Am Ende der Treppe im Hauptgebäude der LMU tanzen zwei mit Helium gefüllte, goldene Luftballone in Form von Buchstaben. C und M, das steht für „ Cashwalk" und soll bedeuten: hier liegt Geld in der Luft. 50 Startups stellen sich vor, um potenzielle Investoren zu interessieren. Ein Schaulauf um Geld, sozusagen. Die Veranstaltung hat gerade angefangen, die Veranstalter wünschen den Teilnehmern Glück, gefolgt von Applaus. Vasilis Zoupas bekommt von all dem nicht mit, denn er steht im Foyer und telefoniert. „Ich musste dringend was organisieren", sagt er. Stress, ständig verschiedene Dinge gleichzeitig am Laufen zu halten und auch die Sorge um das Geld gehören zum Alltag eines Gründers wie Zoupas. Während Zoupas versucht in München Geldgeber aufzutreiben, laufen zuhause in Athen die Arbeiten natürlich weiter. Gespräche mit potenziellen Kunden wollen geführt, Mitarbeiter gebrieft und technische Probleme gelöst werden.
Kommunikationsplattform für BürgerbeteiligungDer junge Grieche ist Gründer von „ wepolitics", einer interaktiven Kommunikationsplattform. „Das politische System lebt davon, dass möglichst viele daran teilhaben", sagt Zoupas. Das Problem: klassische Meinungsbildungsorgane wie Parteien, Vereine und Verbände verzeichnen einen permanenten Mitgliederschwund, während wenige laute, oft hasserfüllte Kommentatoren oft überproportional stark den öffentlichen Diskurs bestimmen. Wepolitics will Struktur in den Dschungel der Meinungsbekundungen der Sozialen Media bringen. „Demokratie neu denken" lautet die Formel mit der sich die Idee im deutschen Internet präsentiert. Wepolitics ist eine Mischung aus klassischer Meinungsumfrage, spielerischen Elementen und Funktionen aus den sozialen Medien. Über einen Social-Media-Account wie Facebook, Linkedin, Google oder Twitter kann sich jeder kostenfrei bei wepolitics anmelden, Fragen stellen oder Umfragen starten, über Themen abstimmen und mit anderen Nutzern diskutieren. Über ein intelligentes Bewertungssystem moderieren sich die Foren praktisch selbst und reduzieren das Problem der so genannten Hatespeech. „Wepolitics ermöglicht es, Mitglieder oder Abonnenten einzubinden, die sich bislang überhört und übergangen fühlen. Das führt zu einem Identifikationsgefühl und kann den Mitgliederschwund stoppen", erläutert Zoupas seine Geschäftsidee. In Griechenland existiert bereits eine rege diskutierende Community aus 5.000 Mitgliedern, über die Athen ein Meinungsbild über die Stadtpolitik einholt.
Die Plattform hat bewiesen, dass sie funktioniert. Nun müssen zahlende Kunden gefunden werden. Zoupas ist bereits mit einigen Interessenten im Gespräch, darunter große deutsche Zeitungen und Parteien, die sich vorstellen können die Plattform zu verwenden, um sich mit ihren Mitgliedern und Abonennten auszutauschen. Für die weitere Akquise, das Marketing und für die Bezahlung der Mitarbeiter benötigen die Gründer von wepolitics Geld. Deswegen ist Zoupas beim Cashwalk. Hier tummeln sich Business Angels und Risikokapitalgeber, die vor allem in junge Unternehmen investieren, die sich gerade in Gründung befinden oder bereits eine erste Finanzierungsrunde hinter sich haben. Zur Veranstaltung haben nur geladene Gäste Zutritt; sowohl Start-ups als auch Investoren wurden von den Veranstaltern, dem Entrepreneurship Center der LMU München und German Accelerator, einem Förderprogramm für Jungunternehmer, ausgewählt. Das soll die Chance erhöhen, das passende Gründer und Geldgeber zusammen finden.
Drei Minuten in der Höhle des LöwenDer Ablauf der Pitches ähnelt mit der beliebten TV-Show „Die Höhle der Löwen": Drei Minuten haben die Startups Zeit, um der Jury, bestehend aus Vertretern großer Kapitalgeber, ihr Unternehmen zu präsentieren. Zoupas ist in seinem Slot der letzte Vortragende. Das Teilnehmerfeld ist sehr heterogen, unter den vorangegangenen finden sich ein Hersteller für Babyöl, eine App für Fantasy Sports sowie ein Tool für virtuelle Kundenberatung technisch komplexer Maschinen. Die Luft ist stickig; viele gähnen und sind in Gedanken schon bei der Abendgestaltung. Gerade darin besteht die Kunst: in einem Raum voll von Leuten, die sehr wahrscheinlich kaum Ahnung von der Materie haben, die Kernbotschaft des Start-ups so rüberzubringen, dass auch andere sich dafür begeistern - und zwar so sehr, dass sie bereit sind Geld zu investieren.
Vorbereitung, Leidenschaft und ZahlenkenntnisEinige Dinge seien bei einem solchen Pitch besonders wichtig, meint Florian Rickert, Community Manager am LMU Entrepreneurship Center. „Know your numbers", lautet die erste Regel im Investoren-Sprech. Wer bei einem Pitch auf Fragen zur finanziellen Planung und Strategie nicht detailreich antworten kann, wird es schwer haben, Geldgeber zu überzeugen. Überhaupt kommt Sprachlosigkeit nicht gut an. „Es hilft, wenn man sich für alle Eventualitäten eine Standardantwort überlegt", rät Rieker. Selbstbewusst, aber nicht überheblich sein, ist die Devise. „Es ist es wichtig, Leidenschaft für sein Projekt zu zeigen", sagt Rieker. Wer glaubhaft machen kann, dass er für seine Sache brennt, habe schon viel gewonnen. Auf eine Diskussion oder gar Streit mit der Jury sollte man sich hingegen besser nicht einlassen. Zoupas brennt definitiv für seine Plattform, seine Schwierigkeiten liegen woanders: „Ich bin Ingenieur und habe anfangs sehr viel Technik-Sprache verwendet und meine Vorträge waren viel zu detailliert", sagt der junge Gründer. Doch beim Cashwalk in München nutzt Zoupas seine drei Minuten gut. Sein Vortrag wirkt routiniert und ist anschaulich. „Nehmen wir einmal eine große Organisation wie Greenpeace", steigt er gleich zu Beginn mit einem Beispiel ein. „Die haben keine Ahnung, was ihre Mitglieder eigentlich denken und warum die überhaupt Mitgliedsbeiträge bezahlen!"
Das Publikum lacht. Und versteht worum es geht. Eine der Venture Capital-Vertreterinnen nennt die Plattform am Ende von Zoupas Vortrag „super exciting".
Die anschließenden Fragen der Jury beantwortet Zoupas fundiert und charmant. Er ist ehrlich: „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keinerlei Einnahmen." Gleichzeitig macht er plausibel welches Potenzial die Plattform für Medienunternehmen, Verbände und Parteien haben kann und dass es bereits Interessenten gibt. Prämiert wird wepolitics von den Juroren am Ende des Tages nicht. Doch das kümmert Zoupas wenig. Er habe einige sehr interessante Gespräche geführt, insbesondere mit zwei Vertretern aus dem Bereich des „Social Investment", die sich dafür interessieren, wie Zoupas die Herausforderung von mehr Bürgerbeteiligung in Zeiten des Internets angeht. Möglich, dass sich der junge Gründer schon bald nicht mehr um das Geld sorgen muss.