Wie beim tunesischen Attentäter auf dem Berliner Weihnachtsmarkt stammt auch die Tatwaffe der rechtsextremen Zelle NSU aus der Schweiz. Für ihre Mordserie benutzte sie eine Ceska 83.
Nachdem Beate Zschäpe am 4. November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall ihrer zwei Gesinnungsgenossen die gemeinsame Wohnung mit Benzin übergossen und angezündet hatte, dauerte es noch eine Weile, bis die Fahnder auf den entscheidenden Fund stiessen. Erst nach einigen Tagen fand die Polizei im Brandschutt im Vorgarten der Wohnung im sächsischen Zwickau eine tschechische Armeepistole, die sie aufgrund einer rätselhaften Mordserie schon länger auf dem Radar hatte: eine Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter, mit verlängertem Lauf, auf dem ein Schalldämpfer montiert werden konnte.
Vom anderen Ende herRund zwei Dutzend Stück dieses Modells waren 1993 von einem tschechischen Händler in die Schweiz eingeführt worden, der damals im solothurnischen Derendingen ein Waffengeschäft führte. 2005, nach dem siebten von insgesamt neun Morden an türkisch- oder griechischstämmigen Immigranten, wurden die deutschen Fahnder beim tschechischen Waffenhändler in Derendingen vorstellig. Sie überprüften sämtliche Verkäufe der entsprechenden Ceska. Bei einem Berner, einem ehemaligen Primarlehrer, blieben sie hängen. Er soll die Armeepistole 1996 in der Stadt Bern bei einem inzwischen nicht mehr existierenden Waffengeschäft erworben haben. Der Betroffene bestritt aber, die Waffe gekauft zu haben, und sagte aus, jemand anders müsse dies unter seinem Namen gemacht haben.
Sechs Jahre später, nach dem Fund der Ceska 83 im Brandschutt im Vorgarten der Zwickauer Wohnung, nahmen die deutschen Ermittler die Spur der Waffe vom anderen Ende her auf. Zwar war die eingravierte Seriennummer, über die jede bewilligungspflichtige Waffe verfügt, abgefeilt. Doch mit einer chemischen Methode gelang es den Fahndern, die Seriennummer zu eruieren: 034678. Es war zweifelsfrei die Tatwaffe der bis dahin ungelösten Mordserie an neun Immigranten.
Die Tötungsdelikte gehen auf das Konto der rechtsextremen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die beiden Haupttäter erschossen sich nach dem gescheiterten Banküberfall 2011. Das dritte NSU-Mitglied, Beate Zschäpe, steht in München seit bald vier Jahren vor Gericht. Im Laufe dieses Prozesses konnte der Weg der Tatwaffe zurückverfolgt werden. Er führt zunächst in ein Szenelokal für Rechtsextreme in Jena, wo unter dem Ladentisch Waffen zu bekommen waren. Ein Deutscher gestand, die Waffe im Auftrag gekauft und an die zwei inzwischen toten Mitglieder des NSU überbracht zu haben.
Zurück an den AnfangUnd wie war die Ceska unter den Ladentisch des Jenaer Szenelokals gelangt? Aufgrund von Angaben des Ladenbesitzers konnte die Kette um zwei Glieder ergänzt werden. Es handelt sich jeweils um Deutsche aus dem kriminellen Umfeld. Einer von ihnen verbringt die Ferien regelmässig mit einem Schweizer, der vorübergehend in den Osten Deutschlands ausgewandert war. In der Nähe von Jena hatte der Schweizer einen Auto-Abschleppdienst betrieben.
Und mit ihm schliesst sich die Kette in die Schweiz: Der vorübergehend ausgewanderte Schweizer ist ein Militärdienst-Kollege jenes ehemaligen Berner Primarlehrers, den die deutschen Fahnder bereits 2005 im Visier hatten. Er soll sich Waffenerwerbsscheine beschafft und an den Dienstkameraden verkauft haben. Das Strafverfahren gegen die zwei Schweizer wurde 2014 eingestellt. Es konnte ihnen kein direkter Kontakt zum NSU nachgewiesen werden.
dgy. ⋅ Die Waffengesetzgebung beschäftigt die Schweiz seit zwanzig Jahren mit zunehmender Kadenz. Bis 1999 existierten auf eidgenössischer Ebene keine detaillierten Vorschriften über den Erwerb und Besitz von Waffen. Erst dann trat das eidgenössische Waffengesetz in Kraft, das bereits acht Jahre später in wichtigen Punkten verschärft wurde. Die Waffenlobby und viele bürgerliche Politiker wehrten sich gegen die Änderungen, allerdings erfolglos: Seit 2008 muss auch der Verkauf von Schusswaffen unter Privaten registriert werden. Inzwischen zeichnet sich schon die nächste politische Auseinandersetzung ab. Als Mitgliedstaat des Schengenabkommens ist die Schweiz dazu verpflichtet, gewisse europäische Mindeststandards zu übernehmen. Im vergangenen Dezember haben die EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten eine Verschärfung des Waffenrechts für Zivilisten gebilligt - eine Reaktion auf die Anschläge von Paris. Diese Revision macht auch Anpassungen des Schweizer Waffenrechts notwendig, wobei die Details noch unklar sind. Zwar ist es der Schweiz gelungen, eine Ausnahme unterzubringen, wonach Armeeangehörige nach dem Ende der Dienstpflicht ihre Ordonnanzwaffe nach Hause nehmen dürfen - voraussichtlich allerdings nur, wenn sie sich einem Schützenverein anschliessen. Doch selbst über diese Vorschrift dürfte in der Schweiz noch heftig gestritten werden. Wie die Bestimmungen im Detail aussehen, ist nach Angaben des Bundesamts für Polizei (Fedpol) noch unklar. Bereits ist aber aus Schützenkreisen das Referendum angekündigt.