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Zwei Paar Schuhe

Am Anfang stand die Frage in einem Seminar der Uni-Passau, wie ein Business-Modell der Zukunft aussehen kann. Für Obaid Rahimi und seinen BWL-Kommilitonen Marc Langener stand fest, dass ein solches Unternehmen eine soziale Komponente haben muss. „Es sollte aber kein Non-Profit-Unternehmen sein. Die Frage lautete also: wie kann man gleichzeitig einen sozialen Impact haben und profitabel sein?" erzählt Rahimi. Gemeinsam feilten die beiden lange daran, die Antwort in ein nachhaltiges Business-Modell umzumünzen. Das Ergebnis ist Shoemates. Über einen Online-Shop bieten die beiden Freunde seit rund einem Jahr Schuhe - eine Art Espandrillo - an. Wer ein solches Paar kauft, tut gleichzeitig etwas Gutes. Denn ein Teil des Erlöses fließt in die Produktion von Schuhen, die in Afghanistan an Schulkinder gespendet werden.

Schuhe werden kaum gespendet

Warum Schuhe? Bei ihren Recherchen stießen die Studierenden auf eine UNICEF-Studie. „Da wurde in Flüchtlingslagern gefragt, was den Leuten am meisten fehlt. Neben sanitären Anlagen und medizinischer Hilfe waren Schuhe ein häufiges Thema, weil die im Vergleich zu anderen Dingen wenig gespendet werden, " sagt Rahimi. Dazu kam, dass er bei einem Besuch bei Verwandten in Afghanistan bemerkte, dass auffällig viele Kinder nur Sandalen tragen. Zahlreiche Familien verfügen dort über sehr wenig Geld, weswegen viele Kinder selbst im tiefsten Winter nur mit einfachem Schuhwerk auskommen müssen. „So entstand die Idee, dass wir diesen Kindern Schuhe schenken könnten, die sie über das ganze Jahr tragen können." 44 Euro kosten die Schuhe, die man auf der Website erwerben kann. In dem Preis sind die Produktionskosten für dieses Paar, aber auch für den in Afghanistan gespendeten Schuh einkalkuliert, ebenso wie alle Logistikkosten und eine kleine Marge für die Gründer. Die Spenden-Schuhe - sehr einfache Modelle, funktional, aber lange tragbar - werden direkt in Afghanistan hergestellt. Auf diese Weise wollen die Shoemates-Gründer dazu beitragen, dass die Wirtschaft in Afghanistan gestärkt wird und nicht durch die Sachspende aus dem Ausland geschwächt. Bei der Verteilung der gespendeten Schuhe arbeitet das Unternehmen mit einer Nichtregierungsorganisation (NGO) zusammen, die bereits seit vielen Jahren afghanische Dörfer im Westen des Landes, die keinen Zugang zum Markt haben, mit Sachwaren versorgt. „Die können am besten einschätzen, wo die Schuhe am dringendsten benötigt werden", sagt Rahimi. Die Schuhe für den deutschen Markt werden bislang in China, bald auch in Spanien, produziert. Das chinesische Unternehmen ist vom TÜV Rheinland auf die Einhaltung deutscher Arbeitsstandards zertifiziert. Davon hat sich Rahimi auch schon persönlich vor Ort überzeugt. Dass diese Schuhe nicht auch in Afghanistan gefertigt werden, erklärt Rahimi mit den unsicheren Rahmenbedingungen im Land. „Wenn man ein kontinuierlich laufendes Geschäft aufbauen will, braucht man Planungssicherheit. Daher haben wir uns für dieses Modell entschieden," sagt er.

Den Versand übernimmt eine Behindertenwerkstätte

Für die Logistik und den Versand der Schuhe für die deutschen Käufer arbeiten sie mit einer Behindertenwerkstätte zusammen und haben dort eine eigene Versandlogistik aufgebaut. „Auch hier versuchen wir Strukturen für Menschen zu schaffen, die in unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft kaum eine Chance auf eine Aufgabe und einen eigenen Erwerb haben", sagt Rahimi. Nach dem ersten Jahr ziehen die Gründer ein positives Resümee: in diesem Jahr konnten bislang rund 1.300 Schuhe verkauft werden. In Afghanistan wurden 500 Schuhe produziert und verteilt. Die zweite Produktionsrunde dort steht demnächst an. Das Konzept kommt an und hat Wachstumspotenzial, ist sich Rahimi sicher: „Immer mehr Leute fragen nach Produkten, bei denen sie sich sicher sein können, dass für die Herstellung niemand leiden musste." Rahimi gefällt nicht nur, dass Shoemates so langsam richtig in Schwung kommt, sondern auch, den Einfluss, den er und seine Kollegen auf diese Weise nehmen können. „Je mehr die Leute auf unsere Seite kommen und sich unsere Informationen durchlesen, desto mehr lernen sie auch über soziale Geschäftskonzepte und sind vielleicht künftig noch ein bisschen wacher."

Nichts produzieren, ohne dabei „gut" zu sein

Natürlich ließe sich das Shoemates-Sortiment weiter ausbauen. Auf der Webseite gibt es bereits Mützen zu kaufen. Headmates ist das Vorläuferprojekt von Shoemates, das ebenfalls in einem Uniseminar entwickelt wurde. „Wir haben uns damals gefragt, welche soziale Gruppe in der Passauer Gesellschaft braucht unsere Unterstützung und wie können wir diese Unterstützung so gestalten, dass sich daraus auch ein wirtschaftlicher Erfolg ableiten lässt. Die Antwort lautete damals: vor allem Senioren. So kam die Idee, dass ältere Damen Mützen stricken könnten. Ob zu den Mützen und den Schuhen weitere Produkte dazukommen, steht jedoch noch nicht fest. „Wir wollen nicht einfach mit irgendwas auf den Markt kommen. Wir wollen nichts produzieren, ohne dabei auch „gut" zu sein. Jedes weitere Produkt müsste auch die Kriterien erfüllen, zugleich sozial und profitabel zu sein, " sagt Rahimi. Sein Studium hat Obaid Rahimi inzwischen abgeschlossen. Er betreibt Shoemates inzwischen hauptberuflich. „Wir können noch nicht ganz davon leben, aber wir sind auf einem sehr guten Weg." Der nächste Schritt dahin sind die neuen Herbstmodelle.

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