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Schöne neue Werte – Die Vienna Biennale kämpft für Veränderung

Wo gibt es heute noch Zukunftsoptimismus und Fortschrittsglauben? Richtig, im Museum. Bei der Vienna Biennale dreht sich 2019 alles um die Veränderung, die unsere Gesellschaft für eine schöne, neue Welt braucht.

 

Die digitale Zukunft wird kommen, ob wir wollen oder nicht. Im Museum für angewandte Kunst (MAK) hat man das längst erkannt. In der heurigen Version der Ausstellung macht man sich unter dem Zusatz Vienna Biennale for Change 2019 auf die Suche nach Werten, mit den wir die digitale Zukunft gestalten sollen. Gemeinsam mit fünf anderen Kulturinstitutionen, wie dem Angewandte Innovation Lab oder der Kunsthalle werden „reflexive und provozierende, aber auch konkret umsetzbaren Positionen“ entworfen, erklärt MAK-Generaldirektor Christoph Thun-Hohenstein bei der Ausstellungseröffnung.

 

Mögliche Antworten auf die Fragen der Zukunft finden sich vielleicht in der Vergangenheit. So blickt das Ausstellungsprojekt KLIMAWANDEL! des arrivierten Wiener Designstudios EEOS zurück auf die Ästhetik des Wirtschaftsbooms der Nachkriegsjahre und entwirft zeitgenössische, nachhaltige Versionen der Massenkonsumgüter aus den Fünfzigern wie Kühlschrank oder Auto.

 

Nützlich aber unheimlich


Künstliche Intelligenz (KI) ist längst schon in unserem Alltag angekommen, das zeigt die Ausstellung Uncanny Values. Künstliche Intelligenz und Du. Betont interaktiv geben sich die multimedialen Installationen von 18 Künstlerinnen und Künstlern. Immerhin sollen sie zeigen, dass wir bereits jetzt tagtäglich mit künstlicher Intelligenz konfrontiert sind und interagieren. KI steckt in jeder Spracherkennungssoftware, in den Systemen, die unsere Gesundheitsdaten vermessen und in den Maschinen und Algorithmen, die uns das Wetter voraussagen.

 

Eine gelungene Metapher für den Alltag mit der KI ist der Rückgriff auf Freuds berühmten kulturgeschichtlichen Aufsatz über das Unheimliche („uncanny“) im Titel der Ausstellung. Bereits 1919, also genau vor genau hundert Jahren, hat sich Freud darin mit dem Unheimlichen im Alltäglichen auseinandergesetzt.

 

Turnton – Als die Welt wieder in Ordnung sein wird


Im Innovationslab der Angewandten (AIL) entführt uns das Künstlerinnenkollektiv Time`s Up in eine utopische Zukunft, in der die notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen rechtzeitig gelungen sind, und das gute Leben für alle Realität ist. Die „begehbare Erzählung“ des Jahres 2047 blickt aus der idyllischen Kleinstadt Turnton zurück auf unsere heutige Gegenwart: In den Jahren 2019 und 2020 wurden wesentliche Veränderungen gesetzt, um die Utopie der offenen Grenzen und plastikbefreiten Meere knapp 30 Jahre später zu ermöglichen. Absolutes Highlight der Ausstellung ist eine Soundinstallation, in der Besucherinnen und Besucher zu Plankton und die Verschmutzung der Meere zu Lärm werden. So viel sei verraten: Ozeane voller Mikroplastik klingen nicht unbedingt nach Wellenrauschen.

 

Die Zukunft, die uns erwartet, ist also Utopie und Dystopie zugleich – es kommt darauf an, was wir daraus machen. Wenn alles gut geht, dann werden wir einmal auf eine Vergangenheit zurückblicken, in der wir es geschafft haben, mit alten und neuen Wertvorstellungen mutig die Zukunft zu gestalten. Wem bis dahin die Zweifel kommen, der kann sich noch bis 6.10.2019 bei der Vienna Biennale for Change 2019 inspirieren lassen.


Christine Mayrhofer, 30.05.2019