0 subscriptions and 0 subscribers
Article

Der vergessene Rebound-Effekt

Da war doch was letztes Jahr. Irgendwas mit Klima in Paris. Ach ja, die UN-Klimakonferenz, die im Paris-Abkommen endete, das international als Meilenstein gefeiert wurde. Das Ziel des Abkommens lautet kurzgefasst: die globale Erwärmung auf 1,5 bis maximal zwei Grad zu begrenzen. In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts soll gar ein Gleichgewicht erreicht werden zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und deren Absorption. Wenn heute die Rede von den ‚Tragfähigkeitsgrenzen des Planeten' ist, werden häufig die Treibhausgasemissionen als Hauptproblem genannt. Die Botschaft vieler Studien und Szenarien lautet: wenn wir den CO Ausstoß im Griff haben, können wir den Klimawandel kontrollieren.

Wer ist eigentlich diese Umwelt?

Ständig wird man mit Begriffen wie ‚Umweltkrise', ‚umweltfreundlich' oder ‚Umweltschutz' konfrontiert. Aber wer ist eigentlich diese Umwelt? Wenn von ‚Umwelt' die Rede ist, sind meist Erde, Wasser, Luft, Pflanzen oder Tiere gemeint. In diesem Sinne wird ‚Umwelt' häufig als Synonym von ‚Natur' verwendet. „Umwelt ist nie einfach da, sondern meist menschlich vermittelt, durch Arbeit, durch Technologie; etwa Nahrungsmittel, Kleidung, Autos, all das wird produziert", erklärt Politikwissenschaftler Ulrich Brand von der Universität Wien im Gespräch. Es sei ein romantisches Verständnis, mit Umwelt die „Natur da draußen", am besten unberührt, intakt und schön zu meinen.

Österreichs Umweltminister Andrä Rupprechter kündigte nach dem Klimagipfel in Paris an, eine Energiewende durch stärkere E-Mobilität und eine Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie auf den Weg bringen zu wollen. 1 Die Klimakrise durch technologische Entwicklung aus der Welt schaffen, grüne Effizienzsteigerungen, die nebenbei noch die Wirtschaft ankurbeln - das klingt nach Win-Win. Doch lässt sich ‚effizient' mit ‚sparsam' oder ‚nachhaltig' gleichsetzen? Tilman Santarius, Vorstandsmitglied bei , veranschaulicht: „ Germanwatch bedeutet das Absenken der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs auf einem Niveau, das in absoluten Zahlen langfristig verträglich ist. bedeutet, dass etwa eine Autofahrt oder ein Nachhaltig Effizient

Ferienflug möglichst wenig Energie verbrauchen, deshalb sagt Effizienz nichts über das absolute Niveau aus." Ein Blick in die Geschichte bestätigt, dass auch die ‚effiziente' Massenproduktion vielmehr zu einem Mehrverbrauch von Energie geführt hat. Mag sein, dass das Handy oder der Fernseher von heute energieeffizienter sind, unser Energieverbrauch hat allerdings nicht abgenommen. Ein ähnliches Phänomen stellte Willam Stanley Jevons schon 1856 in Bezug auf den Kohleverbrauch fest. Die Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Kohle führte nicht zu Einsparungen, sondern zu einem höheren Verbrauch. Diese Kausalität nennt sich Rebound-Effekt. 2

Sparsam verbrauchen?

Nachdem Frau Müller sich der Natur zuliebe ein Hybridauto gekauft hat, fährt sie viel öfter damit - auch Strecken, die sie zuvor mit dem Rad gefahren oder zu Fuß gegangen ist. Ihrem CO -Gewissen geht es jetzt besser und zusätzlich kann sie sich von dem Geld, das sie durch den geringeren Verbrauch spart, auch noch eine Reise nach Asien leisten. Wie bei dem zuvor genannten Beispiel lässt sich auch hier eine Korrelation zwischen Produktivitätssteigerung und gesteigertem Konsum erkennen. Man unterscheidet zwischen finanziellen, materiellen und psychologischen Rebound-Effekten.

Frau Müller spart durch effizientere Technologie, die weniger verbraucht, Geld, das sie an anderer Stelle durch Konsum ausgibt. Das lässt sich in die Kategorie der finanziellen Rebound-Effekte einordnen. Erleichterten Gewissens, weil das Autofahren in ihren Augen nicht mehr ganz so unverantwortlich ist wie zuvor mit ihrem alten Benzinschlucker, greift sie nun viel eher zum Autoschlüssel. So lässt sich der psychologische Rebound-Effekt erklären. Materielle Effekte beziehen sich auf den produktionsbedingten Verbrauch, der häufig nicht bedacht wird. So sind etwa E-Autos in der EU als ‚Null-Emissionsfahrzeuge' definiert. Für die Berechnung der Ökobilanz eines Autos reicht der Blick auf den Verbrauch allein nicht aus, auch die Herstellung muss, ebenso wie der Aufbau von weiteren Produktionsstätten und E-Tankstellen, mit einbezogen werden.

Effizienz ist nicht schlecht

Noch gilt das Phänomen als zu wenig erforscht und konkrete Vorschläge, wie man mit Rebound-Effekten umgehen sollte, sind marginal. Als vorläufiger Anhaltspunkt gilt, dass Effizienzmaßnahmen allerhöchstens 50 Prozent der Energieeinsparung realisieren können, die vorausgesagt wird. Im extremstem Fall, dem ‚Backfire', liegt ein Rebound-Effekt von über 100 Prozent vor. Konkret bedeutet das eine Erhöhung des Energieverbrauchs durch die Effizienzsteigerung.

Neben weiterer umfassender Forschung wird in Zukunft ein offener politischer Diskurs gefordert sein, in dem geklärt wird, ob und wie umweltpolitische Instrumente Rebounds eindämmen könnten. Ulrich Brand zufolge geht es beim Thema Effizienzsteigerung auch um grundlegende Fragen: „Vielfältige sozial-ökologische Initiativen im Hier und Jetzt sind sinnvoll und wichtig, aber eine ökologische Modernisierung des Kapitalismus wird nicht reichen, wird die grundlegenden Destruktivkräfte nicht außer Kraft setzen. Das erleben wir heute allerorten."

Leseempfehlung: Santarius, Tilman (2015): Der Rebound-Effekt. Ökonomische, psychische und soziale Herausforderungen der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung. Band 18. Marburg: Metropolis.

1 Ziegler, Elke (2015): Was das Abkommen für wen bedeutet. http://sciencev2.orf.at/stories/1765359/ (Zugriff am 02.05.2016)

2 Santarius, Tilman (2012): Der Rebound-Effekt. Über die unerwünschten Folgen der erwünschten Energieeffizienz, http://www.santarius.de/wp-content/uploads/2012/03/Der-Rebound-Effekt-2012.pdf, S.3. (Zugriff am 02.05.2016)

Original