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ECHORD++: „Vom Labor auf den Markt"

In Europa haben exzellente Forschung und Fertigung in der Robotik eine lange Tradition. Dennoch zeigten sich noch vor wenigen Jahren eindeutige Defizite in der Zusammenarbeit zwischen akademischer und industrieller Welt.

Alois Knoll, Professor für Informatik an der Technischen Universität München (TUM) und Koordinator des EU-Projektes ECHORD++, empfand es bereits 2007 als problematisch, dass das Maß der Vernetzung zwischen Akademikern und Industriellen deutlich schwächer ausgeprägt war, als es beispielsweise in den USA üblich ist. Gleichzeitig bangten zahlreiche kleine Firmen und Start-ups, die durchaus sinnvolle Lösungen entwickelt hatten, um ihre Existenz - unter anderem bedingt durch ihren geringen Bekanntheitsgrad.

Nach ersten Gesprächen mit der Europäischen Kommission wurde 2009 mit dem Projekt ECHORD einer der Grundsteine für das Vorantreiben der europäischen Roboterentwicklung gelegt. Als wichtigstes Ziel, so Knoll, galt die Zusammenführung der Akteure, das heißt praxisorientierter Wissenschaftler auf der einen und industrieller Entwickler sowie mittelständischer Anwender auf der anderen Seite: „ Damit wollten wir beiden Seiten neue Horizonte eröffnen, zu denen sie sich nur zusammen aufmachen konnten ". Die ersten Konzepte zur Umsetzung, die daraus entwickelt wurden, umfassten die einzelnen Kleinprojekte („Experimente") und den „strukturierten Dialog".

Mit der potenziellen Marktreife im Blick

Im Anschluss an ECHORD soll nun das Folgeprojekt ECHORD++ diese Zusammenarbeit weiter fördern. Aufbauend auf den Erfahrungen und Erfolgen von ECHORD steht aber nicht mehr nur die grundsätzliche Kooperation im Fokus, sondern auch die „ route to market", die Knoll zufolge eines der Kriterien für die Bewertung der Anträge für ECHORD++ darstelle. „ Obwohl wir aufgrund der Regeln für EU-Forschungsförderung die Technologien nicht bis zur Marktreife führen dürfen, aber doch sehr nah daran, haben wir die potenzielle Marktreife immer im Blick gehabt". Das Projektmotto „ vom Labor auf den Markt " unterstreicht diese Zielsetzung, auch wenn die teilnehmenden Konsortien den letzten Schritt selbst gehen müssen.

Neben den Experimenten und dem Dialog stehen deshalb auch technologische Innovation unter Einbeziehung der Endverbraucher (Public end-user driven Technological Innovation, PDTI) und Robotics Innovation Facilities (RIF) im Zentrum. Mithilfe dieser Instrumente wird neben der finanziellen Förderung der Technologieentwicklung auch eine Umgebung zur Verfügung gestellt, in der neue Marktideen problemlos und ohne Risiko in Feldversuchen getestet werden können.

Profitieren sollen davon insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), denen oftmals der Zugang zu Roboter-Technologie fehl, so Knoll. In seinen Augen sind die geschaffenen RIFs für KMU wichtig, um einen Überblick zu bekommen, welche Technik und Produkte überhaupt auf dem Markt zur Verfügung stehen. Zusätzlich bereitgestellte Experten nehmen die Unternehmen bis zu sechs Wochen lang an die Hand und beraten sie beim Einsatz dieser Technologien. Auf diese Weise lässt sich individuell herausfiltern, welche Roboter tatsächlich sinnvoll sind, um besser und günstiger als die Konkurrenz produzieren zu können.

Die Resonanz war „geradezu überwältigend"

Wie erfolgreich (und notwendig) ECHORD++ ist, zeigt sich an der großen Resonanz: Insgesamt gingen 283 Anträge ein, von denen der Großteil auf die Förderung eines Experimentes zielte. Die anderen galten der Umsetzung von Projekten im Rahmen der „vorkommerziellen Beschaffung", das heißt der Entwicklung von Robotertechnologien nach den Vorgaben der öffentlichen Hand. Damit konnte ECHORD++ mehr als 100 Partner aus Forschung und Industrie gewinnen. Besonders groß war das Interesse, wie Knoll beschreibt, vor allem in den wichtigen Industrienationen Europas, also in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, aber auch in Staaten mit einer großen Technikaffinität wie Dänemark, der Schweiz oder Schweden. Was ihn dabei besonders freut, sind die osteuropäischen Partner, die bei ECHORD noch nicht an Bord waren. Zugleich betont er, dass „es nie das Ziel war, große Mengen von Anträgen zu generieren, sondern die potentiellen Antragsteller genau zu informieren, damit sie fokussierte Anträge mit hoher Qualität stellen können". Die letztendliche Aufmerksamkeit, die das Projekt bekam, war dementsprechend „geradezu überwältigend".

Zwar war das Interesse aus der Forschung etwas größer, doch „ das ist bei EU-Forschungsprojekten normal, nicht zuletzt deshalb, weil zum Beispiel Universitäten in aller Regel erfahrener mit Antragsstellungen sind als Kleinunternehmen". Für Knoll war es aus diesem Grund entscheidend, mit ECHORD und ECHORD++ gerade kleinen Unternehmen einen unbürokratischen Zugang zur EU-Forschungsförderung zu ermöglichen. Bemerkenswert ist dennoch, „ wie viele ‚nichtakademische' Organisationen Partner in ECHORD++ sind, gerade im Vergleich zu anderen EU-geförderten Forschungsprojekten ".

