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Berliner Unternehmen sponsern Parlympioniken

Rio ruft. Tom Kierey vom PSC Berlin will Deutschland in der neuen Disziplin Para-Kanu vertreten – und fand Unterstützer.Foto: imago/Camera 4

Schon fast ein Dutzend lokale Unternehmen sponsern Paralympioniken für Rio 2016 aus Berlin – weitere sind gefragt. Die Kampagne „Ungehindert de Janeiro“ bringt Unternehmen mit Sportlern zusammen, sodass beide Seiten etwas davon haben.


Bei einem Sponsorendinner im Capital Club lernten sie sich kennen - seither sind sie ein eingespieltes Team, wenn es um Sponsoren für zukünftige oder auch erfahrene Paralympioniken geht: Klaas Brose vom Behinderten-Rehabilitations-Sportverband Berlin (BSB) hatte schon Ende 2015 das Ziel, Berliner Behindertensportler endlich besser fördern zu können, „damit die sich nicht bei jedem Training überlegen müssen, wie das jetzt finanziert werden kann". Und Reinhard Heitzmann von der Consulting-Firma „SportsReputation" weiß, wie man Sportler an Unternehmen vermittelt.

Für das Projekt „Ungehindert de Janeiro", das gemeinsam vom BSB und dem Verein Berliner Wirtschaftsgespräche ins Leben gerufen wurde, haben sie sich zusammengetan und sind erstaunlich erfolgreich dabei: Bereits elf lokale Unternehmen fördern inzwischen mit einer Summe von 66 500 Euro die Berliner Paralympics-Anwärter. „Zusammen mit den weiteren Spenden kommen wir so auf 71 000 Euro!", freut sich Brose.

16 Sportlerinnen und Sportler wie Radfahrer Pierre Senska oder Schwimmerin Verena Schott werden derzeit durch das Projekt gesponsert. Jeder Athlet wird mit etwa 5000 Euro unterstützt, um die Vorbereitungen für Rio im September zu stemmen. Nach oben sei bei den Förderbeträgen aber natürlich keine Grenze gesetzt, sagen die Initiatoren. Um die Sportler wirklich ausreichend fördern zu können, müsse nochmal mindestens die gleiche Summe zusammenkommen.

Es soll nicht irgendwie laufen, sondern gut

Die Kosten, die die Athleten für ihr Training haben, sind natürlich individuell. Ein Schwimmer etwa hat Ausgaben von 500 Euro im Monat für seinen Sport. Radsportler hingegen kommen auf gut 1500 Euro, weil sie zu Trainingslagern in wärmere Gegenden fliegen müssen. Auch Rollstuhltennis ist kein billiges Unterfangen. Um sich zu qualifizieren, müssen die Sportler Punkte auf Turnieren in der ganzen Welt holen. Nur so kann der Weltranglistenplatz gesteigert werden - und er entscheidet über eine Paralympicsnominierung. Mit 20 000 Euro im Jahr muss der Athlet da schon rechnen.

„Bestimmte Ausgaben sind schon durch die Sportförderung des Bundes gedeckt", erklärt Brose. Er will Sportlern aber genau da helfen, wo andere nicht mehr unterstützen: sei es das zweite Trainingslager oder das Ersatztrainingsgerät mit Sonderanfertigung. Ein sehbehinderter Sportler habe sich neulich von der Förderung eine Lichtschranke gekauft - er kann ja nicht auf die Stoppuhr schauen. Natürlich ginge es immer irgendwie auch anders. „Aber wir wollen, dass es eben nicht irgendwie läuft, sondern gut", sagt Brose. Denn die Konkurrenz der deutschen Paralympics-Nationalmannschaft aus anderen Ländern wird vielfach mit weit mehr Geld unterstützt - ein deutlicher Wettbewerbs-Vorteil des Gegners. Die nun neu geförderten Berliner Sportler können eine Wunschliste erstellen, die mit dem Trainer abgesprochen wird. Schließlich muss es sich um echte Bedürfnisse handeln, die vor den Sponsoren gerechtfertigt werden können.

Vorbilder für Berliner mit Behinderungen

Aber wieso machen Brose und Heitzmann das? „Jeder Berliner Paralympionike, der in Rio antritt, ist ein Vorbild für Menschen mit Behinderung in Berlin. Das kommt dem Berliner Behindertensport zugute", sagt Brose.

