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Verletzungen: Klubs handeln oft amateurhaft

Marco Reus ist in seiner Karriere schon häufiger von Verletzungen zurückgeworfen worden

Bundesliga-Vereine klagen vermehrt über viele Verletzte, nicht nur BVB-Trainer Thomas Tuchel ist ratlos. Dabei sind sich Experten sicher: Die Probleme sind hausgemacht.

Muskelfaserriss, Adduktorenprobleme, Muskelverhärtung: Thomas Tuchel kennt sich mit diesen Begriffen bestens aus. Der Trainer von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund kann seit Beginn der Saison wie viele seiner Kollegen nicht aus dem Vollen schöpfen, hatte zwischenzeitlich bis zu zehn verletzte Spieler zu beklagen.

Der 43-Jährige ist ratlos: "Wenn wir den einen Grund wüssten, würden wir es sofort ändern", sagte er vor dem Auswärtsspiel beim FC Ingolstadt, in dem der BVB in allerletzter Minute noch ein 3:3 holte.

"Die Häufung und Ähnlichkeit der Verletzungen sind fürchterlich. Du zweifelst an Dingen, von denen du total überzeugt bist", gestand Tuchel. Dabei gilt gerade Tuchel mit seinem sportwissenschaftlichen Hintergrund als äußerst sensibel, wenn es um Trainings- und Belastungssteuerung geht.

Bei Tuchels Amtsantritt im Sommer 2015 wurde viel über die große Ernährungsumstellung beim BVB geschrieben, auch von Schlafexperten war die Rede. Alles Einflussfaktoren, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen und Verletzungen vorzubeugen.

Bundesliga "amateurhafter, als man denkt"

Im Milliardengeschäft Fußball eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen. Philip Catalá-Lehnen, ehemaliger Mannschaftsarzt beim Hamburger SV, weiß es besser: "Es ist auch in der Bundesliga alles viel amateurhafter, als man denkt", sagte er dem "sid". Erstaunlich - vor allem da bekannt ist, dass 30 Prozent aller Verletzungen im Fußball die Muskeln betreffen, rund 90 Prozent davon passieren ohne Einwirkung des Gegners. "Muskelverletzungen sind meist die Folge von Überbelastung", unterstrich Catalá-Lehnen: "Und die Ursachen der Überbelastung sind meist schlechte Prävention oder zu viel Training."

Dabei lässt sich das leicht steuern. Bekannt sind die Laktattests zur Leistungsüberprüfung in der Saisonvorbereitung, die laut Catalá-Lehnen allerdings viel häufiger durchgeführt werden müssten. Das wollen viele Trainer aber nicht, denn: "Laktat schießt keine Tore, hört man alle fünf Minuten", sagte der Sportmediziner. "Also werden weniger Leistungsdiagnostiken gemacht, da der Spieler sonst kaputt ist und weniger trainieren kann."

Neuer Trainer, neues Konzept, neue Probleme

In den meisten Vereinen gebe es zwar Präventionsprogramme, doch oftmals nur rudimentär. Das Problem sei laut Catalá-Lehnen, dass sich bei jedem Trainerwechsel auch das Konzept ändere. Und dazu gehöre nicht bei jedem Trainer gleichermaßen Athletiktraining und Prävention.

Pep Guardiola vertrat dabei eine besonders drastische Philosophie. "Ich möchte, dass meine Spieler möglichst schnell wieder zurückkehren", sagte der ehemalige Bayern-Coach einst: "Wenn sie acht Wochen verletzt sind, am liebsten schon nach sieben Wochen. Bei vier Wochen Pause vielleicht nach drei. Das ist alles, was ich will." Dabei ist genau beim Comeback das Risiko einer Folgeverletzung am größten.

"Regeneration ist ein langwieriger Prozess"

Um einer Verletzung vorzubeugen, sind außerdem Regeneration und ausreichende Pausen nach den Wettkämpfen wichtig. "Doch wann willst du regenerieren?" fragte Catalá-Lehnen und machte auf den häufigen Mittwoch-Samstag-Rhythmus vieler Profis aufmerksam. "Du machst einen Tag Regeneration, ein bisschen Auslaufen, aber am Folgetag musst du schon wieder trainieren, weil am Tag darauf das nächste Spiel ansteht."

Viele Verletzungen sind also nicht nur ein Versäumnis der Prävention und Trainingssteuerung, sondern auch dem eng getakteten Terminkalender geschuldet. Dadurch können die Vereine schließlich nicht der Hälfte der Mannschaft zwei Tage Regeneration verordnen. Catalá-Lehnen würde einem umsichtigen Trainer wie Tuchel daher raten, geduldig zu sein: "Regeneration ist ein langwieriger Prozess."

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