Mehr Präsenz und Sichtbarkeit für Start-ups

Während ECHORD++ noch bis 2018 läuft, bescheinigt Knoll bereits jetzt eindrucksvolle Ergebnisse in den Bereichen Medizin, Landwirtschaft, Industrie und mobile Robotersysteme. Viele Experimente besitzen seiner Einschätzung nach das Potenzial zu einsatzfähigen Lösungen. Stolz ist er vor allem darauf, dass der initiale Erfolg von ECHORD Einfluss auf die Gestaltung des EU-Förderprogramms Horizon 2020* genommen hat, für das die Vergabe von Fördergeldern an Unterprojekte über eine öffentliche Ausschreibung als wichtiger Bestandteil übernommen wurde. „ Dass wir der Robotik und gerade den innovativen kleinen Firmen zu deutlich mehr Sichtbarkeit und Marktpräsenz verhelfen konnten und auch die Entwicklung der Robotik in Europa zum Nutzen des Kontinents ein wenig vorangebracht haben ", gefällt ihm dabei am besten, auch wenn er für die Zukunft weiterhin die Notwendigkeit für Fördermaßnahmen wie ECHORD++ sieht.

(*Horizon 2020 ist das größte EU-Forschungs- und Innovationsprogramm, das zwischen 2014 und 2020 insgesamt rund 80 Milliarden Euro Fördergelder bereitstellt.)

Kurzübersicht The European Coordination Hub for Open Robotics Development Plus Plus (ECHORD++)

Das Projekt fördert Forschungsprojekte in kleinem Rahmen, sogenannte Experimente, mit einer maximalen Laufzeit von 18 Monaten. Geforscht wird kooperativ in Konsortien von akademischen und industriellen Vertretern und basierend auf tatsächlichen Anwendungsfällen.

Laufzeit: 01.10.2013 bis 30.09.2018, andauerndes Projekt Gefördert im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms: Informations- und Kommunikationstechnologien (FP7-ICT) Gesamtkosten: 26.244.833 Euro EU-Beitrag: 19.750.000 Euro Themen: ICT-2011.2.1 - Kognitive Systeme und Robotik Koordinator: Prof. Alois Knoll, Technische Universität München (TUM) Zahlreiche vielversprechende Projekte

Seit dem Start von ECHORD 2009 und ECHORD++ 2013 haben zahlreiche Konsortien den finalen Schritt in Richtung Marktreife getan. Mehr als 50 Experimente konnten bisher dank der Förderung erfolgreich realisiert werden.

ANYbotics

Das Schweizer Startup nutzt für seine vierbeinige Roboterplattform „ANYmal" die im Experiment „MODUL" entwickelte Antriebstechnik. Mögliche Anwendungsgebiete sind laut ANYbotics Inspektions- und Manipulationsaufgaben in Industriestandorten, Such- und Rettungsaufgaben in natürlichem Gelände oder Animation und Entertainment.

Cognibotics

Die schwedische Firma ist spezialisiert auf die Bestimmung von Robotereigenschaften wie Rückschlag und Reibung. Cognibotics setzt auf eine Technologie, die es Robotern erlaubt, ihre eigenen Defizite festzustellen und automatisch zu kompensieren.

Humanware

Mit MOTORE++ hat das italienische Unternehmen (in Kollaboration mit der Scuola Superiore Sant'Anna in Pisa) einen tragbaren Rehabilitationsroboter geschaffen, der klein und leicht genug ist, um in Krankenhäusern, in Altersheimen, aber auch bei Patienten zu Hause eingesetzt zu werden.

Marsi Bionics

Das tragbare Exoskelett „EXOTrainer" der spanischen Firma Marsi Bionics (in Kollaboration mit der Consejo Superior de Investigaciones Científicas und dem Hospital Sant Joan de Deu) wurde gezielt für die Therapie von Kindern entwickelt, die an spinaler Muskelatrophie (SMA) erkrankt sind. Ziel ist es, nicht nur die Lebensqualität der Kinder zu steigern, sondern auch ihre Lebenserwartung.

Avular

Gemeinsam mit dem Institut für Kognitive Wissenschaften und Technologien (ISTC) in Rom sowie der Universität Wageningen und dem ihr angeschlossenen Forschungszentrum entwickelte das niederländische Unternehmen einen Schwarmroboter, SAGA, der seinen Einsatz in der Präzisionslandwirtschaft und großflächiger Landbewirtschaftung finden soll.

+++Update+++ Die ECHORD++ Robotics Innovation Facilities (RIF)

Seit dem 28. Februar 2017 können Interessierte via YouTube einen Blick hinter die Kulissen der RIF in verschiedenen Städten werfen und den Forschern bei ihren Entwicklungen über die Schulter schauen. Bisher sind 360°-Videorundgänge in den Einrichtungen in Bristol und Pisa-Pecciolo verfügbar. Ein weiteres Video für das Interactive Robotics Labor in Paris-Saclay, das sich in den Räumlichkeiten des französischen Forschungsinstitutes CEA LIST befindet, wird bald verfügbar sein.

RIF@Bristol, Vereinigtes Königreich

Das Bristol Robotics Labor ist ein gemeinsames Institut der Universität von Westengland (UWE, Bristol) und der Universität von Bristol. Innerhalb des Vereinigten Königreiches stellt es das größte akademische Zentrum für multidisziplinäre Robotik dar.

RIF@Pisa-Peccioli, Italien

Die Universität Scuola Superiore Sant'Anna gründete den Forschungspark BioRobotics Institute, um für Forschungsaktivitäten sowohl drinnen als auch draußen gelegene Umgebungen bereitstellen zu können. Es befindet sich in der Nähe von Pisa, im universitätseigenen Forschungszentrum Polo Sant'Anna Valdera.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Prof. Alois Knoll und Sebastian Weisenburger von der Technischen Universität München entstanden.

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