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Gastronomie im Lockdown: "Ey komm, wir machen das jetzt"

An einem Mittwoch Mitte Februar, als die Medien über eine neuartige Lungenkrankheit und insgesamt 16 bekannte Corona-Fälle in Deutschland berichten, eröffnet in Hamburg das Marta. Unweit des Bahnhofs Altona, am Spritzenplatz, mitten im ehemals schmuddeligen und heute durchgentrifizierten Viertel Ottensen. In einem kleinen, alten, baufälligen Haus, in dem die gelblich schimmernden Fenster mit Wasserträgern verziert sind und Treppenstufen knarzen, wenn man auf sie tritt. Auf dem großen Fenster zum Platz hin klebt das Logo, zwei Reiher, der eine putzt dem anderen das Gefieder. Auf der Speisekarte, die im kleinen Klemmbrett klemmt, steht: "Das Marta wird ein Ort, an dem wir zusammenkommen, wenn wir hungrig nach Nähe sind."

Es ist Samstagabend, der 31. Oktober, das Wochenende vor den neuen Kontaktbeschränkungen, die viele in Deutschland Lockdown nennen. Am Tresen sitzen zwei und schmusen. Fast alle Tische sind belegt, es ist laut. Ein junger Mann kommt aus der Küche, er trägt eine Schürze und hat leichte Schatten um die Augen. Er setzt sich auf eine Bank zwischen zwei Tische, sieht sich um und sagt ansatzlos: "Oh Mann ey, ich könnt' die alle drücken." Der Mann heißt Frederik Pavlik und er ist einer der zwei Besitzer.

Das Marta muss schließen. Erneut. Bis zum 30. November. Wie bei vielen anderen Tausenden Restaurants, Bars und Kneipen in ganz Deutschland und Europa müssen seine Besitzer um das Überleben fürchten. Mit dem Unterschied, dass Gastronomen, deren Geschäfte gut liefen, die klug gewirtschaftet hatten und auf Rücklagen zurückgreifen können, vielleicht ein bisschen weniger Angst haben müssen. Was aber ist mit den denen, die sich noch gar nicht etablieren konnten, weil sie das sagenhafte Pech hatten, es ausgerechnet in diesem Jahr zu versuchen?

Wenn man Pavlik, 30 Jahre alt, von den meisten nur Freddy genannt, und seinen Partner Robert John Dakin, 31 Jahre alt, von den meisten nur Bobby genannt, fragt, wie es überhaupt zum Marta gekommen ist, erzählen sie es so:

Bobby: "Wir dachten schon manchmal: Lass mal was zusammen machen! Und dann saßen wir irgendwann in einer Kneipe hier, der Markt Schänke, und Freddy meinte: Mir wurde ein Laden angeboten. Wir hätten zwei Wochen Zeit, uns zu entscheiden.' Ich dachte zuerst, ne, auf gar keinen Fall, Freddy meint das bestimmt nicht ernst. Und 'ne Woche später meinte er dann so: Lass noch mal quatschen. Und ich so: Worüber willst du denn quatschen? Und er: Na über den Laden. Und ich: Ah echt, dein Ernst? Dann habe ich kurz Schiss bekommen und dachte dann aber: Was willst du verlieren, ey?"

Freddy: "Ich hätte das auch allein gemacht."

Bobby: "'Ne Woche später habe ich gesagt: Ey, komm, wir machen das jetzt."

Freddy: "Da hatte ich schon zugesagt."

Bobby kocht seit zehn Jahren. Er hat in Neuseeland gearbeitet und auf Festivals. Freddy, ebenfalls Koch, ist viel gereist, war in Tel Aviv, Wien, Kapstadt und Tokio, immer in angesehenen Küchen. Als er nach Hamburg kam, begann er in einem Restaurant, das wenig später einen Michelin-Stern bekommen sollte.

In Hamburg haben sie sich zum ersten Mal getroffen. Sie hielten Kontakt, erst sporadisch, dann regelmäßig. Sie standen zusammen hinterm Herd, sogar im Marta, nur hieß es da noch anders und gehörte ihnen nicht. Beide sagen heute, sie hätten immer daran gedacht, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Nicht so einen Instagram-Laden mit Silberbesteck und Schnickschnack, sondern etwas Bodenständiges.

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