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Alle wollen Täve sehen

Hat noch immer seine Fans: Täve Schur. © Dagmar Möbius

Von der Bühne in der Friedrich-Wolf-Gedenkstätte erklingt der "Kriminaltango". Kurz darauf schunkeln die Gäste im Garten zu "Itsy Bitsy Strandbikini". Vier Lehrer des Mosaikgymnasiums Oranienburg schöpfen auf Akkordeon, Piano, Gitarre, Schlagzeug und Posaune aus einem musikalischen Eintopf. Derweil rutschen viele der zahlreichen Besucher schon unruhig auf den Holzbänken. Sie sind gespannt auf das Gespräch mit Gustav-Adolf Schur. Der heute 83-jährige Magdeburger hat Radsportgeschichte geschrieben. Am Sonnabend weilte er zum ersten Mal in Lehnitz.


"Zu unserem Frühlingsfest laden wir traditionell einen Stargast ein", sagt Paul Werner Wagner, Vorsitzender der Friedrich-Wolf-Gesellschaft. Nach Schauspielern wie Winfried Glatzeder und Angelica Domröse nun ein Sportler. Im Publikum sitzen ehemalige Sportkameraden und treue Fans. Den wenigsten muss man Schurs Erfolge aufzählen. "Wir sind mit Täve groß geworden, alle haben mitgefiebert", beginnt auch Wagner das Interview. "Jahrelang Kapitän, der Beste, fair, ein großer Kämpfer, erster international erfolgreicher DDR-Sportler..." "Kannst langsam aufhören", unterbricht der Geehrte. Als Star habe er sich nie gefühlt. Auch nicht, als 2005 ein Asteroid nach ihm benannt wurde. "Wir sind für die Menschen gefahren", sagt er.


"Täve, Täve", rufen weibliche Stimmen. Der ist noch sichtlich beeindruckt von einer Führung durch die Gedenkstätte und erinnert: "Friedrich Wolf setzte sich als erster Botschafter in Polen dafür ein, dass die DDR-Mannschaft an der Friedensfahrt teilnehmen durfte." Täve Schur war 1952 als 21-Jähriger erstmals dabei. Ein Radio-Mitschnitt von Sportreporter Heinz-Florian Oertel holt die Zeit eines Etappensiegs zurück: "Jetzt können wir vor Freude schreien, wir haben gewonnen, jetzt sind wir glücklich." Oertel habe als Erster die Sicht vom Ich zum Wir geprägt.


Täve Schur schildert Trainings, dramatische Wettkämpfe, selbst getätigte Reifenwechsel. Schnell landet die Radsportlegende bei der heutigen Politik. "Unsere Zeit war besser", resümiert der langjährige Volkskammer- und ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete. "Früher band der auf dem obersten Podest Stehende die Schleife ab, den Kranz bekam der Zweite. Der wurde manchmal mehr gefeiert als der Sieger." War der sportliche Erfolg noch Ehre, regiere heute das Geld.


Das Thema Doping streift Schur nur kurz. Wagner hakt nicht nach. Es bleibt unklar, ob und wie DDR-Radsportler in den 1970er-Jahren damit konfrontiert waren.

Die Friedrich-Wolf-Gesellschaft übergibt Täve Schur einen 150 Euro-Scheck für den Erhalt des Friedensfahrtmuseums in Kleinmühlingen.


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