Christina Philippe plädiert für die sorgsame Auswahl von Influencern. © Foto:Presse
Schluss mit den Schwanzvergleichen beim Influencer Marketing
Influencer Marketing ist die neueste Sau, die durch das digitale Dorf getrieben wird. Nach der Aufregung rund um Snapchat war kurz mal wieder Youtube dran, dann kam der Dauerbrenner Dmexco und nun muss jeder sich zum Thema Influencer Marketing positionieren.
Der Tenor geht etwa in diese Richtung: Influencer Marketing ist in den meisten Fällen sinnlos verbranntes Geld, weil nur hohle Reichweiten zusammenkommen, die für das jeweilige Unternehmen komplett irrelevant sind. Und das liegt einzig daran, dass die selbsternannten Influencer ihre eigenen Accounts mit halbseidenen Mitteln pushen, um möglichen Werbepartnern Relevanz vorzugaukeln. So werden unter Instagram-Bilder ganze Hashtagbatterien mit vollkommen allgemeinen Begriffen (#love #ootd #monday) gepackt, nur um dadurch möglichst viele Klicks zu generieren und das eigene Bild in möglichst vielen Suchen unterzubringen. Bei Facebook gibt es Gewinnspiele, in denen man Freunde markieren soll und auch das Kaufen von Fans ist nach wie vor ein Thema.
Wer steckt dahinter?Woher kommt aber nun dieser Trend, die eigene Relevanz mit gefakten Klicks nach oben pushen zu wollen? Auf der einen Seite stehen da die Multichannel-Networks (MCN) und Mediaagenturen. Nur durch die hat man langfristig eine Chance, an genügend Platzierungen zu kommen, um davon leben zu können. Allerdings ist man erst ab bestimmten Followerzahlen und Interaktionsraten überhaupt interessant. Da aber heutzutage die Konkurrenz nicht schläft, muss man schon schauen, dass man sich möglichst schnell positioniert. Ein langsamer Aufbau einer nachhaltigen und qualitativ hochwertige Fanbase wird immer schwieriger und auch teurer. Um also nicht in der Menge unterzugehen, ist man quasi gezwungen, zu anderen Mitteln zu greifen. Und hat man erstmal den Punkt erreicht, an dem MCNs aufmerksam werden, wird man auch von dieser Seite extrem gepusht, um weiter relevant und vermarktbar zu bleiben. So kommt es dann zu Kooperationen zwischen Influencern, damit man möglichst viele Fans dazu animiert, mit den Inhalten zu interagieren.
Was bedeutet das für die Influencer?Ein Punkt, der in der Betrachtung immer etwas zu kurz kommt, ist die Seite der Influencer. Es wird leider sehr unterschätzt, unter welchem Druck diese stehen und viel zu leicht die Schuld für schlechte Inhalte bei den Gesichtern der Kanäle gesucht. Sicher, eine gewisse Verantwortung haben diese auch. Allerdings liegt das Problem hier meist darin, dass man einer bestimmten Zielgruppe gefallen muss. Ohne genau diese gibt es keine Reichweite, keine Interaktion und damit auch keine Aufträge. Wenn eine Art von Inhalten besonders gut ankommt, muss diese also weiter nach vorne gebracht werden, vollkommen egal, wie blödsinnig sie ist. Der ständige Kampf um die höchste Reichweite führt zu Bombenprank-Videos und ähnlichen "Höhepunkten".
Keine Schwanzvergleiche mehrDaher: Augen auf bei der Influencer-Wahl. Wie auch sonst empfiehlt es sich für ein Unternehmen, einen genauen Blick auf die gebuchten Markenbotschafter zu werfen. Wir müssen endlich weg von der Erfolgsdefinition über nicht nachvollziehbare Werte wie Reichweite. Das ist wie mit Kanonen auf Spatzen schießen. Bei 1,5 Millionen Followern/Fans ist es zwar wahrscheinlich, dass bei Dauerbeschuss irgendwo der Markenname hängen bleibt, dafür platziert man seine Produkte dann aber eben auch neben Inhalten, die nicht unbedingt vorteilhaft sind. Und das alles nur, um am Stammtisch behaupten zu können, mit der neuen Kampagne zig Millionen Kontakte erzeugt zu haben.
Dabei wäre es wesentlich sinnvoller, nicht immer nur nach reinen Zahlen zu schauen, sondern auch Inhalte und Zielgruppe mit in die Überlegung einzubeziehen. So wird der Druck auf die Influencer verringert, immer höhere Fanzahlen zu erreichen, und zwielichtigen Netzwerken und Fanboostern das Handwerk gelegt. Das bedeutet zwar mehr Aufwand auf Seiten der Unternehmen, aber langfristig lohnt es sich, diesen Aufwand zu betreiben, denn er spart Geld. Die Gagen, die für einfache Inhalte von den Netzwerken aufgerufen werden, gehen schnell in den fünfstelligen Bereich, bei kleineren Accounts, die aber die Zielgruppe besser bedienen ist das entsprechend günstiger. Außerdem bringt das den Vorteil mit sich, dass auch ein Community Management während einer laufenden Kampagne möglich ist. Bucht man einen Facebookpost bei einem der deutschen Top-Influencer ist das kaum möglich. Sollten tatsächlich Fragen auftauchen, gehen diese im allgemeinen Kommentar-Strom unter.
Christina Philippe, Manager Social Media Relations bei Qiagen, ist einer der "Digital Leader", eine feste Gruppe von Bloggern, die ihre Meinungen und Kommentare via LEAD digital verbreitet. Mehr zur Autorin und den weiteren Mitgliedern der "Digital Leader" lesen Sie hier auf der Übersichtsseite.
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