Rowa schaut auf ihr Heft und liest. Ihren Füller hält sie mit beiden Händen fest. Kurz schaut sie geradeaus, fixiert einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand - so, als ob sie sich nur vergewissern müsste. Dann öffnet sie den Füller mit einem Ruck. Sie beugt sich über ihr Mathe-Übungsheft, die Zungenspitze schaut aus ihrem Mund, wandert zur oberen Lippe, in ihrer linken Hand hält sie noch immer die Kappe ihres Füllers fest. Dann schreibt sie mit ihrer rechten Hand flink eine Zahl in ihr Übungsheft. Ihr Blick wandert zur Seite. „Richtig?", fragt Rowa und wartet. Neben ihr sitzt Rosa Teresa Fries und lächelt. Sekunden vergehen. Ist die Lösung korrekt? „Ja, gut gemacht", sagt sie. Rowa schaut wieder in ihr Übungsheft, weiter geht es mit der nächsten Aufgabe.
Einmal in der Woche treffen sich die beiden - immer am Mittwoch ab 17:30 Uhr für anderthalb Stunden, manchmal länger. Meist lernen sie am Anfang Mathe, denn dann sind beide noch wach. Danach lesen sie oder malen auch mal was zusammen. Die beiden verbindet eine ungewöhnliche Freundschaft. Denn Rowa ist acht Jahre und geht in die dritte Klasse der Jeanne-Barez-Schule in Französisch Buchholz, Rosa Teresa Fries ist 33 und leitet eine Sprachschule für Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen. (...)
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