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Der singende Busfahrer | Forum - Das Wochenmagazin

Der gebürtige Ghanaer Saliah Razak alias Sally Goldenboy ist in Salzburg als musikalischer Oberleitungs-Busfahrer bekannt, gründete in seiner alten Heimat ein Schul- und Ausbildungsprojekt für Kinder und wurde 2018 zum ersten Mister Integration in Salzburg gekürt.

Jetzt kommt der Schwarze", hörte er jemanden sagen, als er bei seiner ersten Fahrt den Bus von einem Kollegen übernahm. Spontan drehte er sich um und fragte die Fahrgäste: „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?" Da lachten alle und das Eis war gebrochen. Der Anfang als O-Busfahrer war schwer für Sally. So mancher Fahrgast konnte es nicht fassen, dass ein Afrikaner einen öffentlichen Bus durch die Mozartstadt lenkte. Einige reagierten unfreundlich, andere machten abfällige Bemerkungen. Irgendwann fing Sally an, beim Busfahren zu singen und merkte, dass er damit gute Laune verbreitete, vor allem, wenn sein O-Bus im Stau stand. Heute, zwölf Jahre später, ist er so beliebt, dass Fahrgäste einen Bus passieren lassen und lieber zehn Minuten länger warten, um mit Sally mitfahren zu können. „Manche rufen sogar in der Firma an und fragen, wo ich bin, welche Linie ich fahre. Für meine Kollegen ist es etwas nervig, wenn die Fahrgäste fragen: Wo ist Sally?", sagt der 59-Jährige lachend.

Gründete Hilfsverein in Ghana

Die Salzburger Fahrgast-Community kennt ihren singenden O-Busfahrer eher als Sally Goldenboy als unter seinem richtigen Namen Saliah Razak. Den Spitznamen haben ihm seine Eltern verpasst. „In Ghana gab es früher einen Fußballspieler, den alle Golden Boy nannten. Und da ich als Kind in jeder freien Minute gekickt habe, wurde ich zum Golden Boy. Sally hat mich meine Mutter immer gerufen", erzählt er.

Saliah Razak alias Sally Goldenboy - Foto: Cornelia Lohs

Sally, der längst österreichischer Staatsbürger ist, kam 1991 als politischer Flüchtling in die Alpenrepublik. Da er in seinem gelernten Beruf als Elektriker nicht Fuß fassen konnte, machte er den Lkw-Führerschein, fuhr ein paar Jahre Lkw, aber so allein in der Fahrerkabine zu sitzen war für ihn, der gern unter Menschen ist, nicht das Richtige. So bewarb er sich als O-Busfahrer bei der Salzburger Verkehrsbetriebe AG, wurde eingestellt und lenkt seitdem den Bus durch das Verkehrschaos der Mozartstadt. Und singt dabei bisweilen Lieder wie „Dahoam is Dahoam" und in der Vorweihnachtszeit „O du Fröhliche".

Er nahm seine Lieder auf CD auf und träumte davon, von dem Verkaufserlös in seiner alten Heimat Nsoatre im Westen Ghanas ein Kinderheim zu bauen. Es blieb kein Traum. Er suchte von Salzburg aus nach einem passenden Grundstück, fand eines für umgerechnet 20.000 Euro, nahm für den Kauf bei der Bank einen Kredit auf und gründete den Verein für Kinderhilfe „SoriNaTu", was übersetzt: „Steh auf und flieg!" bedeutet.

„Wir haben 1.000 CDs gebrannt, um sie in Workshops, in Lokalen und im Freundeskreis zu verkaufen. Im Sommer 2010 sind wir zu viert nach Ghana geflogen und haben mit dem Fundament angefangen". Eigentlich sollte ein Kinderheim entstehen, es wurde aber eine Schule.

„In meiner Heimat gibt es so viele Kinder, die keine Schule besuchen können, weil die Eltern kein Geld für Schulgebühren und Schuluniform haben. Mittlerweile haben wir drei Häuser mit 700 Schülern und Schülerinnen", erzählt Sally. Das Kinderheim wurde bisher noch nicht als solches genutzt. Der Verein ist immer noch dabei, Gebäude zu errichten. Erst wenn alle Häuser fertig sind, kann das erste Gebäude tatsächlich als Kinderheim genutzt werden. So der Plan. Helfer und Helferinnen sind in Ghana lebende Verwandte sowie engagierte Menschen aus Österreich und Deutschland. Sie alle bringen viel Zeit, handwerkliches Können und Idealismus mit. Um die Betriebskosten und die Kosten für das Lehrpersonal abzudecken, sammelt der Verein Spenden, vergibt Patenschaften, veranstaltet Trommelworkshops und andere Events.

Corona ließ Spenden einbrechen

„Wir haben an der Schule 21 Lehrer, zehn Arbeiter und drei Busse, die täglich 700 Kinder fahren", sagt Sally. Direktor der Schule ist sein 31-jähriger Sohn. Der Unterricht ist für die Schüler kostenlos, und sie bekommen täglich eine Mahlzeit.

Es sind weitere Projekte geplant. „Wir haben mehrere Grundstücke gekauft, wir pflanzen Kakao, Cashew, Kochbananen, Yam und so viele Sachen, dass wir uns selbst versorgen können" erzählt Sally und fügt hinzu: „Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche in Ghana eine Zukunftsperspektive haben, damit sie nicht mit falschen Hoffnungen nach Europa aufbrechen. Niemand sollte aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlassen müssen. Nur Hilfe vor Ort kann so etwas verhindern - Bildung ist so wichtig. In Ghana haben wir Gold, Diamanten und Öl, aber trotzdem sind wir arm. Die wenigen Menschen, die in Ghana über Bildung verfügen, beherrschen alles. Das muss sich ändern!", so Sally.

Voriges Jahr wurde mit dem Bau einer Lehrwerkstätte begonnen, in der junge Menschen eine Ausbildung zum Tischler, Maurer oder Schneider machen können. Wegen Corona steht nun alles still. Die Schule ist derzeit geschlossen. Die Spenden sind eingebrochen, Patenschaften weggefallen, Lehrer und Arbeiter können kaum mehr bezahlt werden. „Wir kämpfen", sagt Sally und zeigt sich optimistisch, dass es irgendwie weitergehen wird.

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