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Review

COFFEE AND CIGARETTES

Dass sich Jim Jarmusch gerne mit blauem Dunst umgibt, ist spätestens seit seinem Auftritt im Tabakgeschäft von Harvey Keitel in Wayne Wangs “Smoke”-Sequel “Blue in the Face” bekannt. Davor hatte die Ikone des New Yorker Indiefilms bereits drei Kurzfilme unter dem Motto “Coffee and Cigarettes” gedreht; mit dem dritten gewann er bei den Filmfestspielen von Cannes 1993 den Kurzfilmpreis. Zu den drei in strengem Schwarz-Weiß gedrehten Episoden fügte Jarmusch nach gleichem Muster in den letzten Jahren weitere acht hinzu: Darin treffen sich jeweils zwei bis drei Figuren in Bar, Kneipe, Diner, rauchen und trinken Kaffee, was das Zeug hält, und fabulieren dabei lässig über mal mehr mal weniger existenzielle Dinge des Lebens und über das Laster an sich.

“Coffee and Cigarettes” ist die schwarzweiß gefilterte Essenz des Schaffens von Jarmusch, in dem Haltung, Look und Attitüde stets Handlung und Kohärenz übergeordnet sind. “Coffee and Cigarettes” ist kein Episoden-Spielfilm, der einen Zusammenhang zwischen seinen Szenen erforderlich macht, aber beiläufig formelle Muster und Gesprächsthemen wiederholt, jedoch tatsächlich seine einzelnen Vignetten lediglich chronologisch in der Reihenfolge der Produktion zwischen 1986 und 2003 abspult. Nur anhand der Bildqualität mag man hier auf das Herstellungsjahr der Filme schließen, die zeitlos und sophisticated sind, sich dabei mit ihren Settings, Figuren und Dialogen im Jarmusch-Universum bewegen, das von coolen Typen bewohnt wird, denen man ob ihrer Lässigkeit und leichten Verrücktheiten selbst beim Schweigen gerne zusieht. Wenn sie nicht gerade über die Vor- und Nachteile von Genussmitteln, Nikotin am Stil oder Koffein als Insektizid reden oder sich darüber lustig machen, dass Kaffee und Zigaretten als ungesund gelten, während Jarmuschs jeweilige Partner hinter der Kamera - unter anderem Tom DeCillo, Robby Muller, Ellen Kuras - von oben herab auf Kaffeetassen, Aschenbecher und karierte Tischtücher blicken.
 
Jedem der sich selbst spielenden Stars verpasst Jarmusch die Umgebung, die dessen Charakter unterstreicht: In der ersten, ursprünglich als “Saturday Night Live”-Sketch gedrehten Episode von 1986, stürzt ein hypernervöser Roberto Benigni vor bröckelndem Putz zittrig den vierten Espresso hinunter; die Italogangster-Veteranen Joe Rigano und Vinny Vella (die Mafiosi aus “Ghost Dog”) hocken im pittoresken Little-Italy-Restaurant-Ambiente, Cate Blanchett und ihre (ebenfalls von Blanchett gespielte) White-Trash-Cousine in der Designer-Lounge eines Nobelhotels; Iggy Pop und Tom Waits treffen sich 1989 “Somewhere in California” in einem holzvertäfelten Roadhouse. Abgesehen vom verletzten, unschuldigen Blick von Iggy Pop, der vom Kollegen Waits ständig missverstanden wird, hinterlässt eine Episode zwischen Alfred Molina und Steve Coogan den stärksten Eindruck, wenn der sensible Molina von dem britischen “Jungstar” kaltherzig abserviert wird. Schön auch, wie Meg White ihrem White-Stripes-Partner Jack White erklärt, warum seine Konstruktion, der Luft-Transformator “Tesla-Trafo”, nicht funktionieren kann, und wie Bill Murray (Hauptdarsteller von Jarmuschs neuem Spielfilm) von den Rappern The RZA und The GZA vom Wu-Tang Clan vehement mit “Bill Murray” angesprochen wird, obwohl der doch als Kellner incognito unterwegs sein will. Andere, weniger ausformulierte Episoden gehen dagegen einfach nur in Rauchschwaden auf, wobei bei Jarmusch selbst blauer Dunst mit höchst charmanter Lakonie verfliegt. Trotz Suchtfaktor ist der Genuss dieser “Coffee und Cigarettes” unbedingt zu empfehlen.