Arfan Hussain lebt bescheiden. Auch wenn er sich mittlerweile ein Auto leisten könnte, kommt er mit dem Fahrrad zur Arbeit. Vom ersten Gehalt hat er sich ein Mountainbike gekauft. Er hat eine kleine Wohnung im Gewerbegebiet gemietet, fünf Minuten radelt er von dort zur Arbeit.
Familie hat der 32-jährige Pakistaner noch nicht. Hussain gehört zu den knapp zwei Millionen Menschen, die seit 2013 nach Deutschland kamen. Er hat einiges hinter sich, Schleusertaxi, Sprachschule und Jobsuche. Heute ist der Lagerfacharbeiter ein wichtiges Rädchen bei Reuthers STC im brandenburgischen Fürstenwalde, einem 200-Mann-Betrieb spezialisiert auf Metallprodukte für die Energieindustrie und Kunden aus aller Welt, darunter Linde, BP und die Bundeswehr. Es ist die Geschichte eines persönlichen Erfolges.
Und es ist eine Geschichte, wie sie zigtausende Zuwanderer geschrieben haben - und immer noch schreiben. Das beweisen die Zahlen: Etwa 270.000 Menschen aus den acht wichtigsten außereuropäischen Asylherkunftsländern hatten Ende 2017 einen sozialversicherungspflichtigen Job - das sind etwa dreimal so viele wie 2014. Nicht ohne Grund; Es mangelt an Fachkräften, während die Hörsäle an den Universitäten platzen, finden Unternehmer keine Handwerker, Pflegekräfte, Metaller und Lagerarbeiter mehr. Und genau diese Lücke füllen Menschen wie Hussain.
Spurwechsel nicht vorgesehenOb und unter welchen Umständen Flüchtlinge mit Job bleiben können, ist noch unklar. Die Koalition ringt seit Monaten über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, dabei wurde auch immer wieder der Spurwechsel diskutiert. Spurwechsel - das bedeutet, dass Menschen, die Asyl beantragt haben, bei Ablehnung bleiben dürfen, wenn sie eine gute Integration, Sprachkenntnisse und vor allem einen festen Job vorweisen können.
Im Klartext: Sie wechseln die Spur aus dem Asylsystem in das Zuwanderungssystem für Arbeitskräfte. Der inzwischen bekannt gewordene Referentenentwurf für das Einwanderungsgesetz sieht diese Möglichkeit allerdings nicht vor, obwohl die Forderungen danach nicht verhallen, etwa von Seiten der Integrationsbeauftragten der Länder.
„Wir brauchen jede Hand, wenn man uns die frisch integrierten Arbeiter jetzt wegnehmen würde, dann wäre der Schaden immens", sagt auch Markus Winter, Chef der Zeitarbeitsfirma IDS Holding im süddeutschen Ettlingen mit 900 Mitarbeitern. „Die Politik muss für eine Entbürokratisierung bei der Anstellung von ausländischen Fachkräften sorgen - die Zuwanderer haben sich längst bewiesen", betont Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm und zugleich Chef eines kleinen Handwerksbetriebes.
„Die Wirtschaft braucht diese Arbeitskräfte"Winter und Krimmer hoffen auf einen Abschluss des Einwanderergesetzes noch in diesem Jahr, so auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU). „Die Gespräche sind sehr sachlich", sagt sie zur Stimmung in der Koalition. Eines ist klar: „Die Wirtschaft braucht diese Arbeitskräfte", betonte Widmann-Mauz (CDU) jüngst bei einem Treffen mit baden-württembergischen Unternehmern.
Dass die Mühe sich lohnt, zeigt der Alb-Donau Kreis. Dort stieg die Zahl der beschäftigten Zuwanderer seit 2014 um mehr als das Sechsfache. „Sie sind hochmotiviert, Stellen anzunehmen, an denen es stark mangelt", sagt Matthias Auch, Leiter der Arbeitsagentur im Raum Ulm.
Doch wie kann Arbeitsmarkt-Integration angekurbelt werden? „Am besten funktioniert es, wenn man einen Fuß im Unternehmen hat", weiß Auch. Deswegen werden viele Praktika vermittelt, sie seien die Tür zur Lehrstelle. Die Arbeitsagentur vermittelt zudem berufsbezogene Sprachförderung, Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Lager und Logistik, dazu gibt es spezielle Programme für Menschen ohne Schulabschluss. Bei Neueinstellungen von Zuwanderern wird der Arbeitgeber die erste Zeit finanziell unterstützt. Dazu wurde in Ulm eigens ein spezielles Team zur Integration von Zuwanderern eingerichtet, das „Sonderteam Flucht und Asyl".
„Ich bin froh, dass ich ihn habe"Hussain wird von seinen Kollegen geschätzt. Sein Chef, Einkaufsleiter Christian Klingelstein, lobt ihn in höchsten Tönen: „Ich kenne niemanden, der ein Problem mit ihm hat." Hussain habe immer ein Lächeln auf den Lippen, sei zuverlässig und denke voraus. „Er füllt eine wichtige Lücke in meiner Abteilung, ich bin froh, dass ich ihn habe", sagt Klingelstein über seinen Schützling.
„Früher habe ich im Heim gelebt, bin morgens aufgewacht, hatte keine Perspektive, hatte keinen Plan wie es weiter geht, Langweile und keine Erlaubnis was zu machen", sagt Arfan Hussain. „Heute fühle ich mich wie ein Mensch, ich habe gelernt, habe eine Wohnung und wache jeden Tag auf und freue mich zur Arbeit zu kommen." Hussain will neben der Arbeit weiter lernen. Er kann sich vorstellen, einen Meister zu machen oder zu studieren. Zwei Jahre darf er noch bleiben. Wie es danach weitergeht, ist offen. An der Firma soll es nicht liegen, sein Vertrag soll entfristet werden.
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