Chris Otule ist Profi beim Weißenfelser Bundesligisten MBC. Das allein ist eine Sensation. Denn der US-Amerikaner sieht auf einem Auge gar nichts und auf dem anderen nur eingeschränkt.
- Die Wespe hatte keine Chance. Als Chris Otule am Brunnen auf dem Weißenfels er Marktplatz sitzt, schwirrt das Tier plötzlich um seinen Kopf herum. Links. Rechts. Dann wieder links. Doch mit einem gezielten Schwung befördert der US-Amerikaner das Tier schließlich ins Wasser.
Es ist weiß Gott keine alltägliche Situation. Denn der 25-jährige Basketballer vom Mitteldeutschen BC ist kein gewöhnlicher Sportler. Er litt bereits bei seiner Geburt an grünem Star. Kurze Zeit später erblindete sein linkes Auge komplett, seitdem trägt er eine Prothese, ein starres Kunstauge. Und als wäre das nicht schlimm genug, beträgt seine Sehkraft auf dem rechten Auge nur 75 Prozent, dort trägt er Kontaktlinsen.
Dass er die Wespe also so genau verorten kann, ist schon ungewöhnlich. Aber ungewöhnlich ist an diesem Mann so gut wie alles. Denn trotz seines Handicaps hat er es zum Profi-Basketballer geschafft. In Weißenfels bestreitet der 2,11-Meter-Hüne seine zweite Bundesliga-Saison.
Die Frage drängt sich unweigerlich auf: Wie geht das? Wie sieht dieser halbblinde Profi eigentlich die Welt?
Ganz normal, sagt er - zumindest aus seiner Sicht. Denn Chris Otule kennt sein Umfeld nicht anders, er nimmt es schon immer mit nur einem Auge wahr. Und er sagt sogar: „In gewisser Weise bin ich dankbar dafür, dass ich schon von Geburt an so sehe. Wenn ich erst mit 15 oder 16 Jahren das Augenlicht verloren hätte, wäre es schwerer gewesen. Ich hätte alles neu lernen müssen. Die Frustration wäre noch größer gewesen. So aber ist das völlig normal für mich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, mit zwei Augen zu sehen."
Trotzdem war sein Lebensweg alles andere als leicht. Als Kind erlebte er dauernd Hänseleien seiner Mitschüler. „Meine Kindheit", erzählt er, „war ziemlich hart. Sie haben mich ausgelacht, sie haben sich über mich lustig gemacht - und alles nur, weil ich anders bin. Nur, weil ich ein kleines bisschen anders aussehe."
Die Unterstützung seiner Eltern, seiner zwei Brüder - einer älter, einer jünger als er - half ihm, mit der Situation umzugehen. Und irgendwann „habe ich es akzeptiert. Das war das Wichtigste. Wenn du diesen Schritt nicht schaffst, versinkt du dein Leben lang in Selbstmitleid." Und mit 13 Jahren setzte sich Chris Otule etwas in den Kopf: Er wollte Basketball-Profi werden. Sich unbedingt beweisen, es allen zeigen.
Warum MBC-Trainer Poropat von dem Ausnahmespieler schwärmt und wie Chris sich hochgearbeitet hat, lesen Sie auf Seite 2.Alles zum Thema Weißenfels finden Sie auf unserer Themenseite Weißenfels.