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Strandurlaub in Italien: Und abends dann die Meeresmüdigkeit

Ach, Italien! Es gibt kaum einen schöneren Seufzer, um unserer ewigen Sehnsucht nach mehr Lebensfreude und Genuss Ausdruck zu verleihen. Unsere Sommerkolumne nimmt Sie mit auf die Reise.

Il Trenino: Mit dem alten Fiat Punto fahren wir vor auf dem staubigen Parkplatz des Lido. Fenster runterkurbeln, ein Junge fragt: scoperto o coperto? Wer jetzt einen Euro mehr bezahlt, bekommt ein schattiges Plätzchen für sein Auto. Ergibt für uns aber keinen Sinn, denn der klimaanlagenlose Fiat ist sowieso zur finnischen Sauna geworden, wenn wir in neun Stunden zu ihm zurückkommen. Scoperto, grazie! Der Junge nickt, reißt einen gelben Zettel vom Block und reicht ihn durchs Fenster. Hochkurbeln. Jetzt muss alles schnell gehen, der Trenino wartet schon.

Strandtage sind selten. Monatelang sehnen wir uns nach ihnen und dann sind sie da und wir viel zu aufgeregt. Haben wir alles dabei? Genießen wir auch genug? Es sind die wenigen Tage, an die wir uns in Monaten zurückerinnern werden. Sie verlaufen in etwa so:

Kofferraum auf, Schuhe wechseln, Taschen raus, Kühlbox raus, Beachtennisschläger raus ( Mannaggia, verdammt, wo ist der dazugehörige Ball? Es folgt eine mehrere Minuten andauernde Suche, bis er hinterm Fahrersitz gefunden wird). Ein Sprint und der kleine blaue Zug auf Reifen fährt auch schon los, direzione: mare. Fenster und Türen hat er nicht, durch die Öffnungen zieht eine Brise.

Es geht durch den Pinienwald, bubummm, bubummm. Wer steht, stößt sich den Kopf. Denn wenn die Wurzeln der Bäume den Asphalt der Straßen Roms zersprengen, dann werden sie ja wohl auch diesen sandigen Boden grob holprig machen können. Grillen zirpen, süßer Pinienduft umweht die Nase. Bis der Trenino hält und das Hintergrundgeräusch der nächsten Stunden allmählich lauter wird, die Wellen des Meeres.

Spiaggia, mattina: Wir bezahlen einen Sonnenschirm, Liegen und Liegestühle. Natürlich kaufen wir die Gazzetta dello Sport. Wir legen ab, rennen ins Wasser. Klar. Zurück auf die Liegen. Lesen. Transfergerüchte, wer gewinnt den nächsten Scudetto, die italienische Meisterschaft? Wir pumpen die Luftmatratze auf. Wir sind Profis, haben ein kleines Seil dabei, binden ein Ende an einen Fuß, das andere Ende befestigen wir an der Boje, die bei der Sandbank hin und her schwappt. Wir legen uns auf die Matratze, schwappen auch, schlafen ein. Bis die Haut brennt und wir vor Schreck von der Matratze ins Wasser fallen.

La pineta: Gleich eins,der Magen knurrt. Die meisten gehen jetzt in die Strandbar, dort gibt es Risotto, Pizzette, Calzoni, Arancini. Wir gehen in die pineta, wo Pinien seit Jahrhunderten das spenden, was wir suchen: Schatten. Nur ein T-Shirt weht noch an unserem gelb-blauen ombrellone, den Rest schleppen wir mit. A dopo.

Die pineta ist der eigentliche Star am italienischen Strand. Hier, unter den Bäumen, ist es kühl genug zum Kauen. Hier wird die Kühlbox wichtig. Darin: die mehrere Tage im Eisschrank gelegene, völlig verformte Eisflasche. Die morgens noch schnell gemachten Panini mit Mortadella und Käse. Die Pasta al forno, die unsere ältere Nachbarin kurz vor Abfahrt unaufgefordert zum Auto gebracht hat, weil sie wusste, dass wir sie jetzt brauchen werden. Sapschige Pfirsiche, ein paar Scheiben Wassermelone. Si mangia!

Fast zwei Uhr schon, die Menschen sitzen in ihren mitgebrachten Strandstühlen oder liegen auf Strandtüchern. Die Füße auf den Rinden. Einige spielen Scopa, ein Kartenspiel, Grillen zirpen, die Pinien duften immer noch. Es dauert nicht lange, bis sie alle nacheinander im Stuhl einsacken. Ich denke kurz an den deutschen Ostseestrand, den Sand mit den Muscheln, das Grünzeug im Meer und die Dünen dort. Stehen da gar keine Bäume? Egal, völlig andere Stimmung, unvergleichbar. Tage am italienischen Meer sind vor allem eins: unübersetzbar.

Spiaggia, pomeriggio: Wir haben es geschafft, haben verdaut, sind zurück am Strand. Jetzt ist da nur noch dieser Ball, dieser eine Ball, den Millionen Kinder in kennen, orange, mit der Aufschrift "Super Santos". Er wird am Strand verkauft, für fünf Euro. Wer verhandelt, kriegt ihn für weniger. Jeden Sommer wird er neu gekauft, denn irgendwann im Winter geht die Luft raus oder jemand schießt ihn auf ein Dach. Hier am Strand wird aus einem normalen italienischen Kind Gianluigi Donnarumma, der ausnahmsweise nicht das Tor von Paris Saint-Germain hütet, sondern das Mittelmeer. Vier Uhr: Ein caffè auf Eis, diesmal an der Strandbar, es läuft der Sommerhit. Daneben ein Spielplatz, Kinder klettern, springen Trampolin. Danach noch ein ghiacciolo, Wassereis.

Buonanotte: Wir schleppen schon wieder, fast 19 Uhr. Die Taschen und die leere Kühlbox zurück zum Trenino, der uns zum Parkplatz fährt, bubummm, bubummm. Ich stoße mir den Kopf. Dann den Fiat lüften, bringt nix. Als Kind schlief ich ein, da waren wir noch gar nicht vom staubigen Parkplatz runter. Jetzt muss ich fahren, also Schuhe wechseln. Stau, die Carabinieri kontrollieren wie immer, alle wollen nur noch schnell nach Hause, duschen, essen.

An solchen, glücklichen Strandtagen geht abends gar nichts mehr. Das macht die Meeresmüdigkeit. Vor dem Einschlafen bewegt sich das Bett noch leicht, wie vorhin, auf der Luftmatratze an der Boje. Ein Feuerwerk, in irgendeinem Dorf ist wieder ein Fest. Strandtage sind zu selten. Die Haut zieht, es riecht nach Pinien.

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