Caitlin Doughty ist Autorin und Bestatterin. Sie sagt, wir sollten uns mehr mit dem Sterben beschäftigen
Man erreiche sie „im seuchegeplagten Los Angeles", sagt Caitlin Doughty in die Kamera. Die 36-jährige lebt dort und leitet ein Bestattungsinstitut. Im Interview, das sie in ihrer Wohnung auf dem Sofa sitzend gibt, sagt sie nicht „von uns gegangen" oder „friedlich eingeschlafen", sondern „gestorben". In Bezug auf den Tod, so lässt sich ihre Philosophie zusammenfassen, ist ehrlich reden besser als schönreden.
der Freitag: Frau Doughty, als Chefin eines Bestattungsinstituts sind Sie den ganzen Tag vom Tod umgeben. Stumpft man da ab? Wann hat Sie zuletzt etwas, das mit dem Tod zu tun hat, bewegt?
Caitlin Doughty: Gestern. Weil ich mir da erst richtig klargemacht habe, wie viele Menschen momentan das Gefühl haben, dass ihr Leben auf Eis liegt.
Wegen Corona?
Ja. Um dem Tod gelassen entgegenzublicken, müssen wir aktiv unser Leben leben. Wenn man keine Freunde und Verwandte sehen kann, nicht reisen, nichts erleben, kann das zu einer tiefen Angst vor dem Tod oder zumindest zu bleibenden psychischen Schäden führen. Wir wissen jetzt schon, dass in den USA die Suizidzahlen gestiegen sind. Dieser Schmerz ist leider hausgemacht.
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der Freitag, 17. September 2020.