Bad Saarow. (MOZ) Die Brandenburger schlafen schlecht, die Nachfrage nach Therapien steigt. Deswegen wird es immer schwerer, ein Bett im Schlaflabor zu bekommen. Doch was passiert dort eigentlich? MOZ-Volontär Christopher Braemer hat es ausprobiert.
Es ist Nacht, der Parkplatz vor dem Krankenhaus fast leer. Vorbei an der lässigen Müdigkeit des Mannes an der Rezeption geht es an diesem späten Sonntagabend durch einen langen Flur in den linken Flügel von Helios in Bad Saarow. „Schlaflabor" steht auf der Tür, die sich automatisch öffnet. Es ist das Tor ins Reich der Träume, möchte man meinen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Ob ein guter Schlaf gelingt?
Zur Untersuchung im Schlaflabor raten Mediziner zum Beispiel bei Schnarchen mit Atemaussetzern, bei krankhafter Tagesmüdigkeit, bei Schlafwandeln oder wenn man die Ursache einer Durchschlafstörung nicht findet. Ich bin ein guter Einschläfer, würde ich behaupten - auch wenn das nicht immer so war. Durchschlafen ist auch kein Problem. Gut, ich schnarche ab und zu, das musste ich mir schon einige Male sagen lassen. Aber das Wort Schlafapnoe, wie die nächtlichen Atemaussetzer heißen, habe ich erst kurz vor diesem Selbstexperiment zum ersten Mal gehört. Mich interessiert: Was kann man gegen das Schnarchen tun? Was sind die wichtigsten Schlafprobleme? Um das zu klären, habe ich mich ins Schlaflabor gelegt.
Trotz der medizinischen Geräte und dem Krankenhaus-Flair ist der erste Eindruck von meinem Zimmer viel gemütlicher als erwartet. Ein schmales Bett mit großem Kissen, ein eigenes Bad und viel Platz stehen bereit. Zwei Pfleger - Kerstin und Mirko - empfangen mich herzlich und führen mich kurz rum.
22 Uhr: Normalerweise reist der Patient zwischen 15 und 16 Uhr an und morgens um fünf Uhr wieder ab. Als Journalist darf ich später anreisen und bis acht Uhr bleiben. Das kommt mir sehr gelegen: Ich komme aus Frankfurt angereist und schlafe für gewöhnlich erst spät ein. Ich schlafe gut, auch wenn die Arbeit bei einer Tageszeitung stressig sein kann: Überstunden, Spät- und auch mal eine Nachtschicht sind nicht ausgeschlossen. Das Auf-den-Bildschirm-Starren ist Hobby, Sucht und Berufskrankheit. Manchmal geht abends der Kopf nicht aus, man schreibt noch eine Whatsapp-Nachricht oder liest Nachrichten, die Finger können nicht still halten. Die Quittung kommt am nächsten Tag, wenn einen die Müdigkeit fast zu Boden zieht.
22.30 Uhr: Dann beginnen Kerstin und Mirko, mich komplett zu verkabeln. Dazu schmieren sie eine klebrige Paste an Brust, Beine, Kopf und Arme. „Damit die Elektroden besser halten", sagen die Pfleger. Dann legen sie richtig los: Innerhalb von ein paar Minuten ist der Kabelsalat perfekt. Dazu bekomme ich einen Brustgurt umgeschnallt, eine sogenannte Nasenbrille aufgesetzt und einen Fühler auf den Daumen gesteckt. Ich fühle mich ein bisschen wie gefangen in einem Spinnennetz und ein bisschen wie Pinocchio. Doch vorsichtige Bewegungen sind noch möglich, darauf haben die Pfleger geachtet.
22.50: „Wie soll ich so einschlafen?", frage ich mich innerlich. Auf dem Bauch zumindest nicht, warnt der Pfleger. Danach gefragt, ob ich noch mal auf die Toilette muss, reagiere ich unsicher. Sie präparieren mich so, dass es anschließend noch möglich ist. Kurz vor 23 Uhr sind sie fertig mit der Kabelei.
