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So bleiben Sie fit im Kopf

"Dieses Argument lasse ich nicht gelten", sagt Nicola Möhring, Gedächtnistrainerin aus München. Auch Demenzexperte Dr. Martin Haupt, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und Gerontopsychotherapie, sagt: "Das Gedächtnis lässt sich auch im Alter erfolgreich trainieren. Kognitives Training macht das Gehirn robust gegenüber Abbau."

Denkroutine vermeiden

Beim Gedächtnistraining geht es darum, das Gehirn abwechslungsreich zu fordern und damit zu fördern. Besonders eine Kombination aus körperlicher Bewegung und Gedächtnisübung setzen im Kopf neue Impulse. Das trainiert das Arbeitsgedächtnis.

"Durch Wiederholung automatisiert man Denkabläufe - beim Vokabellernen ist das sinnvoll. Beim Gedächtnistraining aber nicht. Hier soll das Gehirn dazu angeregt werden, flexibel zu reagieren und neue Verzweigungen zu den Nervenzellen aufbauen", sagt Möhring. "Um geistig rege zu bleiben, ist deshalb Routine nicht förderlich."

Zeitungsrätsel bringen wenig

Routine, die immer gleiche Anforderung an den Geist - das ist auch bei Sudokus und Kreuzworträtseln so. Deshalb betrachten der Demenzexperte Haupt und die Gedächtnistrainerin Möhring solche Rätsel kritisch. Sie reichen nicht als Hirntraining."Wer täglich Kreuzworträtsel löst, kann nicht erwarten, seine Gehirnleistung damit zu stabilisieren", sagt Haupt.

"Statt Denkroutinen zu folgen, sollte man neue Herausforderungen bewältigen", meint auch Möhring. In ihren Kursen, die sie auch in der Seniorenbörse in München gibt, bekommen die Teilnehmer kleine Hausaufgaben, die sie bis zum nächsten Treffen üben können.

"Jeden Tag 10 bis 15 Minuten sein Gehirn zu aktivieren ist im Alter ideal", sagt Haupt. "Nach zwei bis drei Monaten greift das Training, das zeigen auch Studien zu diesem Thema", so der Experte, "die Teilnehmer gehen wieder aufmerksamer durch den Alltag."

Gehirn auch im Alter wandelbar

Was viele nicht wissen: Auch im Alter kann das Gehirn seine Leistung steigern. Die Nervenzellen im Kopf können sich neu verschalten und verzweigen, um einströmende Informationen besser zu verarbeiten. Experten bezeichnen diese Anpassungsfähigkeit als Plastizität - also Formbarkeit.

Ein gut verschaltetes Gehirn wirkt sich sogar positiv auf mögliche Demenzerkrankungen aus. "Je mehr Verzweigungen man hat, desto länger dauert es, bis eine Demenzerkrankung Symptome im Gehirn verursacht", erklärt Haupt.

Die wertvolle Plastizität fördert regelmäßiges Training. "Gehirntraining kann über Ergotherapie stattfinden," sagt Haupt. Doch so gezielt muss die Hirnarbeit oft gar nicht ablaufen. Hirntraining könne auch bedeuten, sich im Alltag beständig zu informieren, Wissen zu vertiefen und nachzulesen, beschreibt Haupt. Das Interesse, die intensive geistige Auseinandersetzung mit einer Materie sowie die Unterhaltung mit anderen, sind wichtige Bestandteile, um den Kopf fit zu halten.

Brille und Hörgerät tragen

Am besten ist es, nicht nur das Denkorgan zu mobilisieren, sondern den ganzen Körper. Der Grund: Wer körperlich fit ist, hat deutlich größere Chancen, auch geistig lange fit zu bleiben. "Körperliche Bewegung sorgt unter anderem für eine gute Sauerstoffversorgung des Gehirns und damit für einen funktionierenden Gehirnstoffwechsel", erklärt Gehirntrainerin Möhring.

Darüber hinaus regen vielfältige Sinneswahrnehmungen über Augen und Gehör das Gehirn sehr gut an. Deshalb ist es wichtig, dass die Sinne gut funktionieren. Dazu ist es unter anderem nötig, seine Brille oder seine Hörgeräte regelmäßig zu tragen. "Vernachlässigt man dagegen seine Sinnesorgane", erläutert Möhring, "wirkt sich das negativ auf das Kurzzeitgedächtnis aus. Denkprozesse werden dann unzureichend angeregt."

Lust auf Neues

Wer im Alter seinen Alltag aktiv gestaltet, tut sehr viel für sein Gedächtnis: Sich verabreden, Unternehmungen planen, und Bekannte einladen erfordert ein hohes Maß an Planungsvermögen und kognitiven Fähigkeiten. Eine besonders gute Ergänzung ist es, beständig neugierig zu bleiben, Lust auf Neues zu haben. Im Ruhestand noch ein Instrument erlernen oder eine neue Sprache? Experten empfehlen, solche Dinge zu tun. Dabei geht es nicht darum, Perfektion zu erreichen, sondern dem Gehirn neue Reize zu bieten.

Freilich gibt es Hürden: "Viele Senioren trauen sich das nicht mehr zu, sie haben das Selbstvertrauen ins Denken verloren", so die Erfahrung von Möhring. Die Gedächtnisleistung ist für ältere Menschen ein sehr sensibles Thema. Viele schämen sich, wenn ihnen bewusst wird, dass ihr Gedächtnis sie zunehmend im Stich lässt.

Demenz: Frühe Behandlung lohnt sich

Im schlimmsten Fall steckt hinter der "Vergesslichkeit" tatsächlich eine fortschreitende Demenzerkrankung. Dann werden Verknüpfungen im Gehirn unwiederbringlich zerstört. Doch selbst in dieser Situation lohnt es sich, seinen Geist zu fordern. In frühen Stadien kann das dazu beitragen, eine Verschlechterung des geistigen Zustands unter Umständen abzubremsen.

"Gehirntraining ist gut geeignet, um eine leichte Demenz zu stabilisieren und die Gehirnleistung zu verbessern", erklärt Demenzexperte Haupt. "Mit einer Kombination aus medikamentöser Behandlung, regelmäßigem Gehirntraining, körperlicher Bewegung und ausreichend Flüssigkeitsaufnahme am Tag können Betroffene gegen das Fortschreiten der Krankheit ankämpfen", sagt er.

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