21.07.2014 21:00 Uhr
© dpaDie mutmaßliche Terroristin wünschte sich neue Anwälte. Das Gericht zögerte lange, doch die Risiken für den NSU-Prozess wären zu groß gewesen.
Von Christoph Lemmer, München
Fast eine Woche lang hing der NSU-Prozess in der Luft. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wollte neue Anwälte. Weil es sich um vom Staat bezahlte Pflichtverteidiger handelt, musste darüber das Gericht entscheiden. Lange ließ sich das Oberlandesgericht (OLG) München nicht in die Karten schauen und bewahrte Stillschweigen. Am Abend dann drang die Entscheidung doch nach außen. Wie das Magazin Der Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung erfuhren, muss Zschäpe ihre bisherigen drei Pflichtverteidiger behalten.
Zschäpe habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und den Verteidigern vorgebracht, heißt es den Berichten. Eine Bestätigung des Gerichts war gestern Abend zunächst nicht zu erhalten.
Der Prozesstermin wurde auf den Nachmittag verschoben. Platzen lassen wollte der Staatsschutzsenat den NSU-Prozess aber nicht - nach bisher 128 Prozesstagen und erheblichen Kosten. „100 000 Euro pro Prozesstag werden nicht reichen", vermutete der Regensburger Rechtsprofessor Bernd von Heintschel-Heinegg. Das Gericht hätte zwar „alle drei Verteidiger in Bausch und Bogen auswechseln" können, aber dann hätten die neuen sagen können: „Alles auf null". Der Prozess hätte von vorn beginnen müssen.
Heintschel-Heinegg ist nicht irgendwer. Er war der Vorgänger von Richter Manfred Götzl als Vorsitzender des Staatsschutzsenats, vor dem sich Zschäpe und ihre mitangeklagten mutmaßlichen Helfer verantworten müssen. Die NSU-Akten kennt er ebenfalls. Er diente dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages als Ermittlungsbeauftragter.
Jetzt, wo das Gericht an den Zschäpe-Verteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm festhält, könne der Prozess wohl weitergehen wie bisher, meint Heintschel-Heinegg. Welches Risiko besteht jetzt? „Kein allzu großes." Zschäpe könne versuchen, ein strenges Urteil mit einer Revision zu kippen, und argumentieren, das Gericht habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Dafür gebe es bisher aber keine Rechtsprechung.
In seinem Blog schlug der Strafrechtsexperte eine andere Lösung vor: Das Gericht werde „zu prüfen haben, ob nicht ein vierter Pflichtverteidiger beizuordnen ist, der das volle Vertrauen der Angeklagten hat". Diesem Vorschlag folgte das Gericht nicht und blieb hart.
Der Frankfurter Rechtsprofessor Matthias Jahn sieht nur eine geringe Gefahr, dass das Urteil nun mit einer Revision kassiert werden könnte. Zschäpe könne zwar versuchen, ein Urteil anzufechten, aber sie müsse dann „hypothetisch durchspielen", wie der Prozess mit Verteidigern ihres Vertrauens gelaufen wäre. (dpa)