Ich kann es mir nicht verkneifen, das Smartphone zu zücken: Zum Vorschein kommt ein Kabelmonster. Auf dem Foto sehe ich aus wie der Hauptdarsteller eines Science-Fiction-Films. Damit meine Familie nicht denkt, dass ich einen Unfall hatte, warne ich sie vorab.
Im Schrank gegenüber kommt eine kleine Kamera zum Vorschein. „Was soll das schon wieder?" - „Wir können alle Ihre Träume sehen", witzelt Kerstin. Die CD mit den Aufnahmen, die Auffälligkeiten feststellen sollen, will sie mir anschließend zuschicken.
23 Uhr:Dann kommt der Arzt rein. Er fragt mich geduldig nach Beschwerden und Schlafgewohnheiten sowie familiären Erkrankungen. „Es gibt teilweise Patienten, die bis zu drei Minuten keine Luft holen", erklärt er. Bei der Schlafapnoe erschlafft die Zunge im Schlaf. Sie rutscht in den Rachen, der Patient bekommt keine Luft mehr. Kurz vor der Ohnmacht bildet der Körper Adrenalin. Der Patient wird wach und holt stoßartig Luft.
Das Ganze wiederholt sich immer und immer wieder. Durch den permanent dem Ersticken ausgesetzten Körper steigt der Blutdruck. „Das kann zu Herz- und Hirninfarkten führen", weiß der Arzt. Und es verhindert den Tiefschlaf. Davon braucht schließlich jeder Mensch je nach Alter dreißig Minuten bis anderthalb Stunden. Weniger kann zu Depressionen führen.
Habe ich nachts auch eine schlaffe Zunge, die in den Rachen rutscht? Die Spannung steigt. Ein Pfleger misst meinen Puls, alles im grünen Bereich. „Träumen Sie gut!", verabschiedet er sich. Ich mache es mir gemütlich.
0 Uhr: Schluss mit Lesen, das Licht muss aus. Trotz locker sitzender Kabelei fällt es mir zunächst schwer einzuschlafen, mein linker Daumen schwitzt in dem Fühler. Ich fühle mich beobachtet - aber es ist für eine gute Sache, denke ich mir. Widerwillig schlafe ich dann doch ein.
8.10 Uhr: „Guten Morgen!", weckt mich eine Stimme. Schwester Jeannine ist gut gelaunt, sie hat gerade ihre Schicht begonnen. „Das nennt man einen REM-Schlaf", sagt sie nach meiner Nacht unter Totalüberwachung. Im Klartext: Ich hätte bis eben geträumt. Auch wenn ich mich an nichts erinnern kann. „Sie haben nichts", beruhigt Schwester Jeannine mich. Nichts, das heißt weder Schlafapnoe noch Insomnia - zu Deutsch: Schlaflosigkeit. Aufatmen: Ich brauche keine Atemmaske oder eine Zahnspange, die meine Zunge davor bewahrt, in den Hals zu rutschen, reime ich mir zusammen.
8.50 Uhr: Die Schwester übersetzt das Protokoll meiner Nacht unter Totalüberwachung: Ich habe acht Stunden geschlafen, anderthalb Stunden tief. Davon fünf Stunden auf der Seite und drei auf dem Rücken. Ich habe mich 13 Mal (zwischen 20 und 60 Mal sind normal) gedreht, bin vier Mal aufgewacht, aber schnell wieder eingeschlafen. Ich habe 50 Minuten geträumt und eine Stunde geschnarcht. „Das ist ziemlich gut", meint die Schwester. Wahrscheinlich fühle ich mich deswegen so fit. Auch wenn ich damit zu einer immer seltener werdenden Spezies gehöre.
Die Kunst besteht wohl darin, ein guter Einschläfer zu bleiben - trotz Familie und Vollzeitjob. Sonst weiß ich jetzt, was mir blüht.