlässig aufgefasst." Sie ist überzeugt, dass ein Wandel eingetreten ist: "In der U-35 Generation wird jede Frau gleichberechtigt wahrgenommen." Es komme mittlerweile mehr auf die Leistung an. Ob das ausreicht, um den Frauenanteil in der Politik nachhaltig zu erhöhen?

Gut sein und an bessere Zeiten glauben? Reicht nicht!

Die Politologin Ursula Münch sagt nein. Die Einschätzung, jüngere Frauen hätten heute bessere Voraussetzungen, teilt sie nur bedingt: "Ein gewisser Optimismus ist bestimmt begründet. Aber eines darf man nicht vergessen: In der Politik geht es um Macht. Die gläserne Decke existiert, weil Positionen bisher meist von Männern innegehabt werden. Und die geben Männer nicht einfach so auf, nur weil begabte Frauen daherkommen."

Die Professorin für Politikwissenschaft weist darauf hin, dass die gläserne Decke je nach politischer Ebene unterschiedlich ausgestaltet sei. "Auf der kommunalen Ebene haben wir einen Mangel an guten Leuten. Da ist es für Frauen deutlich leichter. Ein Landtags- oder Bundestagsmandat zu bekommen, ist viel schwieriger." Vor allem auf den höheren Ebenen gebe es die gläserne Decke. Um als Frau in der Politik nach oben zu kommen, gehöre weit mehr dazu. Auch seien Frauen im Netz viel öfter unter Beschuss als Männer, deshalb sei für Frauen die Fähigkeit, Kritik und Häme in der digitalen Welt zu ertragen, besonders wichtig.

Gut sein, es zeigen und in Überschriften sprechen

Das sagt auch die CSU-Abgeordnete Ulrike Scharf: "Politikerinnen nützt es nichts, wenn sie fachlich bestens qualifiziert sind. Sie müssen es auch nach außen tragen. Und da gehört viel Eigenmarketing dazu. Da muss man sich präsentieren und zeigen, dass man eine Person der Öffentlichkeit ist."

Wichtig sei aus Scharfs Sicht eine klare Kommunikation. Um als Frau beispielsweise in einer Plenarsitzung besser wahrgenommen zu werden, könne man ruhig auf ein paar Fakten verzichten, wenn die eigene Kernbotschaft klar ist: "Man sollte mehr in Überschriften denken. Wo kann man ein wenig provozieren, vielleicht ein paar Reizworte nennen, um der eigenen Aussage mehr Kraft zu verleihen?" Ein gesundes Selbstbewusstsein sei einfach nötig. Genau wie Sendungsbewusstsein.

Wenn nötig, bitte schauspielern

Auf ihrer Homepage präsentiert sich Jennifer Kaiser mit vielen hochauflösenden Fotos, ihr Kernthema Digitalisierung wird in einem Imagefilm deutlich. Wer die Seite aufruft, sieht eine ambitionierte, selbstbewusste Frau. Bei Kolleginnen stößt sie oftmals auf Bescheidenheit. "Ich habe bei uns oft den Satz gehört 'Ich würde schon kandidieren, aber ich möchte niemandem den Platz wegnehmen'." Für die BWL-Doktorandin ist es unerlässlich, dass man rausgehen muss. Auch aus sich herausgehen muss: "Auch wenn man nicht selbstbewusst ist, man kann es zu einem gewissen Maß spielen." Schauspielern, um andere von sich zu überzeugen?

Dem stimmt Ursula Münch zu: "Schauspielern ist ein guter Rat. Damit tut man sich viel leichter, weil man sich eine gewisse Fassade auflegt. In dem Moment, in dem ich in diese Funktion annehme, trete ich in eine Rolle hinein. Das muss natürlich eine Rolle sein, die zu einem passt."

In politischen Parteien sei es nach Ansicht vieler Frauen für das Vorankommen außerdem wichtig, sich jahrelang hochzuarbeiten, also erst mal mit Plakatieren anzufangen und dann überregional zu kandidieren.

Sichtbarer über Aktivismus

Bei Anna Volk ist das etwas anders: Die Münchenerin nimmt bereits mit 16 Jahren Einfluss auf gesellschaftspolitische Prozesse. Sie gehört zum Organisationsteam von Fridays for Future und ist Sprecherin der Umweltaktivistengruppe. Sie sagt, sie könne als junge Frau bei FFF mehr bewegen als in einer Partei: "Die Arbeit in Parteien ist sehr wichtig. Ich sehe nur, dass wir beim Klimaschutz den Hebel schnell ziehen müssen. Und das muss überparteilich passieren. Selbst wenn eine Partei diesen Hebel komplett ziehen würde, dann wird sie das alleine ohne die anderen Partien nicht umsetzen können." Nur mittels der Protestbewegung, glaubt Volk, könne ein so großes Ziel gesamtgesellschaftlich und parteienübergreifend gelingen.

Fest steht jedoch: Gelenkt werden Demokratien weiterhin von Parteien. Aber Politologin Ursula Münch rät Frauen in der Politik dazu, Bewegungen wie FFF genau zu beobachten und öffentlichkeitswirksam in den Dialog zu treten. Junge Politikerinnen sollten ihren Kontakt zu Bürgern also nicht nur in Wirtshäusern, Volksfesten oder dem örtlichen Kaninchenzuchtverein suchen: "Für eine politische Karriere ist es ganz wichtig, in diesem Geflecht aus unterschiedlichen Bewegungen eine Rolle zu spielen." Daneben müssen Frauen aber natürlich auch bereit sein, für ihre Macht und Position zu kämpfen: "Da sehe ich aber noch so manche Hemmschwelle."

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