Am selben Wochenende an dem auf dem Mittelmeer 800 Flüchtlinge starben, eröffnete in Kopenhagen CAMP - ein neuer Raum der Kunst und Politik über das Thema Flüchtlinge vereint. Die erste Ausstellung zeigt: Es geht um mehr als Alibi-Gutmenschentum. Ein wichtiger Aspekt jedoch fehlt.
von Clemens Bomsdorf, Kopenhagen
Ein Doppelstockbett aus rotem Metall, dessen oberer Teil auseinandergenommen unter dem unteren verstaut wurde, zwei auf die Seite gelegte und gestapelte Schließschränke wie man sie in Umkleidekabinen findet, ein simpler Tisch mit zwei Stühlen - Nermin Durakovics Kunstwerk "(Re)Arranging" zeigt das Mobiliar eines typischen Zimmers in einem dänischen Asylbewerberheim. Nur eben neu arrangiert.
"Die Bewohner in Asylzentren bekommen standardisierte Möbel. Um sich etwas persönlicher einzurichten, bauen sie um und machen aus dem Doppelstockbett ein Sofa und aus den Schränken eine Bank", sagt Durakovic. Er möchte mit seiner Arbeit den Besuchern die Wirklichkeit von Asylanten nahebringen. "Es ist das eine, in der Zeitung zu lesen, dass wir angeblich niemanden mehr aufnehmen können, aber es ist etwas anderes, solch ein Zimmer dreidimensional zu erleben", so Durakovic.
Visuell statt rational
Seine Arbeit "(Re)Arranging" steht im Zentrum von "Lejrliv" (Dänisch für Lagerleben), der ersten Ausstellung im neugegründeten Center for Art on Migration Policy, kurz CAMP, in Kopenhagen. In dem aus nur zwei Räumen bestehenden Ausstellungsort soll die Flüchtlingspolitik nicht noch einmal in Worten diskutiert, sondern visuell und weniger rational thematisieren werden.
"Ich glaube daran, dass Kunst Veränderung schaffen kann", sagt Tone Olaf Nielsen, die die Ausstellung als Mitglied des Kuratorenduos "Kuratorisk Aktion" organisiert hat. Sie möchte Besuchern einen Einblick in den Alltag von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern geben und so für Verständnis werben. CAMP wurde ausgerechnet am Freitag vor jenem Wochenende eröffnet, an dem im Mittelmeer vor der italienischen Küste rund 800 Bootsflüchtlinge starben.
Zur Vernissage gab es eine ganz besondere Modeschau. Dady de Maximo kleidete Flüchtlinge und andere Freiwillige ein und ließ sie über den Catwalk stolzieren. Als Kleidung trugen die einen orangene Rettungswesten, ihre Hände waren in Handschellen gelegt und sie hielten Stacheldrahtrollen, andere hatten Kleider aus Säcken, die das UN Flüchtlingshilfswerk UNHCR nutzt.
Mit seiner Arbeit "If the Sea Could Talk" möchte de Maximo allen Ertrunkenen sowie Überlebenden eine Stimme geben und zeigen, dass auch sie in Würde gehen können - selbst wenn ihr einzig Hab und Gut Rettungswesten oder Hilfsgüter ist. Für Hansen ist diese schicke Präsentation von Flüchtlingsschicksalen kein Zynismus, sondern der Weg, ein breites Publikum zu erreichen. Dänische Medien hätten sich für die Modeschau besonders interessiert. Außerdem sei sie leichter zu vermitteln als etwa Durakovics Werk.
Der Kuratorin gefällt besonders die Fotoserie "The Unseen Road to Asylum" gut, eine Arbeit von Barat Ali Batoor. Auf den Bildern ist zu sehen, wie Flüchtlinge eingepfercht in einem Boot stehen oder wie sie ihre Rettungswesten nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Auch die Bezahlung der Schleuser wird abgebildet. Batoor sagt, er habe seine eigene Flucht dokumentiert.
Alle in CAMP ausgestellten Arbeiten stammen von professionellen Künstlern, die meisten von ihnen sind selber aus ihrer Heimat geflohen. "Sie können sich mit dem Thema natürlich ganz anders auseinandersetzen", sagt Hansen. CAMP ist an "Trampolinhuset" (das Trampolinhaus) angegliedert, ein Treffpunkt, der Kopenhagener, Flüchtlinge und Asylsuchende zusammenbringt. Auch im Trampolinhaus gäbe es Leute, die in solchen Booten gesessen hätten, so Hansen. Die Bilder würden sie ermutigen, ihre eigene Geschichte zu erzählen. "Die Fotos und solche erzählten Geschichten ermöglichen dann anderen Besuchern sich einen Eindruck von den Bedingungen der Flucht zu machen", sagt Hansen.
In den Hintergund rückt bei der Medienberichterstattung häufig, dass die Flucht und das Leben in den Asylbewerberheimen für Frauen ganz anders ist als für Männer. Deshalb haben die Künstlerinnen Nanna Katrine Hansen und Blake Shaw mit weiblichen Flüchtlingen ein Guerilla-Radio geschaffen. An den Wänden von CAMP hängen kleine Transistorradios, die jeweils mit einem eigenen Sender verbunden sind. Über Kopfhörer ist von den Erfahrungen der Frauen zu hören, etwa üer die Unsicherheit, in einer von Männern dominierten Institution zu leben.
Auch Homophobie ist ein Thema innerhalb der Flüchtlingsunterkünfte: Neben der Freude über die Flucht aus ihrer kriegerischen Heimat, besteht also selbst danach noch die Angst vor Stigmatisierung. Schwule und Lesben haben es schwerer, so ein Flüchtling. Sie müssen ihre Neigungen häufig verstecken. Das wird in CAMP aber leider nicht thematisiert.
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