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"Hart aber fair": Hat das Auto eine Zukunft?

Steht die Auto-Nation Deutschland vor einem Umbruch? Der Dieselskandal, Feinstaub, Staus und Umweltverschmutzung sorgen für Frust und Zweifel bei den Verbrauchern. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" prallen die unterschiedlichen Meinungen zum Thema heftig aufeinander. Es geht um Arbeitsplätze, Carsharing und die Frage, ob Auto fahren noch sexy ist.

Deutschland ohne Autos? Das gab es zuletzt während der Ölkrise in den 1970er Jahren - jedenfalls an einigen autofreien Sonntagen.

Doch die meisten Menschen in Deutschland sind in Beruf und Freizeit noch immer auf ihr Fahrzeug angewiesen. Allerdings lassen schwindende Ölreserven, die Luft- und Umweltverschmutzung und nicht zuletzt der Klimawandel an der Zukunft des Autos zweifeln.

In seiner ARD-Sendung "Hart aber fair" greift Frank Plasberg das Thema auf und fragt sich: "Muss das Auto an den Pranger?" Für den Anfang wählt der Moderator gleich ein Streitthema: Der Trend zum SUV - schließlich ist fast jedes vierte derzeit verkaufte Auto ein Geländewagen.

Streitthema SUV: "Eine Parade von Schwachköpfen"

Bei dem leidenschaftlichen Auto-Gegner Werner Schneyder hat er damit einen Nerv getroffen. "Eine Parade von Schwachköpfen", nennt Schneyder SUV-Fahrer, die zuvor in einem Einspieler zu sehen waren. Seine Begründung, warum er mit ihnen nicht ins Gespräch kommen könne: "Diese Leute vertreten eine Religion", findet er. Diese sei ihnen von der Industrie und der Politik eingeflüstert worden.

Um eine deftige Wortwahl ist der österreichische Kabarettist nie verlegen. Da könne man "vom Homo sapiens nicht mehr viel erkennen", weiß er über den täglichen Pendelverkehr zu sagen.

Als überzeugter Bahnfahrer und Mitfahrer fühlt er sich dagegen als "zivilisierter Mensch". Die deutsche Automobilindustrie sei zudem schuld, dass die Deutsche Bahn das "mieseste Unternehmen" sei.

Schließlich habe die Autoindustrie in Deutschland so viel Macht und Einfluss wie die Waffenindustrie in den USA. Und wie die Waffen würden auch die Autos hierzulande "gewisse Gerätschaften am Körper" ersetzen. Während Schneyders Worte den Moderator etwas fassungslos machen, ist das Publikum eher auf Seiten des Kabarettisten und klatscht viel, auch bei dessen Polemiken.

Dennoch hat Plasberg genug Humor, um an dieser Stelle zuzugeben, dass er selbst auch einen SUV fährt. Schließlich sei der so praktisch und biete viel Platz für die Kinder und den Hund.

Die Assoziation von Autos und Sex greift der Moderator dann aber selbst bei der Vorstellung von Lina Van de Mars auf. Die Motorsport-Moderatorin und ausgebildete KfZ-Mechanikerin soll offensichtlich die pure Leidenschaft zum heißen Gefährt in Person vertreten.

Millionen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Ganz anders hingegen Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie. Bei jeder Gelegenheit sucht er seine Zunft gegen Kritik zu verteidigen und verwahrt sich gegen politische Einflussnahme: "Wollen wir jetzt verordnen, was die Menschen zu fahren haben?"

Sein wichtigstes Argument ist natürlich: In Deutschland leben drei bis vier Millionen Menschen direkt oder indirekt von der Automobilindustrie.

Für Stefan Wenzel, derzeit noch Umweltminister in Niedersachsen, ist das jedoch kein Freifahrtschein: "So wie die Industrie im Moment agiert, setzt sie genau diese Arbeitsplätze aufs Spiel!"

Er selbst pendelt über 100 km jeden Tag mit Bus und Bahn zur Arbeit und sieht dabei den Vorteil, die Zeit während der Fahrt gut nutzen zu können.

