Eigentlich sollte die Hausverwaltung sein Leben leichter machen. Doch seit einigen Wochen ärgert sich Max Breu aus Rosenheim nur noch über sie - die WEGRU Wohnungs- und Grundstücksverwaltung aus Waldkraiburg. Sie hatte das Haus verwaltet, in dem Max Breu neben anderen Eigentümern eine Wohnung gehört, und sollte sich um Probleme kümmern; etwa bei Schäden einen Handwerker bestellen.
Dafür hatte die Hausverwaltung Zugriff auf das Hausgeldkonto, in das alle Wohnungseigentümer einzahlen und mit dem laufende Kosten beglichen werden sollen. "Und jetzt fehlen 57.323 Euro von unserem Hausgeldkonto. Wo sind die hingekommen?", fragt Max Breu.
Offenbar hohe Zahl an GeschädigtenSo wie ihm dürfte es wohl zahlreichen anderen Eigentümern gehen. Die WEGRU und deren Muttergesellschaft "Wendelstein Immobilienverwaltungsgesellschaft" haben über 60 Wohneigentümergemeinschaften (WEGs) betreut - mit rund 2.500 Objekten. Darunter waren Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sowie auch Parkgaragen-Stellplätze, viele davon in Oberbayern, einige auch in Niederbayern. Bei fast allen, das sagt Insolvenzverwalter Florian Loserth, fehle Geld auf den Hausgeldkonten.
Insolvenzverwalter schätzt Schaden auf MillionenhöheFlorian Loserth beschäftigt sich seit Sommer 2021 mit dem Fall - nämlich als die Insolvenzverfahren beider Hausverwaltungen eröffnet worden sind. Denn erst seitdem ist überhaupt aufgefallen, dass auf zahlreichen Hausgeldkonten Geld fehlt. Er hat die Eigentümer der 2.500 Objekte, die von der Wendelstein und WEGRU Immobilienverwaltung betreut worden sind, darüber informiert.
Wie groß der Schaden ist, das versucht er herauszufinden: Über 2.000 Ordner hat er dafür gesichtet und kommt mittlerweile auf eine Schadenssumme von mindestens 3,5 Millionen Euro. "Wobei die Summe für ein Insolvenzverfahren weniger ungewöhnlich ist. Ungewöhnlich ist, dass es so viele Geschädigte gibt", sagt Florian Loserth. Seit wann genau bereits Geld von den Konten abhanden gekommen ist, ist unklar. Loserth aber arbeitet sich durch die Akten der letzten zehn Jahre.
Insolvenzverwalter: Überweisungen von einem Hausgeldkonto zum anderenWarum das Fehlen des Geldes keiner der WEGs aufgefallen ist? Florian Loserth hat dafür zwei Erklärungen. Erstens: "Dass Geld für eine Rechnung zum Beispiel gefehlt hat, kam in der Praxis nie vor." Seine Beobachtung aufgrund der Unterlagen: War das Hausgeldkonto nicht ausreichend gedeckt, etwa um eine Rechnung zu bezahlen, wurden offenbar kurzfristig Gelder von Konten anderer WEGs darauf überwiesen. Das Ziel: Engpässe überbrücken.
Zweitens habe er sich Kontoauszüge genauer angesehen, welche den Wohnungseigentümergemeinschaften zur jährlichen Prüfung vorgelegt worden waren. Florian Loserth zeigt einen solchen Kontoauszug vor: Auf den ersten Blick sieht alles in Ordnung aus.
Merkwürdige Kontoauszüge"Aber wenn man ihn sich genauer ansieht, fällt schon einiges auf", erklärt Florian Loserth. Er deutet auf Zinsgutschriften - zwei davon sind am selben Tag auf das Konto eingegangen. Das sei unüblich, so Loserth. "Am auffälligsten ist aber die Formatierung. Etwa hier beim neuen Kontostand." Er zeigt auf die Zeile, in der das Datum und der neue Betrag auf dem Konto angegeben ist. "Vorne ist die Schrift genau mittig zwischen den beiden Linien formatiert. Während die Betragsangabe hinten ein paar Millimeter tiefer sitzt und leicht nach rechts abkippt."
Und tatsächlich: Beim genaueren Hinsehen auf dem Kontoauszug ist einiges in der Formatierung schief und krumm. Das Ganze, findet auch Florian Loserth, sieht eher wie eine Bastelarbeit aus; möglicherweise gemacht "mit Drucker, Schere, Kleber und Kopierer", wie der Insolvenzverwalter sagt.
Wo ist das Geld geblieben - und wer hat es abgebucht?Auf BR-Anfrage äußern sich die beiden Hausverwaltungen nicht - und sind auf eine zweite Anfrage plötzlich nicht mehr erreichbar, weder per Mail noch per Telefon oder Postweg. Aber laut Insolvenzantrag hat eine Geschäftsführerin angeblich eigenmächtig Geld abgebucht - auf ihr Privatkonto. Nur: Diese Frau ist verstorben - und die verbliebene Geschäftsführung will laut Insolvenzantrag nichts davon gewusst haben.
Max Breu, einer der Geschädigten, ist skeptisch, ob das stimmt. Er will, dass das genau überprüft wird: "Mich ärgert das - intensiv! Und ich erwarte, dass unsere Behörden jetzt nachforschen - auch wenn das nicht einfach wird." Tatsächlich beschäftigen sich bereits die Behörden mit dem Fall. Nach BR-Informationen ermittelt die Staatsanwaltschaft München II gegen die verbliebene Geschäftsführung und einen ehemaligen Geschäftsführer - wegen Untreue zum Nachteil zahlreicher Wohnungseigentümer.