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Grenzenloses Floaten über die Insellandschaft: So war's beim Sziget 2015

Foto @ Chris Stein

Zum 23sten Mal treffen sich die Pfade europäischer Festival-Fans mitten in Budapest. Das Programm ist bunter als man es dieser Tage in Ungarn vermuten würde, doch auch hier ist der von der Regierung Orban geplante Grenzzaun Thema unter den Besuchern.

Budapest und seine Donauhalbinsel Óbuda verwandeln sich jedes Jahr im August zu einem Treffpunkt europäischer Festivalfans. Auf der "Insel des Friedens" entsteht dann ein wunderbarer Mix aus romantischer Märchenlandschaft, experimentellen Kunstdarbietungen und lauten Tönen. Ob Rock oder Pop, Polka oder Techno, Varieté oder Kunstshows: Grenzen sind beim Sziget verboten.

Die Hitze in diesen Tagen verschont auch die ungarische Hauptstadt nicht. Es ist der vierte Tag des Festivals erst auf der Fähre vom Donauufer zum Festival kann man den ersten Windhauch spüren. Szitizens aus ganz Europa sind an Bord - man trinkt zusammen, es wird gelacht und persönliche Tipps für den Abend werden ausgetauscht. Aber auch über die Lage in Griechenland, der Ukraine oder die Flüchtlingskrise wird diskutiert. Gerade letzteres bewegt die Einheimischen, lässt Ungarn doch unter Premierminister Orban aktuell einen Grenzzaun gegen Zuwanderung errichten.

Am Festivalufer angekommen schlängeln sich liebevoll geschmückte Wege durch die bunte Insellandschaft, die die vielen Musikbühnen und Eventareale miteinander verbinden. Bands mit Headlinerstatus sind hier auf fast jeder Stage zu finden. Wer mag, schaut sich Zirkusshows an, besucht einen Tanzworkshop, wird in der Art-Zone kreativ oder lässt sich von Gauklern entführen. Beim Sziget gibt es keinen Timetable, der einem den Weg vorgibt – was bei der großen Auswahl auch schwierig wäre. Stattdessen lassen sich die Besucher über die Insel treiben – entschieden wird spontan.

Auf der Mainstage spielen gerade die Foals, als es plötzlich einen Komplettstromausfall gibt. Die Jungs aus Oxford meistern ihn aber gekonnt und setzen ihr starkes Set schon kurz danach fort. Hinter einem grünen Hang tut sich die World Music Stage auf. Dort spielen bayerische Männer barfuß und in Lederhose Neue Volksmusik und blasen dem fröhlich von links nach rechts tanzenden Publikum euphorisch Energie entgegen. Auftritte wie der von La Brass Banda sind es, die die Besucher als große, friedlich liebende Community in Ekstase versetzen. Make Music, not War eben. Mit den New Yorker Post-Punks Interpol lassen wir uns dann in eine ganz andere Stimmung versetzen, melancholische Liebeslieder in coolem Gewand, vorgetragen von einem noch cooleren Paul Banks.

Am Freitag bleibt es heiß, sowohl mit Blick auf das Line-up als auch die Temperaturen. Auf der A38 Stage im großen Zelt spielen Gaslight Anthem eine ihrer vorerst letzten Shows. Unlängst wurde bekannt, dass sich Fallon und Co eine längere Pause gönnen wollen. Nach dem Auftritt ist diese Entscheidung noch schwerer zu verstehen. Gleich wird der Berliner DJ Marcel Dettman das Colosseum auf links ziehen und eine ordentliche Dosis Techno versprühen. Zunächst aber begeistert das Heimspiel der Folk-Polka-Kapelle von Besh O Drom. Die Budapester Spaßmacher dürfen auch in diesem Jahr nicht fehlen.

Am Samstag wird die Torwartlegende des VfL Bochum, Ralf "Die Katze" Zumdick, zufällig von Fans in der Budapester Stadt entdeckt, der sich spontan ebenfalls als Sziget-Fan outet. In diesem Jahr habe ihm der Auftritt der Future Islands am besten gefallen, erzählt der Co-Trainer des heimischen Clubs Ferencvaros Budapest. Sein Festivalbändchen versteckt er indes vor seiner Mannschaft, damit diese nicht auf dumme Gedanken kommt. Schließlich ist heute Derbyzeit, da war das Festival für die Fußballer in den vergangenen Tagen tabu.

Auf der Insel selbst herrscht schon wieder beste Stimmung, nicht nur weil die Major Lazor Crew just ihre Dancehallbomben aufs feiernde Partyvolk abwirft. Pause fällt aus, die Berliner Beatsteaks sind da, das verspricht `ne Party. Sänger Arnim zelebriert im Sailorlook jede einzelne Zeile, still steht keiner, jut druff sind se alle. Auch diese Nacht wird noch für jeden Besucher sein persönliches Schmankerl parat haben, das ist sicher.

Sicher ist auch, dass diese Erlebnisse wieder raus in die Welt getragen werden und von einer friedlicheren und respektvolleren Welt dort auf der Insel geschwärmt wird. Dass das Sziget über die Musik hinaus zum Symbol einer grenzüberschreitenden Festivalgeneration geworden ist, sollte Mut machen. Mut dafür, dass ein Miteinander funktionieren kann, wenn einer auf den anderen zugeht - und sich nicht mit einem Zaun abschottet! Mach bitte weiter so, liebes Sziget, találkozunk a 2016!


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