Und Heitzmann? Dessen Herz schlägt einfach für Sportler, getreu dem Motto seiner Firma. „Und warum soll das, was ,SportsReputation' mit nichtbehinderten Sportlern macht, nicht auch für Sportler mit Behinderung funktionieren?", fragt er. Und stellt gleich darauf klar: „Wir wollen keine Almosen!" Bei den Partnerschaften schließen die Unternehmen Verträge mit einzelnen Sportlern, Leistung wird gegen Leistung geboten. Die Firmen können Athleten als Botschafter fürs Unternehmen einsetzen, als Aushängeschild in Kundenzeitungen oder bei Sportveranstaltungen präsentieren. Und nicht zuletzt können Sportler auch gebrandet werden: Wenn das firmeneigene Logo auf der Bademütze der Schwimmerin auf dem paralympischen Treppchen zu sehen ist, ist nicht nur das Unternehmen stolz.

Derzeit sponsern vier Unternehmen einen konkreten Sportler. Die Wohnungsgesellschaft Stadt und Land zum Beispiel unterstützt den behinderten Kanuten Tom Kierey. Gleichzeitig wird auch der nichtbehinderte Kanute Tim Bratke von ihnen gefördert. „Das passt einfach perfekt zusammen", findet Heitzmann. Die Berliner Fahrstuhlfirma Schindler AG sponsert die Schwimmerin Verena Schott, die im Rollstuhl sitzt und somit in ihrem Alltag die Produkte ihrer Unterstützer regelmäßig benutzt. Natürlich kann das Unternehmen das öffentlichkeitswirksam nutzen. Ein Fotoshooting mit Schott in den Fahrstühlen der Firma ist schon geplant. So müsse das sein - Pate und Athlet sollen gut zusammen passen. Im Idealfall entsteht daraus eine Freundschaft, eine Partnerschaft auch über die Spiele in Brasilien hinaus: „Die Beziehungen sollen sich verselbstständigen", wünscht sich Brose. Weitere Patenschaften sind die degewo AG, die den Radsportler Pierre Senksa fördert, und die Leichtathletin Ilke Wyludda, die von der Volkssolidarität unterstützt wird.

Viele Sponsoren

Der große Pool an Berliner Paralympics-Anwärtern wird außerdem gefördert von AOK Nordost, GASAG Berliner Gaswerke AG, Gemeinschaft deutscher Blindenfreunde, Sports Reputation, Stiftung Berliner Sparkasse, Stiftung Spielbank Berlin und der TDU Türkisch-Deutsche Unternehmervereinigung Berlin-Brandenburg e.V.. Bis zu den entstandenen Partnerschaften war es ein langer Weg. „Wir haben 50 Unternehmen angeschrieben, persönliche Kontakte genutzt, Überzeugungsarbeit geleistet", erzählt Heitzmann, der schon lange mit nichtbehinderten Sportlern zusammenarbeitet, „und ehrlich gesagt haben wir uns das leichter vorgestellt." Viele lassen sich nicht so sehr für den Behindertensport begeistern. Bis sie den Actionsport und seine Protagonisten mal kennengelernt haben. Heitzmann begeistert seine neue Aufgabe: „Ich überlege sogar, nach Rio zu den Paralympics zu fliegen." Und Brose freut sich über die professionelle Unterstützung durch Heitzmanns Unternehmen, das sei der größte Baustein der Kampagne. Und die könne sich auch im deutschlandweiten Vergleich sehen lassen. „In anderen Bundesländern gibt es zwar auch andere Fördermöglichkeiten", räumt Brose ein. Aber trotzdem sei das Projekt einzigartig und gebe den Sportlern viele Optionen. „Ich denke, wir können nach den Spielen einige der Sportler ins reguläre Portfolio von ,SportsReputation' aufnehmen", meint Heitzmann. Dann können sie langfristig trainieren, auch zwischen den Spielen, ohne ständig an die Finanzierung zu denken. Die endgültige Nominierung für die Paralympics steht erst am 1. August. Brose hofft, das möglichst viele Berliner nach Rio fliegen können - ungehindert.


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