Das sind noch eher die harmloseren Kommentare, die Marlene Schönberger bei Facebook oder in Mails und Briefen bekommen hat. Seit Kurzem ist die 31-jährige Grünenpolitikerin aus dem Landkreis Rottal-Inn Abgeordnete im Bundestag. Anfeindungen aber kennt sie schon aus ihrer Zeit als Kommunalpolitikerin: 2015 setzte sie sich für die Aufnahme von Geflüchteten ein und wurde dafür besonders heftig bedroht.
Hassnachrichten, die Männer so nicht bekommenFast immer sei sexualisierte Gewalt ein Thema, so Schönberger: "Es geht um Vergewaltigung, entweder ausgeführt durch Geflüchtete und man wünscht mir, dass mir sowas passiert." Manche Briefe enthielten detaillierte Beschreibungen, was mit ihr gemacht werden solle. "Das sind Inhalte, die Männer nicht bekommen." Seitdem sie Bundestagsabgeordnete ist, haben die Hassbotschaften zugenommen.
Maßnahmen, um Hatespeech schon im Keim zu bekämpfenWeibliche Abgeordnete und ehrenamtliche Kommunalpolitiker sind besonders stark von Hass und Hetze im Netz betroffen. Dieser Überzeugung ist das bayerische Justizministerium. Es hat deshalb einen Hatespeech-Beauftragten und eine Sonderstaatsanwaltschaft benannt. Als Grund dafür gibt das Ministerium an, dass man die Betroffenen besser schützen wolle, damit insbesondere ehrenamtliche Politiker sich weiter engagierten.
Seit 2020 können sie, aber auch Journalistinnen und Journalisten, online Anzeige erstatten über das Meldeportal "Konsequent gegen Hass". Das Portal soll den Betroffenen die Anzeigen erleichtern. Das Ziel: Hass und Hetze im Netz schon frühzeitig bekämpfen, damit aus Drohungen nicht irgendwann Taten werden.
Landtagsabgeordneter Martin Wagle: "Es wurde eine Grenze überschritten"Auch der CSU-Politiker Martin Wagle aus dem Landkreis Rottal-Inn hat anfangs vor allem im Internet Hasskommentare bekommen. Lange hat der Landtagsabgeordnete nichts dagegen unternommen. "Als Politiker muss ich etwas aushalten können", sagt er. Doch mittlerweile hat der Hass gegen ihn eine neue Dimension bekommen, insbesondere aufgrund der Corona-Maßnahmen.
Erst neulich kam ein besonders verstörender Brief bei ihm an - und zwar nicht ins Abgeordnetenbüro, sondern zu ihm nach Hause. "Und jetzt ist Schluss! Das habe ich zur Anzeige gebracht." Er hält das Schreiben hoch: Darauf zu sehen ist der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) - mit einem Hitler-Bart und der Aufschrift: "KZ Lagerarzt". Der Absender schreibt, Martin Wagle solle sich schämen. Der CSU-Politiker fühlt sich angegriffen: "Dieses unterschwellige Darstellen von NS-Verbrechen (...) Das ist ein Szenario, das auf mich übertragen wird."
Selbst Familienmitglieder werden beschimpftDoch nicht nur mit dem Brief sei eine Grenze überschritten worden, sagt Wagle. Erst neulich traf der Hass wieder einmal ein Familienmitglied persönlich. "Das war sehr verstörend für meine Mutter", erzählt er. Diese sei frühmorgens angerufen und von der Person am anderen Ende der Leitung beschimpft worden. "Meine Mutter wusste gar nicht, wie ihr geschieht."
Er habe zuvor zum Impfen aufgerufen und das sei der Grund für den Unmut des Anrufers gewesen. "Meine Mutter hat den Anrufer erkannt", sagt er. Daraufhin habe er die Polizei verständigt und die wiederum habe bei der Person zu Hause vorbeigeschaut, um mit ihr zu reden.
Gemischte Erfahrungen mit StrafverfolgungGrünen-Politikerin Schönberger hat schon häufiger Strafanzeige gestellt - allerdings nie über das Meldeportal des Freistaats. Nach ihrer Einschätzung hängt der Erfolg sehr stark von der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft ab. "Ich hatte Erfolg bei Kommentaren, die ich persönlich nicht als so massiv eingeschätzt hätte", sagt sie.
Bei anderen Nachrichten hingegen, die sie auch als schwerwiegender aufgefasst habe, habe sie eine eher enttäuschende Rückmeldung von Seiten der Staatsanwaltschaft bekommen: "Da hieß es, man könne nichts tun. Das gehöre zur politischen Debatte dazu." Wagle wartet noch auf ein Ergebnis zu seiner Anzeige. Doch neben der Strafverfolgung ist ihm etwas anderes wichtig: Aufmerksamkeit schaffen - für das Ausmaß, das der Hass gegen Politiker angenommen hat.