Mit mehr als 4700 Folgen gilt "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" als TV-Dinosaurier. Intrigen, Sex und Herzschmerz liefert die Soap am Fließband. Zwölf Stunden am Set.
07:10: Die ersten Schauspieler, die früh am Morgen in den Cateringbereich der "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten"-Studios in Babelsberg schlurfen, wirken ziemlich verschlafen.
Sina Albrecht dagegen ist hellwach. Sie steht schon seit drei Stunden in der Küche: Die stets gut gelaunte 31-Jährige ist dafür verantwortlich, dass die Darsteller und mehr als 150 Mitarbeiter von GZSZ zu jeder Tageszeit ihren Hunger und Durst stillen können.
Morgens frischer Obstsalat, mittags warme Gerichte und nachmittags Kuchen - Sina Albrecht und ihre Kollegen legen permanent nach. Was auch nötig ist, denn "hier fahren die Affen Panzer", wie sie selbst das ständige Kommen und Gehen kommentiert.
08:00: Die Dreharbeiten beginnen wie immer pünktlich auf die Minute. Der komplette Tagesablauf ist sekundengenau durchgeplant, anders wäre das enorme Pensum nicht zu schaffen:
Am Abend müssen 25 sendefertige Minuten im Kasten sein. Rund 4700 Folgen wurden bislang ausgestrahlt. Linus schert das wenig. Er ist mit gerade einmal acht Monaten der jüngste GZSZ-Star. Eben noch hat er mit seinem Fernseh-Papa Daniel Fehlow alias Leon Moreno vergnügt gespielt.
Jetzt, wo die Kameras laufen und er auf dem Schoß von Film-Mama Susan Sideropoulos sitzt, quengelt er. Doch zum Glück ist seine echte Mutter Jessica Höhne, 24-jährige Arzthelferin im Erziehungsurlaub, immer dabei und hat die Lösung: Mit einem Keks in der Hand hält Linus alias Oskar brav still. Schon nach zwei Versuchen ist die Szene mit ihm abgedreht.
10:30: Einige Wochen hat Schauspielerin Janina Uhse ihre Fanpost liegen gelassen. Jetzt quillt ihr persönliches Fach beinahe über. Viele, vor allem jugendlichen Absender wollen ein Autogramm, doch einige nehmen auch Bezug auf die Handlung: "Als in der Serie der sexuelle Missbrauch von meinem Charakter Jasmin durch ihren Vater thematisiert wurde, habe ich viele Briefe von Mädchen bekommen, die ähnliches erlebt haben", erzählt Janina.
Wenn ihr Jugendliche schreiben, sie würden sich hässlich fühlen und sich vor Verzweiflung die Haut aufritzen, weiß sie kaum, wie sie reagieren soll. "Ich gehe dann meist gar nicht darauf ein, sondern schicke ihnen den Kontakt von einer Jugendnotmail mit", sagt Janina. "Schließlich kann ein falsches Wort schon schlimme Folgen haben."
12:00: Im zweiten Stock des Gebäudes muss Lena Ehlers mal nicht in die Rolle der Dascha schlüpfen, sondern darf sie selbst sein. Denn die 30-Jährige soll gleich fürs Internet drehen: 20 Millionen Mal wird die GZSZ-Homepage jeden Monat geklickt, auf Facebook hat die Serie 286.000 Fans.
Und die müssen täglich mit frischen Infos, Fotos und Videos versorgt werden, weshalb Jan Marquardt und sein Team immer wieder Schauspieler vor ihre kleine Kamera holen. Dort beantworten diese dann Fragen von Fans, erzählen von den Dreharbeiten oder berichten, was in der kommenden Woche in der Serie passieren wird.
13:45: Klatsch und Tratsch gibt es im Reich von Iris Gräser. Die Maskenbildnerin ist nicht nur seit 16 Jahren für Make-up und Frisuren aller Hauptdarsteller verantwortlich, sondern irgendwie auch ein bisschen Psychiaterin, wie sie selbst sagt: "Bei mir können die Schauspieler alles loswerden, was ihnen auf dem Herzen liegt."
Kein Wunder, dass Janina und Iris Mareike dort erfahren haben, dass ihre Kollegin Susan Sideropoulos wieder schwanger ist. Hier fühlen sich die Stars wohl - wie zur Bestätigung räkelt sich Jascha Rust entspannt im Stuhl, während er sich von Iris Gräser mit sanftem Luftdruck Schminke auftragen lässt.
14:35: Am Außen-Set fliegen die Fetzen. Vor fünf Jahren entstand dort eine täuschend echte Berliner Straßenszenerie: U-Bahn-Eingang, türkischer Imbiss, Spätkauf, Kino und eine Apotheke. Vor dieser wirft Raúl Richter jetzt Filmpartner Christian Tieck mit voller Wucht auf eine Motorhaube. Erst nachdem die beiden die wüste Prügelei ein Dutzend Mal wiederholt haben, ist Regisseur André Siebert zufrieden.
Außen-Drehs sind nichts für Zartbesaitete: Da die Serie zwei bis drei Monate im Voraus produziert wird, bibbern die Schauspieler für Frühlingsszenen auch mal bei Minusgraden im T-Shirt oder schwitzen, eingepackt in Daunejacken, bei 20 Grad auf einem fiktiven Weihnachtsmarkt. Raúl Richter alias Dominik wird aus der Rauferei von Wolfgang Bahro befreit, dem ultimativen GZSZ-Urgestein: Er ist als Jo Gerner seit Folge 185 dabei und damit der dienstälteste aktuelle Darsteller.
15:30: Die beiden Kostümbildner Roberto Barac und Maria Mitsikaris besprechen die Kleidung für die Drehs in zwei Wochen, legen jedes Oberteil, jedes Halstuch fest. "Es geht zum Beispiel gar nicht, dass zwei Charaktere in einer Szene etwas Rotes anhaben", sagt Barac.
Neben Stilsicherheit ("Wir wollen den Modetrends voraus sein") müssen er und seine fünf Kollegen vor allem die Übersicht behalten: Bei mehr als 30.000 Kleidungsstücken.
Und das ist nur die Ausstattung für die Komparsen. Die Hauptdarsteller haben ihre Kleidung in den Garderoben. Was dort hängt, haben die Kostümbildner nicht alleine ausgesucht, erklärt Barac: "Die Kleidung der Darsteller ist immer ein Kompromiss zwischen uns, dem Regisseur, dem Produzenten, dem Sender und den Wünschen der Schauspieler."
17:00: Die Requisiteure Vincent Hinze und Winfried Henkys wollen "nur mal eben" eine Wand mit dem dröhnenden Aufzug in die zweite Etage der Studio-Kulissen befördern. Keine gute Idee. Aufgeregt werden sie von einer Kamera-Assistentin gestoppt: "Ruhe! Wir drehen!" Einen solchen Anpfiff muss Selina Schrader nicht fürchten: Die 23-Jährige beklebt still Dosen mit dem Schriftzug eines fiktiven Energy-Drinks.
Denn in der Serie darf kein Markenname erkennbar sein, sonst hagelt es Strafen wegen Schleichwerbung. So hat jeder im großen GZSZ-Betrieb bis zum Drehschluss um 18 Uhr 45 seine Aufgabe zu erfüllen. Die bekannten Stars vor den Kameras. Und die unbekannten Stars dahinter.