Mord an Kiesewetter
Die NSU-Connection zu den "Spätzles"
21.10.2014, 19:59 Uhr | Von Christoph Lemmer, dpa
Die Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 auf der Theresienwiese in Heilbronn mit einem gezielten Kopfschuss getötet (Quelle: dpa)
Das NSU-Trio hatte enge Drähte nach Baden-Württemberg. Nach Aussage einer LKA-Ermittlerin tummelte es sich in einer Szene, deren Schwerpunkt unter anderem in Heilbronn lag. War der dortige Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter also doch kein Zufall?Im Münchner NSU-Prozess ist wieder der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn in den Mittelpunkt gerückt. Zur Anhörung war eine Ermittlerin des Stuttgarter Landeskriminalamts (LKA) geladen. Detailliert berichtete sie über die engen Bindungen von Neonazis im Ländle zu Gesinnungsgenossen in Sachsen und Thüringen - unter ihnen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
Alle sechs bis acht Wochen habe man sich in einem Privatkeller in Ludwigsburg getroffen und gefeiert. Als wichtigste Zeugin nennt die LKA-Beamtin eine Frau, mit deren Hilfe sie acht Besuche zumindest von Zschäpe und Mundlos "herausarbeiten" konnte. Demnach kamen die beiden zum ersten Mal 1993 zur Ludwigsburger Kellerparty. Der letzte Besuch datiert aus dem Januar oder Februar 2001.
Zschäpe und Mundlos regelmäßig in LudwigsburgDa war das Trio schon drei Jahre im Untergrund und hatte den ersten von insgesamt neun fremdenfeindlichen Morden verübt. Die Zeugin habe sich an die Daten deshalb so gut erinnert, weil sie sie mit persönlichen Ereignissen verknüpft habe, berichtete die Polizistin - etwa, mit wem sie gerade liiert oder wann sie schwanger gewesen sei.
Böhnhardt soll laut Zeugen nur selten dabei gewesen sein, ein bis zwei Mal, wie die Ermittlerin sagte. Zschäpe und Mundlos könnten dagegen noch sehr viel häufiger nach Ludwigsburg gereist sein. Einige Zeugen hätten davon gesprochen, dass die Treffen alle sechs bis acht Wochen stattgefunden hätten. Als Beleg nannte die Polizistin auch einen Brief von Mundlos. In dem habe er einen Osterbesuch bei den "Spätzles" erwähnt.
Harter Kern der Szene kam zu PartysZu den Partys seien nicht nur Zschäpe und Mundlos gereist, sondern auch andere Mitglieder des harten Kerns der Szene im Osten. Unter den Namen, die die LKA-Ermittlerin aufzählt, ist der frühere Anführer der Kameradschaft Jena, also der Gruppe, der auch das Trio angehörte. Außerdem habe ein führender Mann aus Chemnitz dazugehört und ein Mann mit einem jugoslawischen Namen, der aus Ludwigsburg stamme, vorübergehend in Thüringen lebte und - so die Beamtin - zum inzwischen verbotenen Netzwerk "Blood & Honour" gehört habe.
Bei den Ermittlungen habe sich auch herausgestellt, dass die Kontakte zwischen den rechtsextremen Gruppen im Osten und Südwesten keinesfalls nur zufällig zustande gekommen seien. Es gebe eine "Schnittstellenperson", die Anfang der 1990er Jahre vom Osten nach Stuttgart gezogen sei und dort eine Ausbildung absolviert habe. Dieser Mann habe den Kontakt zwischen den Ludwigsburgern und den Chemnitzern vermittelt.
Hinweise auf weitere Besuche Im SüdwestenOb das Trio sich auch an anderen Orten in Baden-Württemberg aufgehalten habe, sei nicht restlos aufzuklären gewesen, sagte die Beamtin. Es gebe Hinweise auf Heilbronn, Stuttgart und Bad Cannstatt. Belegt seien zahlreiche Konzerte und Treffen der rechten Szene, an denen dieselben Leute teilnahmen wie im Ludwigsburger Keller.
Der Mord an Michèle Kiesewetter war nach Erkenntnis der Bundesanwaltschaft der zehnte und letzte Mord des NSU. Die Anklage meint, die Beamtin und ihr bei dem Anschlag schwer verletzter Kollege seien von den Tätern nur zufällig ausgewählt worden. Einige Nebenkläger halten das für unwahrscheinlich und verweisen auch auf die Herkunft Kiesewetters und Verbindungen ihres privaten Umfelds in die Szene.