Den Faktor Zeit sieht auch Dorothee Bär (CSU) als das wichtigste Anliegen vieler Menschen. "Unsere Aufgabe muss es sein, den Menschen jedwede Mobilität zu ermöglichen", meint sie. Dem Auto-Gegner Schneyder wirft sie vor, als Österreicher ohnehin kein Verständnis für die deutsche Autoindustrie zu haben.

Wer wie er in einer Großstadt wie Wien wohnt, könne auch viel leichter auf ein Auto verzichten als die Menschen im ländlichen Raum.

Luftverschmutzung: Feinstaub und Diesel-Skandal

Aber es sind auch die Städte, in denen die Luftverschmutzung des Autoverkehrs am deutlichsten zutage tritt: Zwar ist der Feinstaub seit Einführung der Umweltplaketten zurückgegangen, allerdings nicht der Anteil der Stickoxide. Um mögliche Gegenmaßnahmen wird auch bei Plasberg heftig diskutiert.

CSU-Politikerin Bär ist eine deutliche Gegnerin der "blauen Plaketten", die ein Verbot vieler Diesel-Fahrzeuge in den Innenstädten bedeuten würde. "Man bestraft die Falschen", meint sie und fordert "Lösungen, die nicht auf Verboten basieren".

Grünen-Politiker Wenzel ist da anderer Meinung: "Die Anwohner haben ein Recht auf Gesundheitsschutz."

Eng mit dem Thema verbunden ist natürlich der Diesel-Skandal bei VW. Zwar gibt Autohersteller-Vertreter Wissmann zu, dass Fehler gemacht wurden und beteuert: "Die haben ihre Lektion verdammt gelernt!"

Von gesetzlichen Regelungen will er aber nichts wissen: "Wir brauchen Wettbewerb, keine Quoten." Auch Einschränkungen gegen Diesel-Fahrzeuge lehnt er mit Verweis auf die CO2-Bilanz gegenüber Benzinern ab.

Hier schreitet aber Frank Plasberg ein und vermutet, dass der wahre Grund für Wissmanns Widerstand gegen Plaketten und Fahrverbote ein Schutz vor möglichen Forderungen gegen die Autoindustrie sei. Schließlich hat sie das Problem verschuldet.

Wissmanns lascher Einwurf, dass die Hersteller immerhin kostenlose Softwareupdates anböten, wiegelt Plasberg ab: "Das mindert aber nicht den Wertverlust meines Fahrzeugs!"

Auch auf die Frage, ob sich deutsche Kunden im Vergleich zu den Entschädigungen für die amerikanischen nicht als Kunden zweiter Klasse fühlen könnten, antwortet Wissmann wenig sensibel: In den USA gelte schließlich unterschiedliches Recht. Ob sich davon die geprellte Kundschaft hierzulande ernst genommen fühlt?

Elektromobilität und Digitalisierung: Kann Deutschland in Zukunft mithalten?

Von Freude am Fahren und großer Freiheit kann in Deutschland zudem gar nicht so oft die Rede sein: Die Zahl der Staus hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland stark erhöht, nicht nur wegen vieler Baustellen, sondern auch weil die Fahrer oft allein im Auto sitzen.

Das Konzept Carsharing könnte auf Dauer funktionieren, das glauben alle in der Runde. Ein Gast im Studio rechnet vor, wie er die laufenden Kosten seines Privatautos reduziert: Anstatt das Auto ungenutzt in der Garage zu lassen, nimmt er Geld durch dessen Vermietung ein, wenn er es selbst nicht braucht. Der Verwaltungsaufwand sei gering, die Risiken seien durch den Anbieter abgedeckt.

Auch CSU-Politikerin Bär preist die Segen der Digitalisierung: "Bald gibt es keine Staus und keine Parkplatzsuche mehr!", verspricht sie kühn und erzeugt damit ein Raunen im Publikum. "Ich werde es noch erleben, da bin ich mir sicher."

Von der Zukunftsfestigkeit der deutschen Autobauer ist der Grünen-Politiker Wenzel weniger überzeugt. Deutschland verpasse die Entwicklung in der Elektromobilität, während sie in China, Japan oder Kalifornien voranpresche, warnt er. Auch nehme das Interesse am Auto ab: "Bei den jungen Menschen ist der erste Wunsch kein Auto, sondern ein Smartphone."

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