Wriezen (MOZ) Drei Gramm Tabak, zwei Zündhölzer, ein Stopfer und eine Pfeife: Die Zutaten für diesen Sport sind simpel. Doch das langsame Pfeifenrauchen ist ein knallharter Wettbewerb. Das zeigte die 46. Deutsche Meisterschaft am Sonnabend in Wriezen.
Draußen scheint die Sonne, doch die „Action" steigt in einem halbdunklen Keller. Der Mann an Tisch 4 im Wriezener Humpensaal (Märkisch-Oderland) baut seine Pfeife zusammen, klemmt zwei Streichhölzer in die Schachtel, und zerbröselt drei Gramm Tabak „Old Gowrie". Ja, er massiert ihn mit beiden Händen, bis er fein wie Staub ist, um ihn dann in den Pfeifenkopf zu stopfen.
Lokalmatador Nils Nestler - 35 Jahre alt, in Trachtenanzug und mit konzentriertem Blick - will wieder Champion werden. Der Timer auf seinem Smartphone ist aktiviert. Er drückt den Tabak nochmal mit dem Daumen fest. Er runzelt die Stirn. Dann ist der fünffache Deutsche Meister aus Wriezen zur Verteidigung seines Titels bereit.
„Feuer frei!", sagt der Schiedsrichter. Auf sein Kommando folgt ein zischendes Feuerwerk: 75 Pfeifenraucher aus ganz Deutschland zünden ein Streichholz und führen es an ihre Pfeifen. Sie ziehen, sie warten und sie zittern. Die Meisterschaft beginnt.
Mit dabei sind Pfeifenraucher aus elf Vereinen, von Cuxhaven über Köln und Würselen bei Aachen bis Nürnberg. Auch 28 Frauen treten an. Die 15 Würselener sind im Bus angereist, haben auch noch 65 Fans mitgebracht, die ordentlich Stimmung machen.
Die erste Minute: Alle starren gebannt auf ihre Pfeifenköpfe, aus denen langsam dichte Rauchwolken steigen. Ihr Ziel ist es, der Letzte zu sein, dessen Pfeife erlischt. Die Regeln sind streng. Drei Minuten bleiben zum Stopfen der Pfeife, 60 Sekunden um sie in Brand zu setzen. Alle zwei Jahre finden sogar Weltmeisterschaften statt.
Nach zehn Minuten: Die erste Pfeife ist aus. Sybille Brosinski vom Tabakskollegium Berlin verlässt geknickt den Saal. Die Luft wird langsam dünn im Keller. Leise Unterhaltungen werden immer wieder vom Husten unterbrochen. Dann darf wieder getrunken werden, sagt Haupt-Schiedsrichter Peter Speer. „Die Aufregung spielt eine Rolle, die Motivation, auch ob der Tabak nass oder langsträhnig, trocken oder bröselig ist." Um Überraschungen zu vermeiden, werde das Rauchmaterial schon drei Tage vor Wettbewerb abgewogen und anschließend luftdicht verschlossen.
Doch wie lange brennen drei Gramm Tabak? Fünf Minuten? Zehn? Gar zwanzig? Die Profis können über solche Schätzungen nur lachen. Der Weltrekord liegt bei drei Stunden und 33 Minuten, aufgestellt von einem Italiener. Der Deutsche Meister von 2017, Nils Nestler hat es auf eine Stunde und 33 Minuten gebracht. Unter Profis heißt es: Zigarettenrauchen sei wie Bier aus Plastikflaschen, die Pfeife wie ein guter Portwein.
Die zwanzigste Minute: Mit gemütlichem Paffen hat das hier wenig zu tun. Langsam rauchen ist ein Geduldsspiel - und Taktik pur. Wer zu oft zieht, dem brennt der Tabak einfach so weg. Wer zu selten zieht, bringt die Glut zum Erlöschen. Der Großvater mit Hornbrille an Tisch 7 wirkt trotzdem tiefenentspannt. Er schaut ruhig vor sich hin, während sein Nebenan immer wieder die Uhr an der Wand sucht.
Man sieht hier alle Typen von Pfeifenrauchern: Den Süddeutschen mit gepflegten Schnurrbartspitzen, den Opi mit Hornbrille und Schiebermütze, den Mann mit Pferdeschwanz, der wie ein Kunsthistoriker wirkt.
Die 50. Minute: Der Humpensaal wird immer leerer. Diejenigen, die ihren Tabak schon verpafft haben, gehen an die Bar oder raus in die Sonne. Es sind noch 28 Männer und acht Frauen dabei, darunter fünf vom Rauch- und Unterstützungsklub Warstade. Sie meinen es besonders ernst.
Nach etwas über eine Stunde steht die Siegerin bei den Frauen fest. Annegret Kowald aus Hamburg macht das Rennen. Sie hat eine Stunde, fünf Minuten und 43 Sekunden durchgehalten. „Beim letzten Mal habe ich den letzten Rang belegt, als Trostpreis gab es nur eine Packung Streichhölzer", sagt sie überglücklich.
Nach anderthalb Stunden: Nur noch einer ist übrig. Der amtierende Champion hält die Pfeife den größten Teil der Zeit in der Hand und beobachtet aufmerksam die Glut. Manchmal kratzt er Asche mit dem Stopfer raus, benutzt sogar das zweite Streichholz.
„Noch zehn Minuten", sagt er abschätzend zum Schiedsrichter. Es wird unruhig im Saal, die Ansage fragt nach einem Auto mit Berliner Kennzeichen, das im Weg steht. Doch der Mann mit der Pfeife lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er will seinen eigenen Rekord knacken. Nach einer Stunde und 43 Minuten ist es so weit: Die letzte Pfeife ist aus. Nestler ist erneut Deutschlands Bester. Sein Geheimnis würden viele gern wissen, doch er will es nicht verraten.