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FINE LISTENING

Der Hype um die Vinylschallplatte hält weiter an. Damit eröffnen sich für die Gastronomie ganz neue – alte – Möglichkeiten


Weltweit sind die Umsätze mit Vinylschallplatten erneut gestiegen, meldet der Bundesverband Musikindustrie. Rund 17 Prozent betrug das Wachstum allein in der ersten Hälfte des letzten Jahres. Der Aufwärtstrend dauert bereits seit über einer Dekade an. In den USA haben sich in dieser Zeit die Absatzzahlen nach Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen verzehnfacht. In Deutschland machten die Umsätze zuletzt 30 Prozent der Gesamteinnahmen der Musikbranche aus – und das, nachdem die Schallplatte in den 1990ern fast vollständig von der CD verdrängt worden war.

Vinyl gilt heute als Statement, cool, authentisch, steht für Qualität und Individualität – im Gegensatz zu beliebig klingenden, algorithmusgesteuerten Spotify-Playlisten, denen man jetzt seit fast 20 Jahren z.B. bei einem Gastronomiebesuch ausgesetzt war. Mittlerweile werden nicht nur Privathaushalte, sondern auch immer mehr Bars mit High-End-HiFi-Anlagen und sorgfältig kuratierten Plattensammlungen ausgestattet. Das Vorbild liefert das Konzept der japanischen Jazz-Kissas, das vor knapp hundert Jahren entstand: Coffeeshops, in denen zunächst Schellack, später Vinyl gespielt wurde, oft teuer importierte Jazzalben, deren Genuss sich so jeder leisten konnte. „Schallplatten haben einen warmen, dreidimensionalen Klang, mit Höhen und Tiefen, der mit seinen Überraschungsmomenten direkt zu einem spricht. Musik auf diese Weise bewusst wahrzunehmen, bei gedämmtem Licht, in entspannter Atmosphäre mit anderen Gästen, während man sonst meist nur noch elektronisch miteinander kommuniziert – das finden viele gerade seit der Corona-Pandemie besser als einen Clubbesuch“, sagt Wolfgang Götz, der in München die Blues-Bar „Zum Wolf“ betreibt.

Branchen-Insider sehen zwar bereits das Ende des Hypes und eine Sättigung des Markts nahe. Jedoch könnte die steigende Anzahl an Vinyl-Bars und neuerdings sogar -Restaurants die Nachfrage noch eine Weile aufrechterhalten. Der renommierte amerikanische Küchenchef Sean Brock etwa eröffnete kürzlich in Nashville die „Hifi Bar Continental“, in der er selbst wahlweise am Herd oder am Plattenteller steht. In Berlin gibt es mit dem neuen „Café Frieda“ ein weiteres Beispiel, das Fine Dining mit Musik verbindet. Und die Izakaya „Tokyo Record Bar“ in New York hat ein eigenes Vinyl-Menü, aus dem der Gast selbst den passenden Song zum jeweiligen Gang wählen kann. Das wiederum erinnert an ein Konzept, dem wohlmöglich das nächste Revival blüht: Die Nachfrage nach Jukeboxen ist Herstellern zufolge in den letzten Jahren ebenfalls stark angestiegen.