Monopol, 24.10.2021 – Die ältere Dame ist schon etwas angeschwipst, als sie mit Sektglas in der Hand auf Iswanto Hartono zusteuert: „Sind Sie nicht der Kurator von der Documenta?“, fragt sie den Indonesier auf Englisch. Hartono nickt freundlich, stellt aber klar: „Künstlerische Leitung. Und wir sind ein Kollektiv.“ Nichtsdestotrotz lässt sich der 49-jährige Konzeptkünstler gern in ein Gespräch mit Ausstellungsbesuchern im Hallenbad Ost verwickeln. An diesem Abend interessiert ihn vor allem die Atmosphäre in dem umgestalteten Schwimmbad im Kasseler Stadtteil Bettenhausen. Am nächsten Tag wird er es der Presse als einen der Ausstellungsorte für die documenta fifteen präsentieren. „Die Identifizierung der Ausstellungsorte ist für uns sehr wichtig. Sie sollen nicht nur eine Bühne für Künstler bieten, sondern Teil der Werke werden“, sagt Hartono, der in Jakarta und Neu-Delhi Architektur studiert hat. „Dazu müssen wir verstehen, wie die Menschen hier ticken, und uns an die lokalen Bedingungen anpassen – alles andere wäre nicht nachhaltig.“
Als das indonesische Kollektiv ruangrupa zur Künstlerischen Leitung der nächsten documenta beauftragt wurde, ging ein Raunen durch die internationale Kunstwelt. Während deutsche Medien von einer „überraschenden“, „riskanten“ und „radikalen“ Wahl oder gar einem „wahrgewordenen Witz“ berichteten, jubelten viele Künstler auf der südlichen Erdhalbkugel: Zum ersten Mal kuratieren Asiaten die größte Kunstschau der Welt, noch dazu ein Kollektiv. Das weckte bei nicht wenigen Hoffnung auf mehr Gemeinsamkeiten und Verständnis als bei den Vorgängern. Zudem ist ruangrupa in vielen Ländern keineswegs unbekannt: Seit 20 Jahren sind die Indonesier auf internationalen Biennalen unterwegs – von Gwangju bis Sao Paulo, von Brisbane bis Istanbul und von Singapore bis Sharjah. Vor fünf Jahren kuratierte ruangrupa TRANSaction: Sonsbeek 2016 im niederländischen Arnheim, was zu einem Testlauf für die Documenta-Bewerbung wurde. „Ich war nicht völlig überrascht“, sagt Detlef Gericke, der die Anfänge der Künstlergruppe als Programmdirektor des Goethe-Instituts Indonesien begleitet hat. „Was ruangrupa schon immer gut konnte, war, die eigene Generation mobilisieren und progressive Trends vorantreiben. Und sie haben ein weltumspannendes Netzwerk.“
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