1 subscription and 0 subscribers
Article

Freunde fürs Leben

Eine Schülercombo stand am Beginn der 60-jährigen Geschichte der Oldtime-Jazz-Band. Gründungsmitglied Werner Högel erzählt, warum es so lange gehalten hat Von Claudia Hamburger

Einmal ging ein Auftritt so richtig schief. Da wurden die Lechtown Kneeoilers höflich gebeten, die Bühne zu verlassen. Die Oldtime-Jazz-Band hatte gerade einmal zwei Stücke gespielt. „Die Gage bleibt, aber Sie können jetzt etwas essen", sagte man zu ihnen. Es muss Anfang der 1980er gewesen sein, bei einer Sitzung der MAN im frisch renovierten Zeughaus. „Das ist uns zu laut", sagte der Veranstalter. Es war das kürzeste Konzert der Band.

Werner Högel erinnert sich noch genau. „Aber das war auch das einzige Mal, dass ein Auftritt so in die Hose gegangen ist", sagt er und lacht. Gerne erzählt er diese und ähnliche Episoden aus der nun 60 Jahre alten Geschichte der Lechtown Kneeoilers. Schließlich ist diese Geschichte eng mit der seinen verknüpft. Der 80-Jährige hat die Band vor 60 Jahren mit einem Schulfreund gegründet. Damit sind die Lechtown Kneeoilers der zweitälteste Klangkörper in Augsburg, älter ist nur noch das 1865 gegründete städtische Orchester.

Von dem sind die Lechtown Kneeoilers musikalisch aber weit entfernt. Die sieben Musiker stehen für Dixieland, für swingende Jazzmusik. Sie spielen zum Beispiel Stücke von Duke Ellington oder Benny Goodman. Das Vorbild der Musiker ist der britische Jazz-Posaunist Chris Barber.

Werner Högel und sein Schulfreund Hans Ostertag gründeten zunächst eine Schülerband am Holbein-Gymnasium. „Es war ein bisschen eine Protestbewegung", sagt Högel heute. Schließlich war es kurz nach dem Krieg und es handelte sich um Musik, „die lange verpönt gewesen war". Aus der Schülerband wurde die Walt-Toots-Combo, aus dieser gingen 1956 dann die Lechtown Kneeoilers hervor. Högel an der Trompete, Ostertag an der Klarinette und Konrad Dietzel an der Posaune - ebenfalls von Anfang an dabei. Hinzu kamen vier weitere Musiker. Alle Amateure, ein Großteil Autodidakten. Die Kneeoilers waren und sind „reine Liebhaberei", wie Högel es nennt, ein Hobby. „Wie andere zum Kegeln oder zum Schafkopfspielen gegangen sind, haben wir eben Musik gemacht", sagt er. Auftritte waren zunächst gar nicht geplant. Aber mit der Zeit sprach sich die Band herum, Freunde wollten die Musiker auf der Bühne sehen, bald die Freunde von Freunden und so weiter.

Die Noten für ihre Stücke schrieb Ostertag nach Gehör auf, arrangierte sie für die einzelnen Instrumente, natürlich mit viel Raum zur Improvisation. „Auch das hat er sich selbst beigebracht", sagt Högel. 1964 legte die Musikgruppe eine Pause ein, manche der Musiker gingen studieren, andere machten eine Ausbildung. 1972 trafen sich die drei Gründungsmitglieder wieder und machten dort weiter, wo sie aufgehört hatten. Sie fanden einen neuen Mann fürs Saxofon, Dietmar „Johnny" Jahn. Der heute 78-Jährige ist auch 2016 noch dabei. In der Rhythmusgruppe gab es über die Jahre hinweg einige Wechsel.

In den 1980er Jahren unternahmen die Kneeoilers mehrere Segeltörns nach Italien und Griechenland - jeweils 14 Tage lang auf einem Schiff, die Instrumente immer mit dabei. Auch das schweißt natürlich zusammen. „Eine Freundschaft fürs Leben, fast schon wie eine Ehe", so beschreibt Högel den Geist, der in der Band herrscht. Wenn sie im Hafen anlegten, spielten sie für die Passanten.

Geprobt wird heute genauso wie in den vergangenen 60 Jahren auch: jeden Montag in einem Gartenhäuschen in Oberhausen. Dort wird geratscht, Bier getrunken und eben Musik gemacht. Das ist gleich geblieben. Geändert hat sich hingegen die Bandbesetzung. 2007 starb Hans Ostertag, der laut Högel der heimliche Bandleader war. Er hinterließ der Oldtime-Jazz-Band eine große Sammlung von Arrangements; ihr Repertoire besteht aus rund 300 Themen. Die beiden anderen Gründungsmitglieder, Werner Högel und Konrad Dietzel, mussten vor knapp einem Monat die Band verlassen -gesundheitsbedingt. Zurzeit arbeiten die Kneeoilers auch deshalb mit einigen Aushilfsmusikern. „Dadurch ändert sich bei jedem Auftritt der Sound. Das ist immer spannend, immer schön", sagt Thomas Konzmann, der seit 2000 Kontrabass in der Gruppe spielt. Trotzdem suche man nach neuen Mitspielern. Die sollten ebenso Amateure sein. Denn für die Kneeoilers spielt es keine so große Rolle, wenn ein Ton mal daneben geht. „Wir haben das immer als Hausmusik und Stammtisch betrieben", sagt Högel. Darin sieht er auch das Geheimnis des langen Bestehens der Band. „Andere Bands haben ihre Musiker ersetzt, wenn sie einen besseren gefunden haben. Das haben wir nie gemacht."

Am 20. März um 11 Uhr im Jazzclub, großes Jubiläumskonzert am 19. November im Jazzclub

Original