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"Männerkörper werden oft als ästhetisch minderwertig angesehen"

Schultern, Münder, viel Haut - der Berliner Künstler Florian Hetz seziert in seinen Fotos den männlichen Körper. Noch immer sei maskuline Sexualität in der Welt der Fotografie unterrepräsentiert, sagt er im Interview. Und dass er das ändern will.


Wie zwei Hügel ragen beide Schulterblätter nach oben. In der Mitte zieht sich die Wirbelsäule über den Rücken und ähnelt dabei einem reißenden Fluss. Die restlichen Körperteile sind auf dem Foto nicht zu sehen - weder Kopf, noch Arme oder Hände. Dieses Heranzoomen an den menschlichen Körper ist das Markenzeichen des Künstlers Florian Hetz. So auch bei der Fotoserie "Haut", die der Berliner Fotograf erst kürzlich in Melbourne im Rahmen der Biennale im öffentlichen Raum ausgestellt hat. Selbstbild: Fotograf Florian Hetz | Bild: Florian Hetz Mit seiner Kamera nimmt er das größte Organ des Menschen unter die Lupe, um zu zeigen, dass die gängigen Farbkategorien schwarz, braun und weiß, nicht ausreichen, um die Haut zu beschreiben. Dieses Sezieren des menschlichen Körpers kommt gut an. Auf Instagram folgen Hetz fast 100.000 Menschen. Dabei war die professionelle Fotografie nicht sein Plan A. Nach Jahren der Überbelastung als Produktionsleiter beim Theater und später beim Fernsehen zwang ihn sein Körper allerdings dazu, sich neu zu orientieren. Seit 2000 lebt Hetz in Berlin.

rbb|24: Herr Hetz, in einem Interview haben Sie mal gesagt, Sie seien ein Workaholic gewesen, bevor Sie mit der Fotografie angefangen haben.

Florian Hetz: Ich habe immer gerne und viel gearbeitet; für mich war eine Sieben-Tage-Woche ganz normal. Ich habe nie gelernt, runterzufahren und mich in einer permanenten Stresssituation befunden.

Dann sind Sie an einer Enzephalitis erkrankt.

Vor der Enzephalitis war ich an Gürtelrose erkrankt - ein eindeutiges Indiz dafür, dass mein Immunsystem bereits geschwächt gewesen war. Doch anstatt auf die Bremse zu treten, habe ich beim Arbeiten noch mehr Gas gegeben. Auf den Stress hat mein Körper schließlich mit der Gehirnentzündung reagiert. Nach meinem Aufenthalt im Krankenhaus habe ich mich dazu entschieden, meinen Job aufzugeben. Ich habe danach lediglich am Wochenende in der Gastro gearbeitet. Auch wenn der Effekt der Enzephalitis dramatisch war, bin ich ihr dankbar.Ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die mir wichtig sind. Viele lernen das beiläufig; ich musste im Krankenhaus landen.


Sie haben nicht nur gelernt, Prioritäten zu setzen, sondern wegen der Erkrankung auch zur Fotografie gefunden. Wie kam es dazu?


Die Enzephalitis hat vor allem mein Kurzzeitgedächtnis, aber auch mein Langzeitgedächtnis angegriffen. Als Erinnerungsstütze habe ich angefangen, meinen Alltag zu dokumentieren; ich habe in jeder Lebenslage Fotos gemacht. Ein Foto eines sehr intimen Moments von meinem damaligen Lover und mir habe ich auf der Website Tumblr hochgeladen. Das Bild ist in sehr kurzer Zeit viral gegangen. Als das gleiche mit einem zweiten und dritten Foto passiert ist, war mir klar, dass meine ästhetische Vision was mit den Betrachtern macht. Daraufhin habe ich mir eine bessere Kamera und ein kleines LED-Licht besorgt und nach Menschen gesucht, mit denen ich die Bilderwelten kreieren konnte, die ich in meinem Kopf trage.


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