Zum Anfang der Neuzeit zogen fahrende Schausteller mit ihrer Laterna Magica über die Jahrmärkte und malten mit ihren flackernden Projektionsgeräten den Teufel gewissermaßen als bewegtes Bild zur Abschreckung an eine Wand und trieben die Massen damit erfolgreich wieder zurück in die Arme der Kirche.
Die geopolitische Entwicklung, die wir derzeit verfolgen können, setzt wie damals auf das Element der Abschreckung. Nur erfolgt diese Abschreckung heute nicht mehr zum Nutzen der römisch-katholischen Kirche, sondern im Interesse von „god’s own country“, den USA. Die Mehrheit der Bevölkerung hierzulande war zu Zeiten des Kalten Krieges überzeugt, den Frieden - zumindest in Europa - nur durch die Abschreckung des jeweils gegnerischen Blocks sichern zu können. Dass dabei beide Teile Deutschlands im Ernstfall aus Gründen der Reichweite der verfügbaren Waffen als Schlachtfeld unter die Räder gekommen wären, hatte man geflissentlich verdrängt.
Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien die Abschreckung nicht mehr die gleiche Relevanz zu besitzen wie zuvor. Russland war plötzlich auch kein Gegner mehr, weil sich dort Möglichkeiten ergaben, die ehemals staatlichen Ressourcen in privaten Besitz zu überführen, zu filetieren und in Teilen an westliche Investoren zu verkaufen. Unter Jelzin nahm die Plünderung Russland beachtliche Ausmaße an. Nur völlig weltfremde Träumer wunderten sich später, dass Putin, der dem Treiben dieser Plünderer ein Ende setzte, im Inland bis heute auf massive Zustimmung stößt. Für westliche Investoren war mit der Regierung Putin der günstigen Zugang zu Russlands Ressourcen nun nicht mehr zum Discount-Preis möglich. Alle Versuche Putin von den Schalthebeln der Macht zu entfernen, waren gescheitert und so verfiel man in den USA schon 2006 wieder auf das Instrument der Abschreckung. Schließlich glaubte man, den ökonomischen Beutezügen der US-amerikanischen Wirtschaft Deckung geben zu müssen.
Zu den führenden Protagonisten der neu aufgelegten Abschreckungsideologie zählt die US-amerikanische Rand Corporation, die auch in Berlin einen Brückenkopf unterhält. Der im Jahre 1948 in der Nachfolge der Zweiten Weltkriegs entstandene amerikanische Think Thank finanziert sich in der Hauptsache durch Zuwendungen des US-Verteidigungsministeriums und anderer Behörden sowie aus steuerlich absetzbaren Spenden und Auftragsstudien. Man arbeitet inzwischen auch für andere Regierungen und Organisationen, darunter auch die Europäische Kommission.
Wer das aktuelle US-amerikanische Vorgehen verstehen will, sollte die im Jahre 2008 veröffentlichte Studie „ Austin Long: Deterrence. From Cold War to Long War“ (http://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/monographs/2008/RAND_MG636.pdf) lesen. Als potentielle Gegner, die den USA in den kommenden 20 Jahren gefährlich werden könnten, werden da vier Staaten oder Staatengruppen identifiziert: China, Russland, die Europäische Union und Indien, wobei man die ersten beiden in den Vordergrund schiebt. Da blitzt die Gedankenwelt des Kalten Kriegs wieder auf, als wäre die Sowjetunion nie zusammengebrochen und China ein Hunger leidender Agrarstaat. In beiden Fällen setzt man wieder auf eine atomare Abschreckung. Die amerikanische Strategie steckt da unvermindert in ihrer bipolaren Denkweise fest und blendet die Möglichkeit, dass China und Russland sich verständigen könnten, vollkommen aus. Beide sind ja aus amerikanischer Sicht durch die Mongolei als lokalem US-Alliierten getrennt.